Im neunzigsten Jahr ihres Bestehens erklärt Festivalchef Armin Köhler die Donaueschinger Musiktage zur „Baustelle“ und nimmt damit für sein Festival in Anspruch, „Potenziale für Zukünftiges“ her- und bereitzustellen und als „Katalysator in das allgemeine Musikleben hineinzuwirken“. Mehr denn je, so konstatiert Köhler, fänden sich in Donaueschingen Multiplikatoren neuer Ideen ein: Festivalintendanten, Dramaturgen, Verlagshäuser, Radiostationen, Hochschulprofessoren, Lehrer, Kritiker der großen Feuilletons, Musiker, Komponisten und ein neues junges Publikum. Daran ist die neugegründete ‚Music Academy Donaueschingen‘ (maD) nicht ganz unschuldig, deren Angebot für die Ausbildung europäischer Musikstudenten und für die Lehrerweiterbildung genau auf diese „katalysatorische“ Ebene zielt.
Die Trends der Zeit, Vermittlungsstrategien und Audience Development sind auch am Silver-Surfer-Festival Donaueschingen nicht spurlos vorbeigegangen. Nun liegt Donaueschingen nicht nur an der Donauquelle, sondern auch nur wenige Kilometer entfernt von einem anderen – sozusagen musikalischen – Jung-Brunnen: Es handelt sich um die Musikhochschule Trossingen, wo sich seit sechs Jahren das Vermittlungsprojekt Next Generation etabliert hat. Für Konzept und Leitung dieses Off-Programms zeichnet Julia Cloot, Leiterin des Instituts für zeitgenössische Musik an der Musikhochschule Frankfurt, verantwortlich. Mehr zur Off-Ausgabe 2011 erfahren Sie im Artikel von Mechthild Schlumberger auf dieser Seite.
Ebenfalls in Trossingen ist der Sitz der Bundesakademie Trossingen, wo seit einigen Jahren die Fortbildung „Musik aktuell“ für Multiplikatoren zeitgleich zu den Musiktagen stattfindet. Beide Trossinger Initiativen vereinten sich erstmals mit den Musiktagen dieses Jahr unter dem gemeinsamen Label „maD“, also Music Academy Donaueschingen. Der Zuspruch ist enorm, viele der jugendlichen Festivalbesucher sind Studenten aus diesen Programmen, die sich hier nicht nur weiterbilden, sondern auch das exklusive Angebot günstiger Festivalkarten und der persönlichen Begegnung mit den auf dem Festival tätigen Komponisten und Interpreten wahrnehmen.
„Musik aktuell“ der Bundesakademie Trossingen
Die Fortbildung „Musik aktuell“ für Musik- und Instrumentallehrer und solche, die es noch studieren, hat sich jetzt mit der Projektreihe „Abenteuer Neue Musik“ des Deutschen Musikrats und Schott Music verknüpft, die Komponisten aus der inzwischen 25 Jahre existierenden Edition Zeitgenössische Musik des Musikrats präsentiert. Aktuell stellte die Komponistin Charlotte Seither ihr Werk „Water, Earth and Air“ vor, einschließlich verschiedener Vermittlungsansätze und einem Vermittlungsprojekt von Silke Egeler-Wittmann am Meiningen-Gymnasium in Grünstadt.
Während die Didaktik recht hemdsärmelig war und mehr Anregungscharakter hatte – man stürzte sich in kleine Improvisationsübungen analog zu den Aufgaben, die die Dozentinnen Seither, Ulla Grümmer und Egeler-Wittmann den Schülern des Projekts gestellt hatten – war die Begegnung mit der Komponistin Seither oder auch tags darauf mit Melvyn Poore, dem Tubisten der musikFabrik und Leiter des pädagogischen Programms des Ensembles, sehr instruktiv. Seither bot den etwa 15 „musik-aktuell“-Teilnehmern interessante Einblicke in ihre Kompositionswerkstatt: Etwa wie eine Komponistin heute mit dem Problem der fehlenden Allgemeingültigkeit der musikalischen Syntax zurecht kommen muss, oder wie sie zur letztlich gültigen Auswahl des ihres Materials kommt und damit zu individuellen – durchaus von Stück zu Stück differierenden – Syntax. Auf die Frage, inwieweit man Werke über ihre Titel erschließen könne, gab Seither auch Einblicke in ihre ausgefeilte „Titelwissenschaft“, also der Verknüpfung der „sprachlosen“ Komposition mit Sprachbedeutungen.
Melvyn Poore erarbeitete mit der „Musik aktuell“-Gruppe einige Stücke aus der Neuerscheinung „spielBar“, einem Kompendium mit Kompositionen und Spielideen Neuer Musik für Profi- und Laienensembles, herausgegeben von Ensemble MusikFabrik, Silke Egeler-Wittmann und Matthias Handschick. Darunter finden sich Titel von Erwin Stache, Peter Ausländer, Nicolaus A. Huber, Karlheinz Stockhausen, Kurt Schwitters oder auch aus Spahlingers Notenband: „vorschläge. konzepte zur ver(über)flüssigung der funktion des komponisten.“
Der Solotubist der MusikFabrik erwies sich auch deshalb als kompetenter Leiter des Workshops, weil sich bei ihm musikalisches Können und pädagogische Begabung ideal ergänzten. Das Ergebnis: Schulstunden auf höchstem musikalischen Niveau.