Kinder und Jugendliche dürfen nicht mehr als Publikum von morgen gesehen, sondern müssen viel mehr heute ernst genommen werden. Daher ist es notwendig, Kinderkonzerte zielgruppenorientiert auf zu bereiten, auf die Gedankenwelt junger Menschen abzustimmen und höchsten musikalischen Qualitätsansprüchen zu unterlegen.
Den 200 Teilnehmer/-innen der Konferenz „New Earports“ im südschwedischen Helsingborg wurde intensiver Diskurs über aktuelle Fragen und Entwicklungen im weiten Feld der Musikvermittlung, insbesondere für junge Ohren, geboten. Neben hervorragenden Kinder- und Jugendkonzerten, die musikalisch-inhaltlich die breite Palette von nordeuropäischer Volksmusik über Weltmusik zu lateinamerikanischen Rhythmen sowie zu klassischer Musik abdeckte, konnten einige hochkarätige Referenten ihre Erfahrungen präsentieren.
Sylvia Dow, die Grande Dame der schottischen Kulturszene machte eindrucksvoll auf Möglichkeiten der Vernetzung von Konzertveranstaltern, Musikern und Schulen aufmerksam. Liora Bresler, Professorin am College for Education der Universität Illinois/USA sprach über Rezeptionsgewohnheiten der Konzertbesucher, Detlev Hahlweg, Vize-Präsident der Jeunesses Musicales Deutschland, über Qualitätsansprüche eines Kinderkonzerts, auf die in den folgenden kurzen Konzertrezensionen exemplarisch eingegangen wird.
Son Dos aus Irland und Kuba
Son Dos ist die musikalische Begegnung Kubas mit Irland, die Verbindung kubanischer Rhythmen mit englischer Eleganz zu neuen Stilen, eine eigenständige, originelle Klangwelt. Zwei exzeptionell gute Musikerinnen, die es verstehen ihre Leidenschaft, Energie und Lebensfreude auf das Publikum zu übertragen und gleichsam „den Klang der irischen Fidel in die Straßen Havannas“ zu bringen. Neben einer faszinierenden und gefühlvollen Musiksprache verbunden mit eindrucksvoller Bühnenpräsenz sprachen Daisy Jopling und Milagros Piñera-Ibaceta ihr junges Publikum sehr direkt an: ein emotionales Erlebnis und ein Einblick in die Vielfalt der Weltmusik.
Die oftmals gehörte Aussage, junges Publikum finde keinen Zugang zu Neuer Musik, widerlegten sechs belgische Künstler eindrucksvoll. Visuell durch eine Tänzerin und einen Jongleur unterstützt gelang es dem eaRis Ensemble, das einstündige Konzert „Looking through Eardrums“ schlicht zu einem Ereignis werden zu lassen.
Einfachste, menschliche Erfahrungen wurden mittels Musik, Tanz und Jonglieren dargestellt – optisch faszinierende Momente, denen die jugendlichen Zuhörer bis zum Schluss gespannt folgten. eaRis hat unterschiedlichste Disziplinen zu einem Gesamtkunstwerk zusammengeführt und feinste musikalische Nuancen herausgearbeitet.
Musik mit Geschmack
Neben der klassischen Tradition des Kinderkonzertes stellen immer mehr Künstler/-innen experimentelle Zugänge zu neuer Musik vor. Das erste Wiener Gemüseorchester, zehn Musiker, die in den verschiedensten künstlerischen Berufen tätig sind, spielen ausschließlich auf Gemüseinstrumenten, keine Gitarren oder Schlagzeug, sondern Karotten und Gurken.
Kräfte der Anschauung, der Handlungsfreude und der Phantasie werden in diesem Konzertsetting zum Einsatz gebracht. Ein besonders innovativer Weg, Neue Musik zu kommunizieren. Es entsteht ein völlig eigenständiger und neuer Klangstil, der mit herkömmlichen Musikinstrumenten nicht zu erreichen ist. „Marinierte Klangvorstellungen und konservierte Hörgewohnheiten wollen eine Erweiterung erfahren“, um die Musiker zu zitieren. Eine besondere Nähe zum Publikum entstand durch eine bereits während des Konzertes zubereitete Gemüsesuppe, die als krönender Abschluss dem Publikum serviert wurde. Ein Erlebnis nicht nur für die Ohren.
Leider ein kleiner Wermutstropfen in der Programmierung war das Konzert des Helsingborg Symphony Orchestras. Die öffentliche Wahrnehmung des Orchesters zu optimieren und vor allem die Kommunikation zwischen Musikern und Zuhörer zu intensivieren, sind nur zwei große Chancen gelungener Familienkonzerte. Folglich sollten der persönliche Kontakt und das Erleben großer symphonischer Musik in altersgerecht adaptierten Programmen zentrale Anliegen von Symphonieorchestern sein. Leider konnte „Fruchtsalat“, so der Titel des Konzertes, diesen Aspekten nur in Ansätzen gerecht werden.
Die Schwierigkeiten einer dramaturgischen Gestaltung von Kinderkonzerten wurden deutlich, nur durch stilles Sitzen und Zuhören werden Kinder heute kaum noch zu künstlerischen Erlebnissen geführt.
Das gemeinsame Bestreben von Künstlern, Konzeptualisten und Veranstaltern, Musikvermittlung als unverzichtbaren Bestandteil ihrer Arbeit zu sehen, bedarf eines intensiven Gedankenaustausches. Länderübergreifende Konzertprojekte sind unumgänglich und können der positiven Weiterentwicklung unseres Konzertwesens nur gut tun.
Vielleicht können die Erfahrungen dieses Kongresses zum Anlass genommen werden, internationale Netzwerkgedanken in Sachen „Konzerte für Kinder“ zu reaktivieren.