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Dieter Schnebel in der Kilians-Kreuzkapelle des Würzburger Exerzitienhauses Himmelspforten. Foto: Susanne van Loon
Dieter Schnebel in der Kilians-Kreuzkapelle des Würzburger Exerzitienhauses Himmelspforten. Foto: Susanne van Loon
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Nachklänge im Echoraum

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Das Würzburger Mozartfest erprobt ein neues Konzertformat
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Seit der Intendanz von Evelyn Meining 2014 sind Wandel und Innovation untrennbar mit der jährlichen Festivaldramaturgie verbunden und Neue Musik ist auch im traditionsreichen Mozartfest präsent. Von Beginn an installierte Meining das Mozartlabor im Festivalprogramm als Ort interdisziplinärer Begegnung an einem besonders inspirierenden Platz, dem Exerzitienhaus Himmelspforten.

Als Dozenten waren Jahr für Jahr maßgebliche Komponisten der Gegenwart wie Jörg Widmann, Toshio Hosokawa oder Aribert Reimann engagiert. 2017 hätte es Wolfgang Rihm sein sollen. Für den damals erkrankten sprang kurzfristig Dieter Schnebel ein und stellte sich den Fragen des Mozartforschers Ulrich Konrad sowie den anwesenden Musikern und Studenten.

Mit Aufführungen war Schnebel 2017 allerdings nicht vertreten, und das soll nun im Jahrgang 2018 nachgeholt werden. Es ist charakteristisch für Meinings Handschrift, dass dies gleich in Form eines neuen Konzertformates stattfindet, den „Nachklängen“. Andreas Kolb sprach mit dem zuständigen Dramaturgen Holger Slowik, dem Mitbegründer der Würzburger Klangkartei, die im Übrigen ebenfalls auf einen Impuls von Evelyn Meining zurückgeht. Die Klangkartei ist eine Webplattform, auf der sich Musiker im Raum Würzburg mit Biographien, Photos und Klangbeispielen vorstellen und vermittelt werden.

neue musikzeitung: „Nachklänge im Echoraum heißt ein neues Konzertformat auf dem Mozartfest, an dem Sie als Dramaturg maßgeblich beteiligt sind. Um was geht es dabei?

Holger Slowik: Das Format des Late-Night-Konzertes ist bei verschiedenen Festivals schon etabliert. Was wir mit den Nachklängen im Echoraum beim Mozartfest versuchen wollen, ist ein kleines Konzert an ein Hauptkonzert kontrastierend oder ergänzend anzuschließen. Zwei Punkte sind dabei wichtig: Es sollte wirklich Neue Musik mit dabei sein und es sollen junge Musiker am Beginn ihrer Karriere sein.

nmz: In welchem Verhältnis steht denn der Nachklang in Verhältnis zum eigentlichen Klang?

Slowik: Der Nachklang ist mit einem Raumwechsel verbunden. So spielen die Bamberger Symphoniker Bruckners Siebte im Dom und für den Nachklang gehen wir dann in die Sepultur, die Grabstätte der Domherren. Die Idee dieses Konzertes ist, diesen Echoraum als Hommage à Wagner zu gestalten. Wagner starb während Bruckner die Siebte komponiert hat. Daraufhin hat dieser „in memoriam“ einen Choral mit Wagnertuben ans Ende des Adagios nachträglich komponiert. Die Idee ist , dass im Grunde jede Note, die im Echoraum erklingt, von Wagner ist, aber doch wieder nicht, weil Wagners Musik nur in verschiedenen Bearbeitungen erklingt.

nmz: In Chorbearbeitungen von Clytus Gottwald und in Instrumentalstücken von Dieter Schnebel?

