Musiklehrkräfte aller Klassenstufen und Schultypen konnten sich im April in Nürnberg bei den Tagen der Bayerischen Schulmusik an der Friedrich-Alexander-Universität treffen und weiterbilden. Die Veranstalter, der Verband Bayerischer Schulmusiker (VBS) und der Arbeitskreis für Schulmusik (AfS), begrüßten zahlreiche motivierte Teilnehmer bei dieser für die musikalische Bildung künftiger Generationen und den Musikunterricht an Schulen äußerst wichtigen und mit 62 Referenten, 88 Kursen und etwa 600 Teilnehmern größten musikpädagogischen Fortbildungsveranstaltung in Bayern.
Nach zweijähriger Unterbrechung aufgrund zweier vergleichbarer Großereignisse (Bundeskongress des AfS 2005 in Nürnberg – Bundesschulmusikwoche des VDS 2006 in Würzburg) wurde die Tradition der Bayerischen Schulmusiktage von den beiden größten Schulmusikverbänden dieses Jahr erfreulicherweise wieder aufgegriffen.
Es ist seit 1985 bereits das zehnte Mal, dass sich Musiklehrkräfte aus ganz Bayern zum Austausch, zu Vorträgen und zum Musizieren treffen. Ziel dieser Veranstaltung ist das vereinte Bestreben, die Unterrichtsqualität im Fach Musik zu verbessern. Dieses gemeinsame Anliegen hat die Verbände AfS und VBS in den letzten Jahren eng verbunden und so ist die Ausrichtung der Tage der Bayerischen Schulmusik das Ergebnis verstärkter Kooperationen. Neben der Arbeit an der Verbesserung politischer Rahmenbedingungen des Musikunterrichts soll der Kongress dazu beitragen, den Musikunterricht auch inhaltlich an die veränderten gesellschaftlichen und sozialen Bedingungen anzupassen.
Alle an schulischer Bildung Beteiligte verbindet die Erkenntnis, dass musikalisch-künstlerische Inhalte und Methoden für sämtliche Erziehungs- und Bildungsprozesse von Kindern von größter Bedeutung sind. So kann die Beschäftigung mit musisch-kreativen Dingen schöpferische Kräfte im intellektuellen wie emotionalen Bereich wecken und fördern.
Gemeinsames Musizieren kann Denkweisen verändern, die Wahrnehmung für ästhetische Prozesse schärfen und das Bewusstsein für Werte fördern. Es unterstützt Teamgeist und Gruppengefühl, lehrt Durchhaltevermögen und Verantwortungsbewusstsein. In Zeiten, in denen neue schulische Konzepte entwickelt und umgesetzt werden, sollte man dringend dafür sorgen, dass Kinder während eines längeren Schulalltages entdecken können, über welch vielfältige Talente gerade auch im kreativen Bereich sie verfügen. Es muss mehr Verständnis und Bewusstsein für diesen wichtigen, musikalisch-künstlerisch-ästhetischen Teil des Bildungsauftrages entstehen. Gerade die Schulen sind hier in besonderer Weise gefordert, kommt doch ein beträchtlicher Teil der Schülerschaft hier zum ersten und vielfach auch einzigen Mal mit Musik in Theorie und Praxis in Berührung. Leider ist es jedoch oft so, dass der Musikunterricht im Schulalltag gegen die vermeintlich wichtigeren Kernfächer ausgespielt wird. Um die Lobby und die Qualität des Faches Musik zu sichern und zu verbessern, sind diese Fortbildungstage unersetzlich und die Verbände eine zunehmend wichtiger werdende Säule unserer Gesellschaft.
Mogelpackung Fächerverbund
Die allgemeinbildende Schule muss in gewisser Hinsicht als „Musikschule für alle“ fungieren. Denn nur in ihr werden aufgrund der allgemeinen Schulpflicht alle jungen Menschen erreicht, unabhängig von ihren sozialen Einbindungen, ihrer Herkunft und ihrem Status. Leider erfüllt die schulische Wirklichkeit und Praxis häufig nicht diese Funktion. Dem Anspruch auf musikalische Bildung steht ein häufig desolater Alltag gegenüber: Musikstunden fallen überproportional oft aus oder werden fachfremd erteilt. Dieser Zustand impliziert eindeutig eine unverantwortbare Reduzierung musikalischer Bildung. Er bestimmt vor allem den Bereich der Grundschulen und in noch stärkerem Maße den der Förderschulen. In die Kategorie „Reduzierung musikalischer Bildung“ reiht sich zudem die immer mehr um sich greifende Einführung von Fächerverbünden ein. Ein Blick in das Nachbarland Baden-Württemberg genügt schon. Auf anfängliche Euphorie folgte im Süden der Republik die Desillusionierung: Nach einer Evaluation unter Federführung des dortigen Landesmusikrates erweist sich die 2004 vollzogene Integration des Unterrichtsfaches Musik in den Fächerverbund „Mensch, Natur und Kultur“ aus heutiger Sicht als äußerst prekär. Die Musikanteile sind signifikant, ja bedrohlich zurückgegangen. Musik sollte daher wieder als selbstständiges Fach mit eigenen Lerninhalten unterrichtet werden. Die grundsätzliche Koppelung an andere Fächer behindert musikalische Lernprozesse, die gerade im Primarbereich von entscheidender Bedeutung wären. Der musikalischen Unterversorgung muss entgegengesteuert werden.
