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Spannung liegt in der Luft. Musiktheater von und mit Andreas Haas
Spannung liegt in der Luft. Musiktheater von und mit Andreas Haas
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Einfach einmal zuhören

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Der Flötist Andreas Haas über sein Konzept „Klassik für Kinder“
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Ein Konzert mit klassischer Musik für Kinder sollte ich gestalten. Das war vor vier Jahren und es stellte sich mir die Frage: „Wie kann das funktionieren?“, in einer Zeit, da die Zuhör- und Konzentrationsfähigkeit unseres Nachwuchses durch mediale Dauerberieselung immer problematischer wird. Und dann wollte ich ja unbedingt die „echten“ Klassiker präsentieren, keine flockigen Eigenkompositionen, keine atemberaubenden oder ulkigen Klangexperimente und schon gar keinen Rap oder Hip-Hop. (Beim Hausbau kümmert man sich auch zuerst um das Fundament und dann erst um das Dach). Dennoch sollte meine „Klassik für Kinder“ (ich bleibe bei „Kinder“ und verzichte auf „kids“) nicht „staubig“ oder gar langweilig sein, sondern ich wollte Spaß, Freude, Neugier und Berührung auslösen.

Musik und Schauspiel

Gelungen ist mir dies durch die Erfindung von Timmy, der Figur eines Flöte spielenden, kleinen Jungen. Mit seiner anfänglichen Unlust zu üben und dem allmählichen „Warmwerden“ für Musik ist er für die zuschauenden Kinder eine Identifikationsfigur. Timmys spannende Erlebnisse, seine Stimmungen und lustigen Kommentare ziehen sich als roter Faden durch meine bislang drei Musikgeschichten „Wie Timmy Lust auf Musik bekam“, „Timmy und die Musik in Europa“ und „Timmy und die Musik in Russland“.

Dem Diktat eines kleinen Etats gehorchend habe ich die Timmy-Geschichten als Ein-Personen-Stücke konzipiert. Doch aus der Not wurde bald eine Tugend als ich merkte, dass mir die Rolle des Alleinunterhalters liegt und Spaß macht.

So spiele ich auf der Bühne – teils durch Hintergrundmusik begleitet – bis zu sieben verschiedene Querflöten und schlüpfe in die Rolle von Timmy, aber auch in die Personen, die er bei seinen Musikabenteuern kennen lernt. Dabei kommt mir eine Ausbildung in Sprechen und Moderieren zugute, die ich parallel zu meinem Musikstudium absolviert habe. Die Musikbeispiele von Bach, Händel, Vivaldi, Mozart, Tschaikowsky, Debussy, Prokofieff und anderen habe ich zum größten Teil selbst, in engster Anlehnung an die Originale arrangiert.

Meist führe ich meine Programme in Grundschulen auf, und ich habe feststellen müssen, dass zwei bis zweieinhalb Minuten reine Musik das Äußerste ist, was man einem musikalisch völlig unbedarften und unvorgebildeten Kinderpublikum „zumuten“ kann. Musik ist schließlich eine Sache, zu der man immer auch noch etwas anderes tut und sei es, dass man sich mit seinem Nachbarn unterhält.

Dennoch gelingt es durch spannende Wendungen in der Geschichte von Timmy, durch Perücken, Hüte und andere Accessoires, und durch Dias, die ich parallel zur Geschichte zeige, die Kinder „bei der Stange zu halten“ und die für die Musik notwendige Aufmerksamkeit immer wieder zu erzeugen. Es sind kleine, dezente Hilfsmittel, die ich bemühe. Kein großes Rambazamba, davon haben wir im Fernsehen schließlich mehr als genug. Die Musik soll im Mittelpunkt stehen.

Und so sagte noch kürzlich ein Schulrektor zu mir: „Herr Haas, ich finde das toll und mutig, dass Sie gerade in der heutigen Zeit noch den Anspruch an die Kinder stellen, einfach ‘mal 45 Minuten zuzuhören.“

„Musikalische Ich-AG“

Diese musikalischen und musikpädagogischen Theaterstücke habe ich, wie gesagt, selber geschrieben und führe sie persönlich auf. Zur Zeit bestreite ich auch noch den gesamten technischen und organisatorischen Apparat. Angefangen von der telefonischen Akquisition möglicher Auftrittsorte, über das Versenden von Werbebroschüren sowie den Auf- und Abbau der Bühne. Alles liegt in einer – also meiner – Hand.

