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Eine Zukunftsaufgabe für Orchester

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Fachtagung „Konzerte für Kinder“ in der Landesmusikakademie NRW (Heek)
Publikationsdatum
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Wie man in Sachen Konzerte für Kinder Bewegung in die deutsche Orchesterszene bringen kann? Paul Rissmann und Ursula Heidecker vom Royal Scottish National Orchestra (RSNO) machten es vor, mit ihrer Anleitung zu einem gar nicht so simplen Bodypercussion-Stück rund um die Worte „Wild and Wicked“, dem Motto eines RSNO-Konzerts. Ganz so, wie sie es in ihren vorbereitenden Workshops mit den Lehrkräften tun, die ihr schweißtreibendes Wissen dann im Unterricht an das junge Konzertpublikum weitergeben.

Diese Art von „School Concerts“ – die größtenteils als Ersatz für nicht angebotenen Musikunterricht fungieren – gehören neben den weniger intensiv vorbereiteten Familienkonzerten und den „Creative Projects“ für Drei- bis Vierjährige zum festen Bestandteil der Orchesteraktivitäten des schottischen Klangkörpers, der damit auf der Insel keineswegs allein steht. Alle Orchester haben hier den staatlich verordneten Auftrag, mit einer Fülle von konzertpädagogischen Angeboten ein junges Publikum anzusprechen, wofür es allerdings keine öffentlichen Mittel gibt. Die Ausgaben für die zusätzlichen Dienste, die von den Musikerinnen und Musikern freiwillig geleistet und unabhängig vom Orchestervertrag honoriert werden, werden zum einen von den Kommunen getragen, mit denen eng kooperiert wird, zum anderen von Sponsoren.

Womit eine der Kernfragen der Fachtagung angesprochen wäre, zu der die Initiative Konzerte für Kinder der Jeunesses Musicales Deutschland (JMD), erfreulicherweise in Zusammenarbeit mit der Deutschen Orchestervereinigung (DOV) und dem Deutschen Bühnenverein (DBV) in die Landesmusikakademie Nordrhein-Westfalen nach Heek eingeladen hatte: Wie könnte eine stärkere institutionelle Verankerung von Kinderkonzerten in der deutschen Orchesterlandschaft aussehen? Die große Resonanz auf die Tagung – statt der vorgesehenen dreißig Teilnehmer/-innen waren es am Ende über sechzig – machte die Dringlichkeit des Themas einmal mehr deutlich, und der vorläufige, in der Abschlussdiskussion spontan erarbeitete Maßnahmenkatalog zeigte mögliche und notwendige Zielrichtungen künftiger Aktivitäten auf:

  • Die 20 Prozent Musikvermittlungsanteil, die der scheidende Generalsekretär der JMD Thomas Rietschel als ehrgeizige Wegmarke für jedes Orchester einforderte, war ein viel versprechender Vorgeschmack auf den frischen Wind, den dieser bei seinem Wechsel zum Deutschen Musikrat im Dienstgepäck mit sich führt.
  • Eine im Tarifvertrag verbindliche verankerte Regelung von Fortbildungsmöglichkeiten, die auch zur Qualifizierung in Sachen Musikvermittlung beitragen könnten, sei fester Bestandteil für die anstehenden Tarifverhandlungen, versicherte DOV-Geschäftsführer Gerald Mertens und versprach auch, dass die DOV ihre Mitglieder über entsprechende Angebote, etwa der Bundesakademie für kulturelle Bildung in Wolfenbüttel, offensiv informieren werde.
  • Für eine verstärkte Kooperation mit den Musikhochschulen warb Wolfgang Rüdiger, der als Professor an der Düsseldorfer Robert-Schumann-Hochschule Musikvermittlungskompetenzen bereits in die instrumentaldidaktische Grundausbildung einbezieht. Seine Überzeugung, dass es keine Kunst ohne Vermittlung gebe, jeder Musiker mithin auch Musikvermittler sein müsse, hatte Rüdiger – selbst vom Vermittlungsfuror beseelt – zuvor in einem gehaltvollen Grundsatzreferat ausgeführt. Auch wenn es ein Stück weit vom Thema Kinderkonzerte wegzuführen schien, lieferte es doch eine wohltuende theoretische Fundierung für das Anliegen der Tagung.
  • Von einem Orchestermusiker aus dem Publikum kam der Vorschlag, die Kulturschaffenden einer Stadt oder Region zunächst ganz zwanglos an einem „Kulturstammtisch“ zusammenzuführen, um Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit Schulen, Jugendzentren und anderen Einrichtungen zu diskutieren.
  • Der Dortmunder Kulturdezernent Jörg Stüdemann schließlich befürwortete die Idee, für die konzertpädagogischen Aktivitäten einen festen Etat, etwa in Form eines Fonds anzulegen und widersprach damit dem Direktor des Bühnenvereins Rolf Bolwin, der davor gewarnt hatte, die Musikvermittlungsangebote in die Mühlen der Bürokratie und der Institutionen integrieren zu wollen, und für flexible Lösungen plädierte. Ohne feste Budgetpositionen, so Stüdemann, sei keine langfristige Planung möglich.

