Mangelndes Interesse bei der Leserschaft kann es nicht sein, denn das bliebe nach derartigen Veröffentlichungen erst einmal nachzuweisen – mangelnde Lobby schon eher. Nicht nur hier, sondern auch besonders in der kaum vorstellbaren Finanzkraft, die hinter sportlichen Ereignissen steht, macht die übermächtige Lobby, die hinter dem Sport steht, dies sehr deutlich. Die Musik hat bei weitem keine so wirksame Lobby, aber nur mit eben dieser lassen sich Dinge durchsetzen und verändern. Es ist interessant, dass in den Augen der Öffentlichkeit Kultur nur Geld kostet; in einer Untersuchung einer Züricher Privatbank zeigt sich jedoch, dass durch Zusatzgeschäft und die daraus entstehende Kaufkraft mit ihren Steuern die staatlichen Ausgaben für Kultur längst wieder ausgeglichen werden können – vom positiven Image einer Kulturstadt einmal ganz abgesehen.
Wenn den Zahlen Glauben geschenkt werden darf, so besuchen jährlich in Deutschland mehr Menschen Konzerte als Sportveranstaltungen. Schlägt man jedoch die Tageszeitungen auf, füllen Berichte über Sportereignisse seitenweise die Blätter, während der Musik als Randnotiz ein vergleichsweise marginaler Platz zugebilligt wird, zumal hier ausschließlich herausragende Ereignisse – nicht aber zum Beispiel die so wichtige musikpädagogische Breitenarbeit – ihren Niederschlag finden. Mangelndes Interesse bei der Leserschaft kann es nicht sein, denn das bliebe nach derartigen Veröffentlichungen erst einmal nachzuweisen – mangelnde Lobby schon eher. Nicht nur hier, sondern auch besonders in der kaum vorstellbaren Finanzkraft, die hinter sportlichen Ereignissen steht, macht die übermächtige Lobby, die hinter dem Sport steht, dies sehr deutlich. Die Musik hat bei weitem keine so wirksame Lobby, aber nur mit eben dieser lassen sich Dinge durchsetzen und verändern. Es ist interessant, dass in den Augen der Öffentlichkeit Kultur nur Geld kostet; in einer Untersuchung einer Züricher Privatbank zeigt sich jedoch, dass durch Zusatzgeschäft und die daraus entstehende Kaufkraft mit ihren Steuern die staatlichen Ausgaben für Kultur längst wieder ausgeglichen werden können – vom positiven Image einer Kulturstadt einmal ganz abgesehen.Bezeichnend kurz und ohne Echo war denn in jüngster Zeit auch die politische Berichterstattung über eine Aussage des Bundesinnenministers Dr. Otto Schily im Zusammenhang mit Sozialprävention: „Wer Musikschulen schließt, versündigt sich an der inneren Sicherheit" – wenngleich es eigentlich heißen müsste: wer Instrumentalunterricht kürzt oder erschwert, versündigt sich an der inneren Sicherheit! (gemeint ist hier – man verzeihe diese Vereinfachung – natürlich auch die Gesangspädagogik, sie wird im Folgenden mit verstanden). Diese kleine Veröffentlichung könnte – ohne Ansehen der Partei und ohne Ansehen der Rechtsform der Unterrichtsinstitution – ein winziger Strohhalm beim Aufbau einer wirksamen Lobby für den Instrumentalunterricht, für die Musik sein, an dem alle Musiker, und vor allem mit vereinten Kräften alle Musikpädagogen, mitarbeiten sollten.Musizieren ist kein Luxus
Nur mit einer solchen breiten Unterstützung lassen sich Dinge verändern und durchsetzen, auch gegen hochrangige Politiker, die sich rühmen, das Instrumentalspiel ganz schnell wieder aufgegeben zu haben, oder auch gegen Parteiauftritte in Radio oder Fernsehen, in denen der Wähler implizit aufgefordert wird, seine Zeit nicht mit Klavierspiel „zu vergeuden".
