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Traumähnliche Szenen: „Somnia“, eine Produktion der Elbphilharmonie mit dem Ensemble Resonanz und zwei Zirkusartisten. Foto: Richard Stöhr
Traumähnliche Szenen: „Somnia“, eine Produktion der Elbphilharmonie mit dem Ensemble Resonanz und zwei Zirkusartisten. Foto: Richard Stöhr
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Poetisch und komisch, bodenständig und traumhaft

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Das „klangfest“ des Vereins KinderKinder zeigte in Hamburg viele Facetten der Musikvermittlung
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Am zweiten Maiwochenende wurde das Theater Kampnagel in Hamburg zur Spielstätte für bemerkenswerte Musikvermittlungsproduktionen. Alternativ zum Hafengeburtstag ließ sich hier für junge und ältere Menschen eine überaus unterhaltsame Zeit verbringen.

Wie ein buntes Kaleidoskop erschien das „klangfest“ des Vereins KinderKinder in Hamburg auf Kampnagel: abwechslungsreich und vielfarbig klingend und funkelnd. Einem Festival entsprechend konnten sich alle Besucherinnen und Besucher an den beiden Tagen ein eigenes Programm zusammenstellen. Am Freitag gab es bereits Vorstellungen für Kitagruppen und Schulklassen. Draußen musizierte die NDR-Bigband, begleitet von spontanen Aktionen des jungen Publikums an den Klangskulpturen des MobilenMusikMuseums. Drinnen wurden auf den verschiedenen Bühnen der riesigen Spielstätte Konzerte und Musiktheateraufführungen für Kinder von zweieinhalb bis 99 Jahren geboten.

„Brüte!“ ist eine Eigenproduktion von KinderKinder und für die Jüngsten gedacht. Die Geschichte nach einem Bilderbuch von der Henne, die es nicht versteht, ihr Ei auszubrüten und immer verzweifelter wird, weil sie ihr Küken nicht zu sehen bekommt, wird ohne Worte erzählt. Dafür übernimmt das Theremin, das in diesem Jahr seinen hundertsten Geburtstag feiert, die Stimme des Kükens im Ei. Ein riesiges illuminiertes Kunststoffei wird im Bühnenraum hin und her geschleppt, während der Puls der Musik mit Gesang, Percussion und Theremin immer schneller wird. Natürlich geht am Ende der Aufregung alles gut aus, und das geschlüpfte Küken verteilt Rasseleier an die jungen Zuhörerinnen und Zuhörer.

„Echoa“ ist Tanztheater vom Feinsten und gleichzeitig eine rasante Percussion-Performance. Im Programmheft wird noch klar unterschieden zwischen zwei Schlagzeugern und Tänzerin und Tänzer, auf der Bühne ist nach einer Weile nicht mehr zu unterscheiden zwischen Percussion und Tanz. In einem Bühnenaufbau mit mehreren Etagen agieren die Künstler/-innen mit allerhöchster Präzision genauso wie mit Witz und Spielfreude. In immer wieder neuen Mini-Geschichten präsentiert das Ensemble Body- und Materialpercussion, aber auch Stimmklang-Kompositionen. Musik und Bewegung verschmelzen dabei auf geniale Weise. Kein Wunder, dass diese Produktion der Compagnie Arcosm aus Frankreich seit vielen Jahren erfolgreich ist.

Proben und träumen

In „Trialog – Musiker unterwegs“ (ebenfalls eine KinderKinder-Produktion und die Uraufführung einer Auftragskomposition von Samuel Penderbayne) begegnen sich drei Musiker mit ihren unterschiedlichen Charakteren, um gemeinsam ein Stück zu proben. Nicht nur ihre Instrumente, Saxophon, Tuba und E-Gitarre, sind sehr unterschiedlich, sondern auch die hintereinander szenisch und klanglich dargestellten Alltagsabläufe vom Wachwerden bis zum Weg in den Probenraum. Auf unterhaltsame Weise wird vermittelt, dass es gar nicht so leicht ist, gemeinsam zu musizieren, dass es Absprachen über musikalische Parameter geben muss und eine verspätete Straßenbahn eine allzu leicht zu durchschauende Ausrede für das eigene Verschlafen ist. Die Musiker holen sich für einzelne Klangaktionen auf der Bühne Unterstützung aus dem Publikum. Am Ende, nachdem ein Streit unter den Musikern schon alles zunichte zu machen scheint, erklingt dann doch endlich die gesamte Komposition am Stück, deren Elemente in der vorangegangenen Stunde vorgestellt worden sind.

„Somnia“, eine Produktion der Elbphilharmonie mit dem Ensemble Resonanz und zwei Zirkusartisten, bringt traumähnliche Szenen auf die Bühne, in denen auf poetische Weise Musik in Bewegung übersetzt wird. Auch die Musikerinnen und Musiker sind dabei ins Bühnengeschehen eingebunden, spielen von verschiedenen Orten aus und bewegen sich während des Musizierens oder an den Übergängen. Sie treten in Interaktion mit den Akrobaten und wirken als Darsteller/-innen ebenso überzeugend wie mit ihrem klangintensiven und perfekten Spiel. Nicht nur bei der musikalischen Umsetzung, sondern auch im gesamten szenischen Ablauf für jeden Moment zu wissen, was zu tun ist, erhöht die Präsenz auf der Bühne unglaublich und unterstützt damit wiederum das Hören. In dieser Inszenierung geht der Traum, dass Musiker ihre Musik verkörpern, in Erfüllung. Sensibel und kunstvoll, immer im Sinne der Musik tritt dabei die Artistik an ihre Seite. Und wie im Traum erscheint logisch, was wir sehen und hören, und nichts naheliegender als eine Jonglage zur Bach-Invention.