Slowik: Ja. Durch den Chor und das Instrumental-Ensemble, die sich abwechseln und im Raum unterschiedlich postiert sind, wird das Publikum in die Mitte genommen. Gerahmt wird der Echoraum, eine ca. 45minütige Gesamtkomposition, bei der die Stücke attacca gespielt werden, von zwei Bearbeitungen von Wesendonck-Liedern von Wagner für Chor von Clytus Gottwald. Es folgt das „Wagner-Idyll“ von Schnebel, das eine Bearbeitung des „Karfreitagzaubers“ aus Parsifal und somit die Originalmusik von Wagner in harmonischer und instrumentatorischer Verfremdung ist. Außerdem werden Auszüge aus „Mild und leise…“ von Schnebel zu hören sein. Das sind Bachmann-Gedichte aus der Krisenzeit der Trennung Bachmanns von Max Frisch, die erst aus dem Nachlass veröffentlicht wurden. Diese Gedichte sind durchdrungen von Zitaten aus dem Tristan-Libretto. So beginnt es wie ein Bachmann-Gedicht, doch liest man plötzlich: „Seht ihr’s Freunde, seht ihr’s nicht?“ – eben wie es in Isoldes Liebestod heißt. Es kommen immer wieder Fetzen aus dem Tristan-Libretto und Schnebel hat die Bachmann Gedichte so vertont, dass er bei diesen Tristan-Zitaten auch die Wagnersche Tristan-Musik verwendet und drumherum seine eigene Musik gebaut hat.
In der Mitte des Konzertes – zwischen Karfreitagszauber und Bachmanns erschütternder Lyrik - stehen die Passionsmotetten „Christus factus est“ von Bruckner und „Ecce quomodo moritur iustus“ von Gallus, eine Motette von der Bruckner sagte: „Das ist für mich Karfreitag.“ Es ist sozusagen ein halb assoziativ, halb streng gebautes Programm, das sich aus der einen Quelle, „in memoriam Wagner“, speist. Gleichzeitig – und das finde ich besonders schön – ist es auch zu einer Hommage à Dieter Schnebel geraten.

nmz: Sie bringen dieses neue Format der „Nachklänge“ noch zweites Mal zum Einsatz?

Slowik: Ganz genau. Der zweite Nachklang sollte in der Residenz sein, weil das die Hauptspielstätte des Mozartfestes ist und hier auch viele kleinere Säle zur Verfügung stehen. Der Nachklang wird sich auf den „Versuch über die Fuge“ von Widmann beziehen, welcher beim Hauptkonzert, dirigiert vom Komponisten, erklingen wird. Das Konzert soll eine Reflexion über Musik und Zeit sein, ausgehend von der Behauptung, dass die Fugenkomposition die strengste Regulierung musikalischer Zeit ist. Ich halte das auch für keinen Zufall, dass Jörg Widmann in dem „Versuch über die Fuge“ ̶  ursprünglich für Sopran und Streichquartett ̶  den Text des Predigers Salomo „Was ist das, was geschehen ist? Dasselbe, was in der Zukunft geschehen wird“ verwendet, der für mich eine philosophisch formulierte Definition von Fugenkomposition darstellt. Der Nukleus dieses Echoraums, der vom Lassus Quartett aus Basel gestaltet wird, sind die zwei Contrapuncti aus Bachs „Kunst der Fuge“, aus denen Widmann das Hauptthema seines Stückes baut. Der Echoraum liefert hier also gleichsam die Vorlage für das zuvor erklungene Werk nach. Daran schließen sich kurze Fugenkompositionen von Mozart und Mendelssohn an, den anderen beiden Komponisten des Hauptkonzerts, die unter dem Fokus „Fuge“ nochmals zu Wort kommen. Und schließlich wird als zeitgenössische Ergänzung das zweite Streichquartett von Klaus Huber „…von Zeit zu Zeit…“ gespielt werden, weil Klaus Huber eben unter der Generation der in den 1920er Jahren Geborenen, der seriellen Komponisten, die ja nochmals ganz neu über Musik und Zeit nachgedacht haben, derjenige ist, der das meiner Meinung nach am spannendsten getan hat.


  • Anmerkung: Es handelt sich um die Langfassung des Gesprächs

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