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Die Big Band der Berufsfachschule Bad Königshofen. Foto: Alex Chepa
Die Big Band der Berufsfachschule Bad Königshofen. Foto: Alex Chepa
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Eine Brücke vom Laienmusizieren zum Musikberuf

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Die Berufsfachschule Bad Königshofen feiert ihr 30-jähriges Bestehen
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Jeden Montagabend erklingen im kleinen Konzertsaal der Berufsfachschule für Musik in Bad Königshofen Swing und Latin, wenn die Big Band der Schule unter der Leitung von Udo Schneider probt. Die Big Band ist eines der zahlreichen Ensembles der Berufsfachschule für Musik Bad Königshofen, die in diesem Jahr ihr 30-jähriges Jubiläum feiert. Denn Ensemblearbeit wird groß geschrieben an diesem Schultyp, den es so nur in Bayern gibt.

Udo Schneider ist eigentlich Fachlehrer für Posaune, Bariton und Tuba. Seit 1997 leitet er die Formation, 2003 hat er mit der Big Band der Schule in Koproduktion mit dem Bayerischen Rundfunk eine viel beachtete CD produziert. Dabei geht es ihm bei aller technischen Exaktheit und höchstem musikalischen Niveau vor allem darum, „Musik zu machen, Energie rüberzubringen“. Im Programm werden möglichst alle Stilrichtungen des Jazz berücksichtigt. Neben bekannten Swing-Nummern reicht der Bogen von den Wurzeln des Jazz über Musicalthemen, Funknummern, anspruchsvolle Unterhaltungsmusik mit Latino-Rhythmen bis hin zum modernen Avantgarde-Jazz.

Udo Schneiders Absolventen sitzen mittlerweile in deutschen Kulturorchestern, so auch Posaunist Christian Strätz. Angefangen hat dessen Laufbahn im örtlichen Musikverein in Zeil im Landkreis Haßberge. Mit neun Jahren beginnt er mit dem Spiel auf dem Flügelhorn, wechselt dann zum Tenorhorn und mit fünfzehn Jahren zur Posaune. Christian liebt die Musik und will Musiker werden, deshalb wendet er sich an die unterfränkische Berufsfachschule in Bad Königshofen. Dort wird er zunächst Gastschüler, ehe er nach dem Realschulabschluss seine zweijährige Vollzeitausbildung beginnt.

2002 absolviert er erfolgreich die staatliche Abschlussprüfung als Ensembleleiter in der Laienmusik und besteht die Eignungsprüfung an der Hochschule für Musik in Würzburg. Dort studiert er bei Andreas Kraft und Lothar Schmitt Bassposaune und macht im Jahr 2007 sein Diplom. Nach einer kurzen Zeit als Aushilfsposaunist in Meinigen kommt er 2008 nach Flensburg ins Schleswig-Holsteinische Sinfonieorchester, dort ist er bis heute als Bassposaunist beschäftigt.

Ein Werdegang, nicht untypisch für einen Absolventen der Berufsfachschule für Musik. Dieser Schultyp versteht sich als Brücke zum Musikerberuf. Die Schule sichtet und fördert vor allem musikalische Talente in den ländlichen Gebieten. Ohne zunächst die Heimatregion verlassen zu müssen, können sie sich nach Abschluss der allgemeinbildenden Schule für zwei Jahre orientieren, ob eine hauptberufliche Tätigkeit der Eignung und dem Interesse entspricht.

Die Berufsfachschule für Musik Bad Königshofen wurde 1982 gegründet. Nach dem Landesentwicklungsplan gibt es in jedem Regierungsbezirk in Bayern eine Berufsfachschule für Musik. Der Schultyp ist einmalig in Bayern. Kein anderes Bundesland leis­tet sich diese Stufe der musikalischen Berufsausbildung. Zielsetzung ist zunächst die Ausbildung zum Leiter/zur Leiterin im Laienmusizieren, die Ausbildung zum Singschullehrer/zur Singschullehrerin und zur Kirchenmusikprüfung C beider Konfessionen. Von Anfang an ist die Vorbereitung auf ein Musikstudium wichtigste Motivation für die Interessenten dieses Schultyps. Da an weiterführenden Musik