„backstage music“ des internationalen Ensembles Decoder für aktuelle Musik führt die Zuhörerinnen und Zuhörer in einem Rundgang zu drei Kurzkonzerten. Außerdem gibt es mit „Musique à voir“ live begleitete Animationsfilme, mit „El Concierto“ witzigen musikalischen Slapstick und mit „Taschenpercussion“ eine Klangperformance, bei der das Publikum eine wesentliche Rolle spielt.

Die Frage nach den Altersgruppen

Zusätzlich zu den Angeboten für ein breites Publikum gab es am Sonntag ein Fachtreffen für Professionals, das interessierten Künstlerinnen und Künstlern, Regisseuren und Regisseurinnen Einblicke in die Arbeit anderer Ensembles geben sollte. Im kleinen Kreis wurde mit den Besucherinnen und Besuchern aus Hamburg, dem Umland, aber auch aus Süddeutschland und Finnland über die gesehenen Produktionen diskutiert. Es entstand ein reger Austausch mit den Interpretinnen und Interpreten, die ihrerseits offen für Rückmeldungen waren. So wurde zum Beispiel diskutiert, welche Altersgruppen man mit den jeweiligen Produktionen ansprechen würde und welche Anpassungen für andere Altersgruppen nötig seien. Im Gespräch mit Regisseurinnen, Akteuren und Musikerinnen war zu erfahren, dass die Herangehensweisen in der Entwicklung der Performances unterschiedlich waren. Mal standen eine Geschichte und die Bühnenhandlung am Beginn (wie bei „Brüte!“), und die Musik wurde dazu erfunden. Mal gab es eine Komposition („Trialog“) oder eine Stückauswahl („Somnia“,) und Szene und Handlung wurden danach entwickelt. Im Idealfall entstanden Wechselwirkungen, so dass im Probenprozess zum Beispiel Musik und Akrobatik immer wieder aneinander angepasst werden konnten und auf diese Weise eine größtmögliche Schlüssigkeit erreicht wurde.

Die Interpreten schätzen ihr junges Publikum sehr und hatten es gut im Blick. Gern hätten sie auch im Probenprozess schon Rückmeldungen der jungen Zielgruppe gehabt, um diese noch besser anzusprechen und in der Arbeit vor einem Probenpublikum Wirkungen im Vorfeld ausprobieren zu können. Keine Scheu bestand vor dem Besuch von Schulklassen und Kitagruppen. Im Gegenteil war zu hören, dass die Kinder unter sich, ohne ihre Eltern, als Publikum eine ganz andere, stärkere Energie hätten, die durchaus willkommen war.

Doch auch an den Familientagen herrschte auf Kampnagel eine fröhliche und ausgelassene Stimmung, die dem Motto des „klangfestes“ „musik für kinder: aufregend anders“ entsprach. Waren die Jüngsten schon beeindruckt vom äußeren Rahmen eines Theaterbesuches und verfolgten das Geschehen auf der Bühne überraschend leise und aufmerksam, gab es von den Älteren viele Lacher und Zwischenapplaus.

Auffällig war, dass überwiegend Aufführungen für Kinder, jedoch keine Mitmachkonzerte zu erleben waren. Der Konzentration der Kinder tat das jedoch keinen Abbruch. Und das, obwohl (oder gerade weil?) viele Produktionen ohne Sprache und eindeutige Handlung auskamen. Eine ausgefeilte Licht- und Soundregie kam in allen Stücken zum Tragen, schuf Atmosphäre und erweiterte die klanglichen Variationsmöglichkeiten. Auch durch den Einsatz solcher technischer Mittel waren die Grenzen zwischen durchinszeniertem Konzert und Musiktheater fließend.

Bleibt zu wünschen, dass die alternative Spielstätte auch ein Publikum anzuziehen vermochte, das den Gang ins traditionelle Konzert- oder Schauspielhaus vielleicht nicht so leicht unternimmt. Und dass, wie es sich die Veranstalter als Ergebnis des Austauschs beim Fachtreffen erhoffen, „die Impulse vom Festival in viele Ecken der Kulturlandschaft gestreut werden“. Dass die Produktionen noch auf vielen Bühnen und an vielen Orten ihr Publikum begeistern könnten, steht außer Frage. Sehr wünschenswert ist deshalb auch, dass dieses im deutschsprachigen Raum einzigartige Festival nicht nur bei seinen Besuchern Anerkennung findet, sondern auch von den Kulturverantwortlichen entsprechend wahrgenommen und gefördert wird.

Der Facettenreichtum des „klangfestes“ spiegelt sich auch in den einzelnen Produktionen: oft sind sie wie bei einem Kaleidoskop aus den unterschiedlichsten Musikstücken und Aktionen zusammengesetzt, was ihrer Stimmigkeit nicht schadet. Im Gegenteil, es war zu erleben, was ein intensives und erfüllendes Konzerterlebnis ausmacht: dichte, wohlüberlegte und inszenierte Übergänge, feine und bis ins Detail geprobte Bewegungen und Raumformen, ein Ineinandergreifen von Musik und anderen Künsten mit ständigem wechselseitigem Bezug. Und nicht zuletzt –und besonders wunderbar zu erleben beim Ensemble Resonanz: ein Musizieren, bei dem jeder Ton eine Bedeutung hat, ein roter Faden, der entsteht, weil der Klang niemals abreißt, Musik, die man bei allem, was zusätzlich und gleichwertig zu sehen ist, niemals aus den Ohren verliert.

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