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Ein neues Betätigungsfeld für die Musikvermittlung?

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Zum Symposium „Improvisation und Jazz für Kinder“ im Rahmen der jazzahead! 2017
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Musikalische Improvisation setzt sich aus Elementen wie etwa Freiheit, Kreativität, Interaktion sowie der Reproduktion und Neukombination bereits bekannter musikalischer Bausteine zusammen. Kinder wollen und sollen dies vielfältig erfahren. Die dadurch bedingte Förderung des Sozialverhaltens, Selbstbewusstseins, der Integration und Kommunikation liegen auf der Hand und waren gleichzeitig der Leitgedanke des eintägigen Symposiums Improvisation und Jazz für Kinder. Am 27. April 2017 bildete dieses den Auftakt zur internationalen Fachmesse jazzahead! in Bremen. Es richtete sich an Pädagogen, Vermittlerinnen, Veranstalter, Musikerinnen sowie Förderer, um in den fachlichen Austausch zu Jazz und Improvisation für Kinder im KiTa- und Grundschulalter zu treten. Ziel war es, die Musikvermittlung im Jazz voranzubringen und die Relevanz für die zukünftige kulturelle Bildung festzustellen.

Veranstalter ist die Initiative Improvisation und Jazz für Kinder, ein Gemeinschaftsprojekt der jazzahead!, des Jazzcom e.V., des Instituts für Musikpädagogik der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und der Musikland Niedersachsen gGmbH, die diesjährig die Organisation und Koordination des Symposiums übernahm. Das Projekt wurde vom Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg unterstützt.

Der Ablauf war sehr eng getaktet und thematisch dicht, wodurch es innerhalb der Pausen wenig Raum für Begegnung und Austausch der Teilnehmenden gab. Die Methoden und Bausteine waren vielfältig. So boten ein live gespieltes Musikvermittlungskonzert für Grundschulkinder durch die Jazzmusiker Peter Lehel (Sax), Mini Schulz (Kontrabass), Thilo Wagner (Klavier) und Obi Jenne (Drums) aus Stuttgart einen direkten praktischen Einblick. Es folgten Begrüßung, Praxisbeispiele aus Finnland, dem Partnerland der jazzahead! 2017 und ein Open Space, bei dem in diversen Arbeitsgruppen offene Fragen und Forderungen diskutiert wurden. Die Ergebnisse waren so zahlreich und vielfältig, dass sie in einer anschließenden knappen Zusammenfassung nicht vollständig erfasst werden konnten. Forderungen, wie die Vertiefung der praktischen Anwendung und Inhalte des Jazz im Lehramtsstudium), mehr Wertschätzung und Möglichkeiten der Weiterbildung im Jazzbereich an Musikschulen, die Intensivierung der Mediennutzung und das Erforschen der Improvisation als Methode kamen auf. Ein Dialogvortrag von Prof. Andrea Tober (Leitung der Education-Abteilung der Berliner Philharmoniker) und Markus Lüdke (Leitung Musikland Niedersachsen gGmbH) über die Stereotype sowie Vorurteile gegenüber Musikvermittlung und Jazz gab durch viele bewusst offen gelassene Fragen Impulse zum weitergehenden Nachdenken.

Nachmittags konnte zwischen verschiedenen Angeboten gewählt werden, was offensichtlich vielen Teilnehmenden nicht leicht viel. Es galt, sich zwischen einem Praxisworkshop, einem Best-Practice-Forum von Musiker/-innen, einem Vortrag über Potenziale und Herausforderungen von Jazz mit Null- bis Zehnjährigen, einem Round Table zum Thema Inklusion und Integration oder einem Arbeitstreffen zur Musikvermittlung an Hochschulen, zu entscheiden.

In der Ausschreibung waren zwar Zielgruppen für die verschiedenen Parallelveranstaltungen definiert, die Themen gingen jedoch alle an. Die Diskussionen profitierten gerade durch eine interdisziplinäre Betrachtung. Die anschließende Zusammenfassung war hierfür zwar ein wesentlicher Schritt, bot aber wiederum aus Zeitmangel wenig Austauschmöglichkeiten.

Im kurzen Abschlusspodium wurden durch Fragen an Sybille Kornitschky (Leitung jazzahead!), Prof. Ilka Siedenburg (Universität Münster), Markus Lüdke und Prof. Mini Schulz (Musikhochschule Stuttgart) durch den Moderator des Symposiums Prof. Will Friedmann wichtige Impulse für die Musikvermittlung von Jazz und Improvisation aufgezeigt.

Es ist an der Zeit, dass Jazzmusiker­/-innen Kinder als Zielgruppe in Betracht ziehen. Das Symposium kann ein Dreh- und Angelpunkt für Musikvermittlung im Jazz werden. Doch auf die vielen Impulse und Ideen müssen Taten folgen, das wurde im Laufe des Tages mehr als nur einmal deutlich. Konkret betrifft dies das Weitertragen der Ideen und Ansätze. Bereits „an Bord“ waren Vertreter aus Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, Niedersachsen, Hamburg, Bremen und Finnland. Wen kann man in Zukunft mit ins Boot holen? Wo könnten weitere Tagungen und Kongresse mit welchen Inhalten stattfinden?

Des Weiteren stellte sich die Frage nach Kooperationspartnern. Aufgezeigt wurde, dass sich wenige Personen aus der Politik und der Fachpresse unter dem Publikum befanden. Brauchen wir namhafte Träger für Folgeveranstaltungen? Können neue Formate nur durch Namen wie die Education-Abteilungen der Elbphilharmonie oder der Berliner Philharmoniker entstehen? Immer wieder wurde im Verlauf des Symposiums der Wunsch nach dem Aufbau eines Netzwerkes als Anlaufpunkt für Interessierte und Aktive in der Musikvermittlung in Jazz-Zusammenhängen genannt.

Zuletzt das Praxisfeld. Wie sollen Jazzstudiengänge zukünftig gestaltet werden, damit die Absolventen auf das Feld der Musikvermittlung hinreichend vorbereitet werden? Wie können Pädagoginnen, „klassische“ Musikvermittler weitergebildet werden? Braucht es mehr jazzspezifische Anregungen in den musikpädagogischen Lehrmaterialien für Kindergärten und Schulen?

Umso notwendiger erscheint es, dass bei Symposien wie diesem, viele sich in der Ausbildung Befindenden teilnehmen. Es stellt sich die Frage, warum gerade diese Zielgruppe so gering vertreten war und wie sie besser hätte erreicht werden können.

Auffällig war hin und wieder eine Tendenz zur Abgrenzung. Anstatt zu überlegen, an welcher Stelle man hätte anknüpfen können, wurde von vielen Visionen allein aus der Sicht des Jazz gesprochen. Die oft gleichbedeutende Verwendung der Begriffe Jazz und Improvisation und eine nicht ausreichende Differenzierung führte mitunter zu Missverständnissen.

Die Musikvermittlung, die Konzertpädagogik und die Elementare Musikpädagogik bieten bereits zahlreiche Impulse für Konzertformate sowie Improvisation und beschäftigen sich schon lange mit den im Laufe des Tages angesprochenen Zielgruppen. Wäre es nicht ein nächster Schritt, hier anzudocken, sodass noch mehr Beteiligte ihr Know-how einbringen und voneinander profitieren können? Denn Improvisation ist nicht, wie es während des Symposiums teilweise dargestellt wurde, ein alleiniges Spezialgebiet des Jazz. Viele weitere Sparten und Künste beschäftigen sich ebenso mit Improvisation und sind offen, interessiert und bereit für interdisziplinäre Angebote.

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