Ist es nicht bitter nötig, mehr denn je in der Öffentlichkeit deutlich zu machen, dass es längst erwiesen ist: Musik und Musizieren ist kein Sonntags-, Vorweihnachts- und Festwochenluxus. Die seitens hochrangiger Wirtschaftsmanager immer wieder geforderten Mitarbeitertugenden wie Teamfähigkeit, Kommunikationsfähigkeit, Eigeninitiative, Zuhören-Können, aber auch Konzentrationsfähigkeit, Selbstdisziplin, Kreativität, interdisziplinäres und vernetztes Denken, Intelligenz et cetera werden durch Musizieren bestmöglich „nebenbei" erlernt. Auch die Wirtschaft kommt ohne Kunst und Kultur nicht aus und will dies auch nicht mehr. Die „Zukunftsinvestition Musik", wie es auf einem als kulturpolitischer Aufbruch intendierten und wahrgenommenen Musikpädagogenkongress in Luzern hieß, lohnt sich allemal. Musikalische Bildung ist Menschenrecht.
Da liegt es nahe, dass gerade in der Zeit der Einsparungen und des Umbruchs – mit Risiken, aber auch mit Chancen – die Kürzungen bei der Realisierung des „Menschenrechts musikalischer Bildung" sowohl politisch als auch wirtschaftlich als absolut kontraproduktiv angesehen werden müssen, genau wie die Verteuerung der schon heute zumeist vollständig privat finanzierten Ausbildung zu Musikberufen. Es muss daher in breiter Lobbyarbeit kommuniziert werden, dass die drohende Fehlentwicklung politisch verfehlt ist.
Es muss mehr als bisher in das öffentliche Bewusstsein hineingetragen werden, dass in der Realisierung des „Menschenrechts musikalische Bildung" nicht nur eine große Chance für den einzelnen Menschen liegt, sondern dass dies für die Gesellschaft und das Miteinander im sozialen Bereich, aber auch für die Prävention von sozialen Problemen und Missständen geradezu zwingend notwendig ist, damit die Probleme später nicht erst mit weitaus größerem finanziellen Aufwand beseitigt werden müssen. Vielleicht ahnten die alten Griechen als die Gründerväter der westeuropäischen Kultur diese Zusammenhänge, als die dem ganzen Volk aus gutem Grund Musikunterricht verordneten.
Musik aktiviert das Gehirn
Gerade heute tut Aufklärung mehr denn je not. Empirische lernpsychologische und musikmedizinische Forschungsprojekte in der Schweiz, in Deutschland, Österreich und Belgien untersuchten und untersuchen die aus erweitertem Musik- oder Instrumentalunterricht resultierende Entwicklung der Kinder und durch Musik veränderte Aktivierungsmuster des Gehirns. Die Forschungsergebnisse zeigen klar, dass Musik, besonders beim kreativen Umgang damit, das ganze Gehirn aktiviert und dass die Unterrichtstrategie die menschlichen neuronalen Netze beeinflusst.
Auch Forschungsarbeiten zum Gehör, die zum Teil auch die Embryonalzeit umfassen, zeigen wie die differenzierte Wahrnehmung von Tonhöhe, Intervall, Klangqualität et cetera sowohl zu sich ständig verfeinernden Musik- und Sprachstrukturen und damit Denkstrukturen als auch zur Steigerung der Aufmerksamkeit führt.
Längst gilt als erwiesen, dass Musik, Musikerziehung, Instrumentalunterricht, Musizieren die kognitiven, kreativen, ästhetischen, musikalischen, sozialen und psychomotorischen Fähigkeiten von Kindern (und Erwachsenen) vorteilhaft beeinflussen und fördern kann – mehr und umfassender als dies zum Beispiel der Sport vermag. Ergebnisse der Schulversuche zeigen, dass höhere musikalische Kompetenz, zugleich auch eine Zunahme der Konzentrationsfähigkeit und Gedächtniskraft, eine verbesserte Lernsituation und durch Transfer eine verbesserte schulische Leistung mit sich bringt. Aber auch das Einordnen in Gruppen, der Umgang mit Konflikten und die Affektstabilisierung, Intelligenz und Kreativität verbessern sich deutlich.
