Die Zahl der Studienanfänger*innen im gymnasialen Lehramt Musik ist in den vergangenen fünf Jahren um 20 Prozent, die der Bewerber*innen um 40 Prozent zurückgegangen. Um die Ursachen dafür zu ermitteln, wurde im vergangenen Jahr vom Ausschuss für Schulmusik in der Rektorenkonferenz der deutschen Musikhochschulen (RKM) die Studie MULEM-EX (MUsikLEhrkräfte-Mangel – eine EXplorative Studie) initiiert. Anfang Juni stellten die beteiligten Akteure – Deutscher Musikrat, RKM und Bundesfachgruppe Musikpädagogik – die Ergebnisse vor.
Klarer Auftrag zur Veränderung
Die verhältnismäßig schnelle Durchführung und Auswertung dieses „Crowdresearch-Projekts“ wurde durch ein „pragmatisches empirisches Forschungsvorgehen“ möglich, wie es in der Studie heißt. Dabei wurden 70 Teilstudien (Fragebogenerhebungen sowie Gruppen- und Einzelinterviews) an Universitäten, Musikhochschulen und Pädagogischen Hochschulen durchgeführt und als Meta-Studie von Andreas Lehmann-Wermser und Patrick Witte ausgewertet. Dass die Ergebnisse vielfach von „Wahrnehmungen und Interpretationen“ und von „imaginierten Bildern von Studium und Beruf“ geprägt sind, ist – wie die Autoren eingangs betonen – „weder entscheidend noch wichtig“. Relevant sei vielmehr, „dass sie als Gründe gegen ein spezifisches Lehramtsstudium geäußert werden; sie erweisen sich als handlungsleitend.“ Dabei stehen drei Bereiche im Mittelpunkt, die als abschreckend empfunden werden: Erstens der zeitliche und finanzielle Aufwand in der Vorbereitung sowie die an der klassisch-europäischen Kunstmusik ausgerichteten Eignungsprüfungen mit ihren hohen Anforderungen in Theorie und Gehörbildung, zweitens die Aussicht auf ein Studium, das nicht ausreichend auf die schulische Praxis vorbereitet, und drittens der Berufsalltag, insbesondere mit dem schwierigen Einstieg über das Referendariat.
Auf diese drei Themenfelder bezogen formulieren die Autoren Handlungsoptionen, „die Lehramtsstudiengänge konzeptionell so aufzustellen, dass sie ein zeitgemäßes, hochwertiges und zu den Interessen und Wünschen der Musikaffinen passendes und attraktives Angebot darstellen.“ So könnten bei den Eignungsprüfungen die theoretischen Anforderungen sowie die Prüfung des Zweitinstruments überdacht werden. Die Hochschulen werden außerdem aufgefordert, ein „Übergangsmanagement“ für den Einstieg sowohl ins Studium als auch ins Referendariat zu entwickeln. In Bezug auf das Studium selbst wird unter anderem vorgeschlagen, eine gute Begleitung der Praxiserfahrungen sicherzustellen, Schule und Hochschule besser zu verzahnen und die inhaltliche Ausrichtung etwa „durch erweiterte Studien- und Vertiefungsmöglichkeiten im Hauptfach“ weiter zu fassen als bisher. Was den Alltag im Beruf angeht, so plädieren die Autoren dafür, die praktischen Bedingungen an den Schulen zu verbessern, alternative Möglichkeiten der Leistungsbewertung in den Blick zu nehmen und im Referendariat enge Begleitung und Coaching an die Stelle von Prüfungs- und Leistungsorientierung zu setzen.
Ihre Handlungsoptionen fassen sie abschließend wie folgt zusammen: „Dem Einbruch der Neuimmatrikulationen im Lehramt generell und in Musik im Besonderen kann mit einem breiten Diskurs über veränderte Bedürfnisse und Motivationen der Musikaffinen, über veränderte Berufsfelder und veränderte Musikpraxen begegnet werden, aber es bedarf eines mutigen Zugriffs, Neuerungen auch umzusetzen.“
Christian Fischer, der Vorsitzende der RKM, sieht in der Studie einen klaren Auftrag zur Veränderung, was zum Beispiel „Informationsangebote, Passung des Studiums und Zugangsvoraussetzungen angeht“. DMR-Generalsekretärin Antje Valentin forderte eine „wirkungsvolle Kooperation aller beteiligten Akteure, die Rahmenbedingungen für Studium und Beruf […] zu reformieren“. Was eine kurzfristige Kampagne betrifft, die bei der Präsentation der Studie in Aussicht gestellt wurde, präzisierte das Generalsekretariat der nmz gegenüber, diese solle „in engem Schulterschluss mit den Landesmusikräten und den musikpädagogischen Verbänden entwickelt und ausgespielt werden“ und voraussichtlich im Oktober starten.
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