Stüdemann war es auch, der in einem bemerkenswerten Vortrag die zentrale Funktion der Schulen beim Aufbau eines Netzwerks für kulturelle Jugendbildung im Allgemeinen und Kinderkonzerte im Besonderen hervorhob. Genau hier stellten sich aber, etwa bei der Zusammenarbeit mit Schulbehörden oder beim Durchforsten der „Förderdschungel“, einige Probleme, die mit der unscharf umrissenen Kompetenzverteilung zwischen den Bereichen der Jugend-, der Bildungs- und der Kulturpolitik zusammenhänge. In einem Exkurs plädierte Stüdemann für eine generelle rechtliche Verankerung der kulturellen Bildung, damit diese nicht immer wieder in eine Rechtfertigungshaltung gerate.

Ein Schlaglicht auf die Situation der deutschen, genauer der Berliner Orchesterszene warf Christian Stadelmann, der als Musiker Ansprechpartner für das neu einzurichtende „Education Department“ (so der Arbeitstitel) der Berliner Philharmoniker ist. Deren neuer Chef Simon Rattle sieht sein Orchester auch in einer sozialen Verantwortung und treibt in Zusammenarbeit mit der englischen Kinderkonzert-Koryphäe Richard McNicol die Planungen für die kommende Saison, etwa ein Jugendprojekt zu Mark-Anthony Turnages „Blood on the floor“, mit großer Entschiedenheit voran. Einzig hinter der Finanzierung durch Universal-Mäzen Alberto Vilar steht noch ein Fragezeichen. Trotz einiger Unstimmigkeiten darüber, wie ein solch öffentlichkeitswirksames Vorpreschen angesichts der zahlreichen bereits bestehenden Berliner Aktivitäten zu bewerten sei, überwog doch die Überzeugung, dass von der Signalwirkung alle in der Sache Engagierten profitieren müssten.

Zielt das angelsächsische Konzept der Musikvermittlung mit seinen unkonventionellen Konzertformen auf eine Infragestellung herkömmlicher Programmgestaltungen und -präsentationen insgesamt, so umreißt Roland Vesper, Hornist und Kinderkonzert-Moderator bei der Neuen Philharmonie Westfalen, sein Anliegen mit dem Willen, das Konzerthören als Kulturleistung erhalten zu wollen. Das in den letzten Jahren kontinuierlich gewachsene Angebot des Klangkörpers umfasst zwar – ähnlich den in der letzten Ausgabe von Volker Mattern beschriebenen „Schulmusiken“ der Bergischen Symphoniker – Schulbesuche der Orchestermusiker; im Mittelpunkt steht aber das vom Moderator angeleitete Erleben der Musik im Konzert selbst. Der spürbare Zugewinn an Akzeptanz, den Generalmusikdirektor Johannes Wildner im abendlichen Gespräch mit Thomas Rietschel beschrieb, sollte Ermutigung genug für andere Orchester sein, eigene, ästhetisch vielleicht auch ganz anders geartete Wege der Musikvermittlung zu beschreiten.

Fraglich bleibt, ob es damit getan ist, sich wie Wildner darauf zu verlassen, dass die notwendige Kompetenz im Orchester schon zu finden sei. Eine dauerhafte Sicherung der Quantität und Qualität von Kinderkonzerten, wie sie Barbara Stiller als Kernanliegen der „Initiative Konzerte für Kinder“ formulierte, kann kaum auf der Basis von Provisorien geleistet werden. Dass das Engagement und die Bereitschaft aus den Orchestern selbst kommen muss, steht außer Zweifel. In beide Richtungen hat die Fachtagung in Heek konstruktive und höchst ermutigende Zeichen gesetzt.

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