Rund um die Digitalisierung drehte sich eine Podiumsdiskussion mit Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, Prof. Holger Noltze von der TU Dortmund und Alwin Wollinger vom Helbling Verlag. Durch das Gespräch führte Theo Geißler. Jacinta Grundler protokollierte für die nmz das Panel „Digitalisierung – längst mehr als ein Marketingthema?“ sowie vier weitere Veranstaltungen im Musik-Café auf der Leipziger Buchmesse.
Wenn man über Digitalisierung reden will, muss man, wie Olaf Zimmermann gleich zu Beginn der Gesprächsrunde betont, verschiedene digitale Welten unterscheiden. Es interessieren vor allem die Auswirkungen des Prozesses auf die Musikproduktion und Kulturvermittlung.
Auch in der Pädagogik ist das Digitale nicht mehr wegzudenken: Laut Alwin Wollinger vom Helbling Verlag könne man heute kein Lehrwerk mehr konzipieren, das nicht auch multimedial begleitet ist. Die digitalen Geräte der Schüler*innen böten die Chance, auditives Lernen mit Visualisierung zu verknüpfen und so das gesamte Lernen zu optimieren – etwa mit „klingenden Partituren“. Doch die Umsetzung ist entscheidend, ohne didaktisches Konzept fördere die Digitalisierung die geistige Leistung kaum mehr als eine „Eselsbrücke“, bemerkt auch Theo Geißler. Umgeben von Digitalität würden wir Menschen doch oft zur „selbstgewählten digitalen Dummheit“ neigen, meint Holger Noltze. Im musikalischen und kulturellen Bereich seien die Internet-Auftritte oft langweilig und absehbar. Dass die Möglichkeiten kaum ausgeschöpft werden, liegt in seinen Augen auch daran, dass Digitales immer teuer sei. Gleichzeitig verdienen Kulturschaffende und Verlage an digitalen Produkten und Streaming kaum. Je digitaler sie sich bewegen würden, desto schwerer sei es, eine angemessene Honorierung zu bekommen, problematisiert Zimmermann. Er fordert pragmatisch, eine kapitalistische Haltung zu entwickeln: Inhalte gegen Vergütung. Noltze verlangt neben Regelungen vor allem Realitätssinn – die Erwartungen an den Weltmarkt müsse man herunterschrauben. Für Player wie den Helbling Verlag, die neues Material für Musikvermittlung erstellen wollen, ist die Lizenzierung von geschützter Musik nur ein weiteres Hindernis. Der Wille, online mehr anzubieten, sei laut Wollinger vorhanden, doch es mangele an Tarifsystemen, die dem Bildungsauftrag gerecht werden. So schaffe die Diversifizierung des digitalen Marktes Hürden, die es zu lösen gilt.
Zumindest was das Finanzielle betrifft könnte Abhilfe geschaffen werden. Zimmermann erinnert an den DigitalPakt Schule – die Bundesregierung habe Milliarden zur Verfügung gestellt, doch diese würden einfach nicht abgerufen. Auch Noltze diagnostiziert ein Mentalitätsproblem in Deutschland. Dennoch spart er nicht mit Kritik am politischen Prozess: Es brauche nicht nur Gelder, sondern vielmehr Handreichungen, Begleitung und eine gewisse Umsetzungsintelligenz.
Zimmermann hält fest: Die Digitalisierung könne und wolle man nicht aufhalten, also müsse man dem Ganzen Regeln geben. Ein Ersatz für Analoges sei sie nicht. Ebenso wenig ein Allheilmittel, gibt Wollinger zu denken. Noltze plädiert seinerseits dafür, das Betonen der Dualität zwischen Digitalem und Analogem fallenzulassen. Er peilt einen „lässigen“ Umgang mit Medien an, wie er ihn bei seinen Studierenden erlebt.
O-Töne von der Buchmesse
Holger Noltze: „Ich glaube, dass diese Revolution größer ist als die industrielle Revolution im 19. Jahrhundert und dass wir gerade erst den Anfang gesehen haben.“
Alwin Wollinger: „Es gibt tausende von Musik-Apps, es gibt wunderbare Programme, aber noch zu wenige didaktische Konzepte.“
Olaf Zimmermann: „Je digitaler ich werde, umso schwerer ist es eigentlich, eine angemessene Honorierung zu bekommen. Und das, glaube ich, ist schon auch ein Teil der Wahrheit: Digitalisierung, ohne dass man sie auch regelt, ist auch sehr gefährlich. Erst wenn wir das hinkriegen, also wenn auch die digitale Verwertung es ermöglicht, dass Menschen mit ihrer künstlerischen Tätigkeit ein vernünftiges Einkommen generieren können, erst dann wird der Kulturbereich auch digital werden.“