instituten das Abitur, mindestens jedoch ein mittlerer Schulabschluss – bei hervorragender künstlerischer Eignung – Voraussetzung für die Aufnahme eines Studiums ist, gewinnt die Berufsfachschule für die Schaffung dieser Basisvoraussetzungen mehr und mehr an Bedeutung. Begabte Berufsfachschüler mit Hauptschulabschluss oder einer anderen abgeschlossenen Berufsausbildung erwerben mit einem Notendurchschnitt von mindestens 2,5 in der staatlichen Abschlussprüfung den mittleren Schulabschluss. Mit dem erfolgreichen Abschluss wird aber insbesondere der Nachweis der fachlichen Eignung für ein weiterführendes Musikstudium erbracht. Mit der Einrichtung eines sogenannten Aufbaujahres im Jahre 1993 wurde die unmittelbare berufliche Perspektive noch erweitert: Nach erfolgreichem Ende der zweijährigen Ausbildung können nun Schülerinnen und Schüler, die das 23. Lebensjahr vollendet und die Abschlussprüfung mit der Note von mindestens 2,5 im Hauptfach und im Gesamtergebnis absolviert haben, ein weiteres Jahr die Schule besuchen. Dieses dritte Ausbildungsjahr ist schwerpunktmäßig pädagogisch ausgerichtet. In einem sechsstündigen Hauptfachseminar werden die Grundlagen für eine pädagogische Tätigkeit in der Unter- und Mittelstufe der Musikschule geschaffen. Damit können sich auch Schüler, denen ein Weiterstudium an einer Musikhochschule aus Altersgründen versagt bleibt, für eine hauptberufliche Anstellung qualifizieren. Selbstverständlich wird mit dem Besuch der Schule auch die Berufsschulpflicht erfüllt.

Absolventen, die das Ziel haben, ein Musikstudium aufzunehmen, lernen in der zweijährigen Berufsfachschulausbildung neben der künstlerischen Ausbildung Struktur und Wesen der Laienmusik kennen. Da Ensembleleitung für alle zweites verbindliches Hauptfach ist, bildet das Dirigieren und die Methodik des Arbeitens in der Gruppe einen wesentlichen Schwerpunkt. Damit wachsen auch Persönlichkeit, Verantwortungs- und Selbstbewusstsein, wichtige Kompetenzen, nicht nur für das Berufsleben. Viele Absolventen, anfangs skeptisch wegen dieser Mehrbelastung, äußern sich nach ihrem Studium sehr positiv zu dieser „Doppelausbildung“. Die Stundentafel sieht aber auch im gewählten Hauptfach eine außergewöhnliche Schulung vor. Zwei Stunden Einzelunterricht, vom Lehrer überwachte Übezeit, Ensemblespiel und Grundzüge der Unterrichtsmethodik führen trotz der kurzen Ausbildungszeit von nur zwei Jahren zu beachtlichen Ergebnissen.

Eine gute Zusammenarbeit und Abstimmung der Berufsfachschulen mit den Hochschulen für Musik ist im Sinne der oben beschriebenen Werdegänge essenziell. Austausch auf Leitungsebene, Beteiligung an den Prüfungen, Gastkonzerte von Berufsfachschülern in der Hochschule und von Studierenden in der Berufsfachschule sowie die vielen engen Kontakte zwischen den einzelnen Lehrenden beider Institutionen sorgen dafür, dass hohe Übergangsquoten möglich sind, von denen beide Institutionen und vor allem die jungen Musikerinnen und Musiker profitieren.

Eine Vielzahl der Absolventen der Berufsfachschule für Musik Bad Königshofen kommt aus der Laienmusik und arbeitet schon während der Zeit an der Schule als Ausbilder, Chorleiter oder Leiter von Blasorchestern. Nach dem Studium kehren viele Absolventinnen und Absolventen wieder in ihre Heimatregion zurück, arbeiten an Musikschulen oder leiten Chöre, Blaskapellen und/oder andere Instrumentalensembles, in denen sie unter anderem den Nachwuchs für die Berufsfachschulen ausbilden. Auch im 30. Jahr des Bestehens der Berufsfachschule für Musik in Bad Königshofen sichten Udo Schneider und seine Kolleginnen und Kollegen Talente in den Musikvereinen in Unterfranken und führen sie in einer zweijährigen Ausbildung zur erfolgreichen Aufnahme an eine Hochschule für Musik. Die Berufsfachschulen für Musik in Bayern haben sich als Bindeglied zwischen der Laienmusik und den musikalischen Ausbildungsinstituten etabliert. Hier werden die relevanten Lehrinhalte in einer Weise vermittelt, wie es viele allgemeinbildende Schulen und Musikschulen nicht leis­ten können. Hier erhalten die Schüler eine Orientierung für ihren späteren beruflichen Werdegang. Und hier wird praxisnah den Anforderungen des späteren Berufslebens entsprechend unterrichtet. 

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