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Musiktheatralische Frühbegegnungen im Experimentierraum. Foto: Lys Y. Seng
Musiktheatralische Frühbegegnungen im Experimentierraum. Foto: Lys Y. Seng
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Frische Impulse für eine altehrwürdige Gattung

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„Happy New Ears“: Junge Oper als Thema eines Festivals und einer Konferenz in Mannheim
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Ende November 2016 fand in Mannheim das Musiktheaterfestival „Happy New Ears“ statt. Eine satte Woche lang konnte man 14 liebevoll ausgewählte europäische Produktionen bestaunen, die den Stand der Dinge widerspiegeln sollten in Sachen Jugend-Oper beziehungsweise – wie sich vielmehr herausstellen sollte – junge Oper. Unter dem gleichen Titel fand zu Anfang des Theaterfestivals am Nationaltheater parallel und eng mit selbigem verwoben eine dreitägige internationale Konferenz statt.

Die Idee, Musik(theater) jungen Ohren zu vermitteln, ist keinesfalls neu. Weit über hundert Jahre lang beschäftigt sich die Opernwelt mit diesem Thema; allerdings war die Herangehensweise bisher hauptsächlich von Familienopern geprägt, und das auch in einer sehr überschaubaren Anzahl. „Hänsel und Gretel“ etwa ist als Dauerbrenner jedem ein Begriff. „Daneben sehen Kinder häufig auch die klassischen Opern des Abendspielplans in verkleinerter und gekürzter Fassung“, so Annett Israel, die im Namen des Kinder- und Jugendtheaterzentrums Deutschland als Kongressinitiatorin verantwortlich zeichnete. Der eigene Anspruch ist also klar: die erst etwa zehnjährige (und damit ebenfalls noch junge) Musiktheatervermittlung für junge Menschen mit Anreizen und Selbstbewusstsein zu füttern. Dem Ist-Zustand, nämlich der Kanonisierung auf sehr niedrigem und schmalem Plateau, soll kreativ begegnet und mit frischen Impulsen Lebendigkeit eingehaucht werden.

Oper von morgen für das Publikum von heute

Die Eingangsstatements und -diskussionen des ersten Tages gaben die Marschrichtung vor, um die es den Macherinnen beim Kuratieren und damit auch bei ihrer Botschaft für die angereiste Theaterpädagogikwelt ging: neugierig, mutig, frisch, experimentell und vor allem jung im Sinne von neu soll die Oper der Zukunft sein! So wurde zu Anfang eine Vision skizziert für ein Musiktheater für junges Publikum. Denn vielen Angeboten von Theatern sähe man das Biedere und das Unmotivierte schon von Weitem an. Jugendsparten dürften nicht Feigenblätter sein, um zu zeigen, dass man nun auch Musiktheatervermittlung betreibe; dass man auch an das Publikum von morgen denke. Aber das sei längst nicht genug: Nicht Publikumsentwicklung und -erziehung dürfe das Motiv dafür sein, sondern das Ernstnehmen des (sehr) jungen Publikums und seiner Bedürfnisse von heute. Eine Einstellung, die vielerorts noch nicht Realität ist. Eine Wirklichkeit, in der Jugendtheater von den Verantwortlichen (Komposition, Darsteller, Musiker, Dramaturgie) wenn überhaupt als 1b-Theater angesehen und behandelt würde. Über allem stünden immer noch unantastbar die Produktionen im Großen Haus – für Erwachsene und intellektuelle Theaterkritiker.