Diese Wirkung der Musik auf die physische, psychische und soziale Gesundheit und auf die generelle Leistungsfähigkeit des Menschen, ob Kind oder Erwachsener, muss heute mehr denn je durch verstärkte Öffentlichkeits- und politische Lobbyarbeit bewusst gemacht werden, um der Musik, speziell dem instrumentalen Musizieren in der öffentlichen Meinung – geradezu in einem Quantensprung – mehr Gehör zu verschaffen und letztlich der Umsetzung „musikalischer Bildung als Menschenrecht" als „Zukunftsinvestition Musik" (wieder) näher zu kommen.
Außerschulische Situation
Daneben haben sich die ausübenden und die pädagogisch tätigen Musiker aber auch unter sich auszutauschen, wollen sie sich nicht dem verbreiteten Vorwurf aussetzen, dass vielleicht der Unterricht selbst dazu geführt habe, dass das Instrument in die Ecke gelegt wurde und dass die Lobby der Sportunterstützer ein Vielfaches an Einfluss hat im Vergleich mit den Musikliebhabern. Beleuchten wir hier nun besonders die Ausbildung der Musikpädagogen im außerschulischen Bereich.
Grundsätzlich gilt es, sowohl in der Öffentlichkeit als auch hochschulintern die Inhalte, die Wichtigkeit, die Notwendigkeit und damit verbunden die Akzeptanz des Fächerkanons im Fachbereich Methodik, Didaktik, Pädagogik, sowohl instrumentspezifisch wie fächerübergreifend, per se erheblich zu stärken.
In gleicher Weise muss gerade auch die Berufsbezogenheit dieses Fächerkanons und der interdisziplinäre Brückenschlag unter den Instrumentalisten, aber auch zu anderen Pädagogen, im Sinne einer engen Vernetzung aller Musikpädagogen – gleich welcher Ausbildung – auch für die Zeit nach dem Studium intensiver als bisher angelegt und angeregt werden. Hier ist besonders auch eine engere Verbindung zwischen Hauptfach und Fachdidaktik, wie auch die engere Vernetzung mit anderen Hauptfächern und deren Didaktik, die Didaktik im elementaren musikalischen Bereich sowie nicht zuletzt die Didaktik des Gesangs und die Schulmusik dringend erforderlich. Dies gilt auch in besonderem Maß für diejenigen Instrumentalisten, die ausschließlich eine künstlerische Tätigkeit im Auge haben, denn letztlich unterrichten sie ja doch!
Motivation und Möglichkeiten
Eine musikpädagogische Ausbildung sollte also Pflicht für jeden Instrumentalisten sein. Die Motivation und Möglichkeit, wie in anderen wissenschaftlichen Studiengängen freiwillig weitere Fächer zu belegen, sollte daher dringend angeregt und unterstützt werden, nicht zuletzt auch, um das gegenseitige Verständnis und das pä-dagogische Einfühlungsvermögen zu stärken. Interdisziplinärem Denken – in den Naturwissenschaften längst Stand der Kunst – und musikpädagogischer Handlungsfähigkeit muss deshalb in der Musikhochschulausbildung vielmehr ein höherer Stellenwert als bisher beigemessen werden.
Dies darf jedoch nicht so verstanden werden, dass das Pendel in die gänzlich andere Richtung gelenkt wird: Die heute aus ökonomischen Gründen so gefragte Vielseitigkeit darf nicht als Ausbildung zum „Multifunktionspädagogen" missverstanden werden, denn wer mehrere Fächer unterrichten will/muss, der muss auch in allen Bereichen gut ausgebildet sein – eine Erkenntnis, die in anderen Fachdisziplinen längst und zum Glück immer noch Standard ist. Eine Schmalspurausbildung für Musikpädagogen im außerschulischen Bereich darf es zum Wohl der Schüler nicht geben, denn die Jugend ist die Zukunft, und dafür muss der beste Pädagoge gerade gut genug sein – gerade und im Besonderen im Anfängerunterricht (siehe die eingangs zitierte Äußerung eines Berufspolitikers höchsten Ranges über seine negativen Unterrichtserfahrungen). Kompromisse in diesem Bereich führen nicht zu den Erfolgen, die durch qualifizierten Musikunterricht (siehe oben) erreichbar sind.