Gefolgt bin ich dabei im Grunde der Forderung, die man seit geraumer Zeit immer wieder in der Musik-Szene gehört hat: „Die Zeiten des in Watte gepackten, agenturbetreuten Künstlers sind zunehmend vorbei; der Musiker muss sich selbst um seine Vermarktung und um Auftrittsmöglichkeiten kümmern!“.

Der von mir eingeschlagene Weg einer „musikalischen Ich-AG“ ermöglicht es mir, einen äußerst sozialverträglichen Preis für meine Veranstaltungen zu veranschlagen, der bislang bei 2,- bis 2,50 Euro pro Kind liegt. (Der an dieser Stelle gern zitierte Vergleich mit der Kinokarte ist ja hinlänglich bekannt). Ich muss den Lesern dieser Zeitung nichts über leere „Kulturtöpfe“ und Ähnliches erzählen. Auch bei den Schulkassen sieht es nicht rosig aus, und so ist das von mir angebotene Finanzierungskonzept die einzige noch mögliche Form, „Klassik für Kinder“ einem breiten Publikum zu ermöglichen.

Inzwischen machen viele Eltern aber auch schon bei zwei Euro „dicht“. Oft habe ich in den letzten Monaten von Lehrern oder Schulleitern gehört: „Wir mussten den Eltern zusagen, dieses Jahr keinen einzigen Euro für zusätzliche Veranstaltungen auszugeben.“

Soviel zur Situation in Deutschland im Jahre 2005. Dennoch geht es beständig weiter. An meinem Hauptwirkungsplatz München/Bayern habe ich einige bedeutende Träger der kulturellen Jugendarbeit für meine Arbeit begeistern können. Die „Bayerische Theaterakademie/Theater + Schule“ hat meine Stücke seit 2002 in ihr Programm aufgenommen. Zudem besteht ein enger Kontakt zum Bayerischen Kultusministerium.

Als besonders glücklich hat sich die Zusammenarbeit mit dem „Freien Landestheater Bayern“ erwiesen, dessen qualitativ hochwertiges Opern- und Operettenprogramm durch meine Kinderproduktionen ergänzt wird.

Ein mit zahlreichen positiven Kritiken bedachtes Hörbuch ist bei ARS Produktion erschienen und im aktuellen LEOPOLD-Wettbewerb vertreten.

Soeben hat der AUER Verlag ein Schulbuch mit CD zu „Wie Timmy Lust auf Musik bekam“ auf den Markt gebracht. Darin werden anhand von Arbeitsblättern und Lernspielen zum Beispiel Komponistenbiografien, Epochenübersicht oder Instrumentenkunde für die vertiefende Arbeit im Unterricht aufbereitet.

Schon 200 Kinderkonzerte

Während in der jüngeren Vergangenheit – gerade auch in dieser Zeitung – immer wieder postuliert wurde, es müsse mehr für die kulturelle Bildung unserer Kinder und Jugend getan werden, habe ich „an der Basis“ schon einmal damit angefangen: In den letzten drei Jahren habe ich etwas über 200 Kinderkonzerte mit rund 30.000 zuhörenden und – in der Mehrzahl – begeisterten Kindern gegeben.

Ich will hier nichts beschönigen oder mit verklärtem Blick darstellen: Kinder sind ein anstrengendes Publikum, manchmal – je nach sozialer Struktur – gar ein unbarmherziges.

Wenn mir aber Kinder nach einer Aufführung Briefe oder Bilder schicken, wenn sie mir stolz von ihrem eigenen musikalischen Können erzählen, den Wunsch äußern, auch Querflöte oder ein anderes Instrument zu lernen, spontan ihre Instrumente mit zur Schule bringen, um an Timmys Abenteuer anzuknüpfen oder wenn sie mir einfach die Hand schütteln, um sich für die „schöne Musik“ zu bedanken, dann ist das schon eine sehr erfüllende Arbeit. Diese Reaktionen zeigen mir, dass ich mit meiner Idee auf einem mitunter zwar mühsamen aber doch richtigen Weg bin.

www.klassik-fuer-kinder.de

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