NON SCHOLAE SED VITAE DISCIMUS – mit diesem Zitat haben Generationen von Lehrern Unterricht und sogar spezielle Unterrichtsinhalte vor Schülern legitimiert. Dadurch wurden Unterrichtsinhalte und -methoden selten hinterfragt, allein die Autorität der Unterrichtenden beziehungsweise des Lehrplans reichten aus. Basis war der Konsens über das, was gesellschaftlich relevantes Lehr- und Lerngut ist. Die Autorität von Lehrern, Eltern und anderen Bildungsträgern war im Wissen von „richtig oder falsch“, „notwendig oder überflüssig“ akzeptiert, Bildung und Bildungsinhalte orientierten sich an den Normen des Bildungsbürgertums und damit an den Vorstellungen der Bildungseliten.
Das Zitat als solches hat auch heute nichts von seiner Bedeutung verloren, allerdings muss der Begriff „Vita“ neu mit Inhalt gefüllt werden. Es ist zu begründen: Welchen Lebensbezug haben die Bildungsinhalte, welche Wirklichkeit spiegeln sie?
Musizieren im Unterricht – eine musikalische Wirklichkeit
Musikunterricht ist ohne aktives Musizieren eigentlich nicht denkbar. Nur so kann man die Kosten für eine gehobene Ausstattung der Musikräume mit Instrumenten (Orff, Keyboards, Klavier etc.) rechtfertigen. Es stellt sich die Frage: Was ist schulisches, was ist unterrichtliches Musizieren und welchen Stellenwert hat das Musizieren im Unterricht?
Schulisches Musizieren ist sicher nicht der Einsatz von Instrumenten als Lehr- und Lernwerkzeug zur Vermittlung kognitiver Inhalte. Schulisches Musizieren darf aber auch nicht reiner Aktionismus sein, Handeln um des Handelns Willen, die Reduktion von Unterricht auf Spielen und dadurch die Vernachlässigung der anderen Inhalte und Umgangsweisen mit Musik. „Spielen, und dann noch auf einem niedrigen Niveau, kann nicht der Sinn von Musikunterricht sein.“
Hier blickt man zu Recht mit Skepsis auf praktizierte Konzepte. Es ist sicher richtig, dass eine Gruppenmusizierstunde nicht automatisch schon zu gutem, modernem, schülergemäßem Musikunterricht wird. Trotzdem stellt sich die Frage, mit welcher Konsequenz musiziert wird. Welchen Stellenwert, auch gemessen in Unterrichtszeit, hat das Musizieren?
Musizieren in der BläserKlasse
Was ist in einer Bläserklasse anders? NON SCHOLAE SED VITAE DISCIMUS – In einer Bläserklasse spielt man ein Instrument, weil man das Spielen des Instruments erlernen möchte und mit dem Können sich selbst und der Gruppe ein ästhetisches Erlebnis verschaffen möchte.
Die Schülerinnen und Schüler spielen nicht mit dem Instrument, sie spielen das Instrument. Mit anderen Worten: Sie setzen das Instrument nicht als Erklärungshilfsmittel ein, sie sind Instrumentalisten. Somit schafft die Bläserklasse eine musikalische Wirklichkeit, die Wirklichkeit eines sinfonischen Blasorchesters. Man tut nicht so, man ist.
Die aktuelle, schulische Wirklichkeit ist somit eine integrierte Vorstufe der späteren Lebenswirklichkeit in unterschiedlichen Dimensionen: Hobbymusiker im Sinfonischen Blasorchester, in der Dorfkapelle, im Posaunenchor, in der Big Band oder als Profimusiker in verschiedenen Bereichen.
Damit beantwortet sich die Frage: Warum tue ich im Unterricht etwas und was lerne ich dadurch? Welche Nachhaltigkeit hat mein Tun im Unterricht? Daraus erwächst eine völlig neue Aufgabe für den Musiklehrer.
Musikalisches Können, also Instrumentalunterricht.
Kein Mensch kann auf Anhieb auf einem ästhetisch akzeptablen Niveau musizieren, aber das gilt nicht nur fürs Musizieren. Auch in anderen Lebensbereichen entwickelt sich das Niveau erst im Laufe des Lernens. Also muss hinreichend qualifizierender Instrumentalunterricht im Musikunterricht stattfinden. Nur so kann ein Spielniveau erreicht werden, das auch musikalisch befriedigt beziehungsweise musikalische Perspektiven aufzeigt und damit mehr ist als gut gemeintes Tun. Musikunterricht kann nicht – und konnte vielleicht nie – als Eingangsbedingung machen, dass jeder Schüler musikalisch vorgebildet ist oder sogar ein Instrument spielt.
Das System YAMAHA-BläserKlasse bietet hier Lösungen. BläserKlasse ist ein Instrumentallehrgang für den Anfangsunterricht mit einer heterogen besetzten Instrumentalgruppe, in die Inhalte des allgemein bildenden Musikunterrichts eingearbeitet sind. Welches Spielniveau die Schülerinnen und Schüler letztlich erreichen können, hängt natürlich in erster Linie von deren Lernbereitschaft ab.
Konkretion im Schulalltag
Ohne Spezialisten in der Instrumentendidaktik muss die BläserKlasse dilettantisch bleiben. Hier bietet sich eine Kooperation zwischen Musikschule und Regelschule an. Organisatorisch und inhaltlich findet eine Verzahnung von Regelschule (Grundschule, Hauptschule, Realschule, Gesamtschule oder Gymnasium) und Musikschule statt. Die im Stundenplan ausgewiesenen Musikstunden und eine oder mehrere von der Musikschule angebotenen „Zusatzstunden“ bilden eine BläserKlassen-Lerneinheit. Dabei unterrichten die Instrumentallehrer im Teamteaching mit dem Musiklehrer der allgemeinbildenden Schule die Schüler in den Lerneinheiten oder arbeiten additiv, das heißt die Lehrkräfte der Musikschule schaffen die Befähigung für das eigentliche Tun im Musikunterricht. Diese Grundidee ist nicht neu. Auch bisher haben der Musikunterricht und die außerunterrichtlichen Ensembles vom Können der Schüler profitiert, das sie in außerschulischen Aktivitäten erworben haben.
Neu ist, dass das Tun aufeinander abgestimmt ist und beides im Rahmen und in den Räumen der allgemeinbildenden Schule stattfindet. BläserKlasse erfüllt die Rahmenrichtlinien für den Musikunterricht an allgemeinbildenden Schulen. Die Unterrichtsmethoden sind so gewählt, dass das gemeinschaftliche Musizieren Ausgangspunkt, Lernhilfe und Unterrichtsziel ist. BläserKlasse ist ein Instrumentallehrgang, in dem alle Instrumente eines Sinfonischen Blasorchesters gemeinsam lernen. Das muss nicht heißen, dass sie zu jeder Zeit parallel oder sogar das gleiche lernen. Im Lehrgang BläserKlasse ist der Lernstoff didaktisch so aufbereitet, dass gemeinschaftliches Lernen möglich ist: keine Gleichmacherei im Sinne einer Reduktion auf den kleinsten gemeinsamen Nenner, sondern gegenseitiges Motivieren, Stützen und Profitieren.
Wolfgang Feuerborn lehrt am Gymnasium Nepomucenum in Rietberg/NRW. Zugleich ist er Begründer des Systems BläserKlasse in Deutschland und als pädagogischer Leiter der Stiftung „100 Jahre Yamaha e.V.“ tätig.