Der Musikpädagoge und Komponist Hermann Regner wird am 12. Mai 80 Jahre alt. 30 Jahre war er ordentlicher Professor für Musikerziehung am Orff-Institut der Hochschule „Mozarteum“ in Salzburg und dort enger Mitarbeiter von Carl Orff. Er ist Autor zahlreicher Fachveröffentlichungen sowie Mitherausgeber des Unterrichtswerkes zur Musikalischen Früherziehung „Musik und Tanz für Kinder“. Er schuf Kompositionen für Klavier, Schlagwerk, Kammermusikensembles, Bläser und Chor. Wie er einem besonderen Auftragswunsch entsprach, schildert er selbst:
In der Musikgeschichte lesen wir immer wieder von Aufträgen, die Komponisten von wohlhabenden Persönlichkeiten oder Institutionen bekommen haben. Viele bedeutende Werke sind so im Lauf der Jahrhunderte entstanden. Mir scheint, dass Aufträge seltener geworden sind. Wer wird schon Musik bestellen, wo es doch so viel Musik gibt, alte und neue?
Für zwei junge Musikpädagoginnen aus Gräfelfing bei München, die Kinder im Alter zwischen 7 und 15 Jahren auf der Geige unterrichten und zusammen mit Kindern anderer Lehrerinnen ein junges Orchester zusammengestellt haben, war das anders. „Im vergangenen Jahr haben wir ein Projekt mit Streicher-Kammermusik von W.A. Mozart durchgeführt … Die Kinder haben mit Begeisterung musiziert und mit viel Freude im Orchester gespielt.“ Später steht dann in der Projektbeschreibung, die ich im Januar 2007 bekam, zu lesen: „In diesem Jahr haben wir uns für das Studieren und Erarbeiten zeitgenössischer Kammermusik entschieden.“ Im ersten Brief, den ich bekam, wurde der Leistungsstand der Kinder geschildert: „Die Kinder haben zum Teil erst seit drei Monaten Geigenunterricht, manche lernen schon länger. Auf jeden Fall bewegen wir uns auf einer elementaren Stufe.“ Sollte es stimmen, dass es für solche Möglichkeiten wenig Literatur zeitgenössischer Komponisten gibt? Ein paar Tage später antwortete ich, schickte bereits erschienene Literatur, sagte zu, etwas Neues für das Orchester zu schreiben. Dann begann ich, mit den Kindern selbst in Verbindung zu kommen und sie um ihre Mitarbeit zu bitten.
Bald bekam ich einen langen Wunschzettel: „Ich mag gerne Triller“, schrieb eine Geigerin. Die andere wollte Glissandi. „Ich spiele alles“, bemerkte Sebastian. Ein Mädchen wollte Musik, „so wie man auf einem Elefanten reitet“. Triller und Glissandi konnte ich einbauen. Wie man auf einem Elefanten reitet, konnte ich leider nicht in Musik umsetzen. Keine Erfahrung! Fünf kleine Sätze habe ich dann geschrieben und den Kindern geschickt, sie gebeten zu üben und Titel für die einzelnen Sätze zu finden. Anfang März konnte ich die Arbeit der Lehrerinnen und der Kinder beginnen.
„ Die stolzen, freudigen Gesichter der Kinder hätten Sie sehen sollen! Die Kinder merken, dass sie ernst und wahrgenommen worden sind mit ihren Ideen ...Unsere Kinder sind hoch motiviert zu üben, zu erkunden, zu forschen.“ Gibt es für einen pädagogisch orientierten Komponisten ein schöneres Lob?
Drei Monate blieb Zeit für die Arbeit. Vor dem Konzert wollten die Kinder dann noch mehr über den Komponisten wissen. Viele Fragen waren nicht einfach und schnell zu beantworten. „Wie sind sie auf die Idee gekommen zu komponieren?“ Oder: „Welches Werk gefällt Ihnen am besten?“ Die Kinder wollten auch wissen, ob ich eine Geige habe. „Haben Sie ein Haustier?“ Ich versuchte, gewissenhaft und ehrlich zu antworten. Alle Fragen konnte ich sicher nicht restlos klären. Ich bin aber sicher, dass die betreuenden Lehrerinnen und Eltern der Kinder dranbleiben werden, davon zu überzeugen, dass es viele gute, alte und neue Musik gibt, dass Heute und Morgen immer wieder Musik entsteht, ja, dass jeder von uns auf seine Weise Musik erfinden kann.
Gleich zu Beginn des Konzerts stand eine Uraufführung auf dem Programm. Die Lehrerinnen spielten die Uraufführung eines Satzes eines konsequenten, klar strukturierten Streichquartetts von Katrin Rohlfs. Kleine Gruppen von Kindern improvisierten. Drei Mädchen hatten auf ein großes Blatt Papier drei Gesichter gemalt, eins lächelte, eins war nachdenklich, eins schien traurig. Dann improvisierte ein Kind eine kleine Musik. Die Zuhörer waren aufgefordert zu raten, welches der Gesichter gemeint war. Zu meiner Sammlung kleiner Stücke zum Thema „Miteinander“ für zwei Geigen und Cello hatten die Kinder noch zwei weitere Sätze komponiert: „Durcheinander“ und „Auseinander“. Andere Kinder hatten Sprichwörter vertont. Ein Abend also voll mit Neuheiten, begeisterten, wirklich be-geisterten Kindern und überströmend herzlichen Zuhörern, vor allem wohl auch Eltern und Großeltern der Kinder auf dem Podium. Nie habe ich einen schöneren Auftrag bekommen, selten so viel Dank und Anerkennung gefunden.