Die eingeladenen Produktionen aus dem europäischen Ausland zeigten eine Kreativität im Umgang mit dem Begriff Musiktheater und seinen hehren Stoffen, die staunen machte; und auch den erwachsenen Zuschauern Vergnügen bereitete (ein Nachsatz, der eigentlich unnötig werden müsste).  Die Königliche Oper Stockholm etwa steuerte „Mein Bruder Don Juan“ bei. Hier wurde Mozarts Vorlage „Don Giovanni“ komplett neu und ohne falsche Scheu aufgerollt: Die Geschichte wurde aus der Sicht seiner (fiktiven) kleinen Schwester erzählt, das da-Ponte-Libretto nicht als sakrosankt, sondern als Arbeitsgrundlage verstanden, das es umzutexten, auch ins Schwedische zu übersetzen galt. Der Komponist Niklas Brommare steuerte eine Musik bei, der man die Rückbezüge auf Mozart mal mehr, mal weniger anhörte, die das aber immer organisch und stimmig verwob mit den eingesetzten heutzutage verfügbaren musikalischen Mitteln. Dies fiel im Inszenierungsgespräch nicht bei allen Kongressteilnehmenden auf fruchtbaren Boden: Gerügt wurde unter anderem eben dieser unbeschwerte Umgang mit der „perfekten“ Vorlage als (unnötig) entstellend, als sinnverfälschend. Dennoch: Den meisten Theaterprofis und dem Vorstellungspublikum gefiel das kecke Heran- und Umgehen mit diesem historischen Stoff – worin sei denn begründet, dass nur das Bühnenbild, nicht aber Musik und Textvorlage, verändert werden dürfen, um einen Jetztbezug herzustellen?

Auch die belgische Produktion „Nest“ für Kinder ab sechs Monaten wusste zu überzeugen: Sie zeigte, dass Musiktheater auch bedeuten kann, das Publikum neugierig zu machen für Klänge, für die Sinnlichkeit von Geräuschen; dass eine narrative Herangehensweise keinesfalls notwendig ist für Unterhaltung auf hohem Niveau – die Eltern eingeschlossen. Vielleicht war die wichtigste Botschaft, die diese mitnahmen, dass auch für Erwachsene Genuss und das Auseinandersetzen mit anspruchsvollen Themen sich nicht zwangsweise ausschließen. Die Saat für weitere, eigenständige Opernbesuche ist hoffentlich gesät.

Praxis, Theorie und Realität

Am zweiten Konferenztag stand eine Auswahl an Workshops, so genannte „Klangräume“, auf dem Programm.  Diese verdeutlichten, dass die eigenen „erwachsenen“ Grenzen des kreativ Machbaren allzu oft Kopf-gemacht sind; befreiten das vorhandene Potential aber auch wieder aus seinem Käfig: Die im Plenum präsentierten Ergebnisse zeigten etwa die schillernden Facetten der menschlichen Stimme, öffneten die Ohren für den Klang und die Geräusche des eigenen Alltags, dass Kunst und Kinder sich auf Augenhöhe begegnen können, ohne einem der beiden den nötigen Respekt zu verwehren, und entlarvten einen oft genug noch vorhandenen, tendenziell arroganten Kultur-Imperialismus im Umgang mit anderen Musikkulturen bei der Einbettung ins westliche Kunst(musik)geschehen.

Die Diskussionen des dritten Tages waren wie zu Kongressbeginn theaterwissenschaftlich sehr gut fundiert – interessant hierbei, dass dieser Aspekt von internationalen Gästen und Kongressbeobachtern kritisiert wurde als typisch deutsche, unnötig theoretisierende und zu verkopfte Herangehensweise an die Arbeit mit und für Kinder. Diese empfahlen einen praxis­orientierteren Ansatz und mehr Experimente nach dem trial and error Prinzip: ein Indiz für die absolut notwendige Fortführung der höchst spannenden Diskussion, die der Kongress „Happy New Ears“ deutlich weitergebracht hat. Daher ist es sehr bedauerlich, dass der dritten Auflage innerhalb von zehn Jahren nicht ein Jahr später gleich die vierte folgt, um kontinuierlich den so wichtigen Austausch in diesem Feld zu fördern. Möge sich sehr bald ein Opernhaus und die finanziellen Mittel finden, um weiterhin zu ermöglichen, für was dieser Kongress stand: Happy New Thoughts!

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