So stellen sich die Verbände entschieden gegen die Auflösung des Faches Musik in der Grundschule zugunsten eines Faches Ästhetische Bildung. Die Beibehaltung des Faches Musik widerspricht nicht grundsätzlich einem fächerübergreifenden oder fächerverbindenden Unterrichtsprinzip. Die Erfahrungen in anderen Bundesländern zeigen eindeutig, dass diese Kombination von Musik, Kunst und Sport weder einen qualifizierten Musikunterricht ersetzen kann noch den qualifizierten Unterricht in den anderen Disziplinen. Grundschüler haben zudem ein Recht darauf, in diesen Fächern von gut ausgebildeten Lehrkräften unterrichtet zu werden. Eine Vermischung kann zu einer beliebigen Schwerpunktsetzung führen, die von den Interessen des Lehrers abhängig ist. Musik ist eine tragende Stimme im Chor der schulischen Bildung und darf nicht verstummen! Wieso also soll Bayern nicht aus Fehlern anderer lernen?
Die vielen verschiedenen Workshops der Tagung zeigten Einblicke in die unterschiedlichsten Bereiche schulmusikpädagogischen Handelns. Ein altes Sprichwort besagt: „Viele Wege führen nach Rom.“ Dies muss auch auf die Ausübung musikpädagogischen Handelns übertragen werden. Ein Patentrezept für zeitgemäßes Unterrichten gibt es nicht, zu viele unterschiedliche Rahmenbedingungen machen einen individuellen Gang nötig. Musikmachen mit Alltagsgegenständen ist nicht erst seit „Stomp“ Teil unserer musikalischen Kultur. Jürgen Zimmermann zeigte, dass solche Musik nicht destruktiv und chaotisch sein muss und dass sie tief in alten Traditionen wurzelt. Ob man den atavistischen Weg Jürgen Zimmermanns wählt, der mit Schülern aus Alltagsgeräuschen tolle Grooves zaubert und aus dem Nichts sofort Spontanmusik entstehen lässt, die ihren Sinn im aktiven Musizieren im Jetzt erfüllt, oder aber den Weg eines fundierten, linear aufgebauten Musikunterrichts, wie ihn beispielsweise Martin Müller Schmied anhand seiner über Jahre ausgebauten und praktizierten Solmisationsmethode im Klassenunterricht vorstellte, muss jeder selbst wissen. Inzwischen setzt sich in der deutschen Musikerziehungs-Landschaft allmählich die Erkenntnis durch, dass Musiklernen vor allem durch das aktive Musikmachen geschehen muss, weniger über das Theoretisieren und Reden über Musik. Alle möglichen Formen des Klassenmusizierens gedeihen. Kodály ging davon aus, dass jedes Kind vor allem sein ihm von Natur aus zur Verfügung stehendes Instrument beherrschen lernen soll: die Stimme. Nun setzt sich auch das Singen als wichtiger und nicht ersetzbarer Bestandteil des Musikunterrichts in den bundesdeutschen Schulen wieder durch. Solmisation bietet dabei eine Möglichkeit, mit Hilfe der Stimme die musikalischen Fertigkeiten der Schüler in sämtlichen Bereichen zu festigen. Der richtige Umgang mit ihr schafft Grundlagen für instrumentales Musizieren und für das Verstehen von musikalischen Sachverhalten. Wie dieser Weg spielerisch, schülergerecht und motivierend aufgebaut sein könnte, zeigte Müller Schmied anhand seines gemeinsam mit Hans Georg Marek erarbeiteten Unterrichtkonzeptes „Musik im Klassenunterricht. Klasse 5 bis 7“.
Frischer Motivationsschub
Bei der Frage nach dem „Wie und Was“ im Musikunterricht an deutschen Schulen werden immer individuelle Ziele und Schwerpunkte der Lehrkraft ausschlaggebend sein. Ob man den organisierten Lärm Zimmermanns allerdings einen ganzen Schulvormittag lang aushält, sei dahingestellt. Auf das verzweifelte Ohren-Schließen einiger Teilnehmer beim Fortespiel der Metalltonnen reagierte der Dozent leider mit fehlender Toleranz und fehlendem Verständnis. Das aber kann sich Musikpädagogik nicht leisten. Musikalische Vielfalt bei einheitlichen Zielen und Standards im föderalistischen Wirrwarr an deutschen Schulen tut Not!
Die überaus große Auswahl an guten Vorträgen, Workshops und Fortbildungsveranstaltungen haben nicht nur aktuelle Anregungen, sondern auch einen frischen Motivationsschub für das Unterrichten mit sich gebracht. Die kompetente Referentenschar hat ein Programm geboten, das auf die Vitalität der Unterrichtsprozesse zielte, ein Programm, das Unterrichtsvollzüge ermöglichte, die Musik über Neugier, Interesse und auch intensive Erarbeitung lebendig werden ließ. Dass Bayern manchmal für sich alleine denkt, zeigte sich nicht nur in manchen Reden, sondern auch durch die Termin-überschneidung mit der internationalen Musikmesse. Gemeinsam voneinander und miteinander Lernen und Verbessern, das wäre ein anzustrebendes Ziel deutscher Bildungspolitik – gerade im Bereich musikalischer Gesellschafts- und Schulbildung!