Die Musikpädagogen im außerschulischen Bereich brauchen neben der unzweifelhaft erforderlichen künstlerischen Kompetenz einen großen Handwerkskasten mit vielfältiger pä-dagogischer, methodischer, didaktischer und fachspezifischer Kompetenz, so dass sie in der Lage sind, jeden Schüler individuell zu fördern – oder Unterstützung darin zu geben, dass er anderweitig Förderung erhält.
Es gibt auch Ausbildungsbereiche in der Hochschule, die teilweise vernachlässigt sind, die jedoch im Fächerkanon Berücksichtigung finden sollten: Der heutige pädagogische Umgang mit zeitgenössischer und experimenteller Musik wird mit einem Brief Beethovens sehr plastisch vor Augen geführt, in dem er beschreibt, wie eigentümlich es zu seiner Zeit war, ein Konzert (nur) mit Stücken toter Komponisten zu bestreiten. Kinder und Jugendliche sind der neuen, zeitgenössischen Musik durchaus aufgeschlossen, wenn sie herangeführt werden und nicht nur traditionell unterrichtet werden. Hier wie auch in den sehr vernachlässigten Gebieten der Improvisation und Komposition, die in der praktischen Arbeit des Musikpädagogen vielseitig eingesetzt werden können und die einen lebendigen Umgang mit Musik erst möglich machen, muss die Musikpädagogik ansetzen. Neurologische Messungen haben darüber hinaus ergeben, dass durch kreatives Musizieren wie Improvisieren und Komponieren die Gehirnaktivitäten in besonderem Maße gesteigert werden – beim Schüler und beim Lehrer. Das heißt auch, dass Wettbewerbe (wenn überhaupt) ohne einen gewichtigen Anteil an Improvisation eigentlich als überholt gelten sollten.
Nicht zuletzt sind auch musikmedizinische Themen und Körpertechniken im Studium ein absolutes Muss, bedenkt man, dass viele gesundheitliche Probleme bei Berufsmusikern und musizierenden Laien auf instrumentenspezifische Fehlentwicklungen zurückzuführen sind, die mit großer Sicherheit im instrumentalen Anfängerunterricht angelegt worden sind – ein Grund mehr, gerade diejenigen Pädagogen, die Anfänger unterrichten (und das kann potentiell jeder Instrumentalist sein), besonders intensiv und gut auszubilden, um den gesundheitlichen Präventionsgedanken in den Unterricht aktiv mit einzubeziehen. Im Zusammenhang mit der höchst wichtigen Frage der gesundheitlichen Verantwortung des Unterrichtenden gegenüber dem Schüler haben auch Ethik und Qualitätsfragen ihren logischen Ort in der Hochschulausbildung. Hierzu gehört die „Ausbildung in kritischer Distanz" gegenüber fragwürdigen Forderungen des Umfeldes, den Unterricht in einer für den gut ausgebildeten und bewusst arbeitenden Musikpädagogen unzumutbaren Weise zu gestalten, wie dies zum Beispiel in rein kommerziell ausgerichtetem Gruppenunterricht auftreten kann. Auch die Kommunikationspsychologie ist ein Thema für die spätere Berufspraxis, die sich in verbaler Konfliktbewältigung, personenorientierter Sprache und schriftlicher Kommunikation im Unterricht und in Elterngesprächen täglich neu als notwendig erweist. Auch ein bestimmtes Maß an Projekt- und Zeitmanagement zur Bewältigung alltäglicher Planungsprobleme, die ja auch dem Schüler beigebracht werden müssen, fallen unter praxisbezogene Ausbildung.
Fortsetzung in der nächsten Ausgabe der neuen musikzeitung