Wer in der neuen musikzeitung die Stellenanzeigen für das Berufsfeld Musikschule verfolgt, wird bemerken, dass es dort zahlreiche Angebote (und somit auch Bedarfe) im Bereich der Grundstufe gibt. Darüber hinaus beinhalten viele Angebote für Kolleg*innen der Instrumental- und Vokalpädagogik das Angebot oder den Wunsch, neben ihrem Instrument auch Zielgruppen der Elementaren Musikpädagogik (EMP) zu unterrichten. Auf der einen Seite ist der Bedarf an qualifiziertem Fachpersonal für die Arbeit in der Musikalischen Früherziehung, mit musikalischen Eltern-Kind-Gruppen oder in Kooperationsprojekten mit Kitas und Grundschulen in der jüngeren Vergangenheit weiter angestiegen und andererseits kämpfen viele Hochschulen damit, ausreichend Interessent*innen für die diversen Bachelor- und Masterangebote im Studienfach EMP zu akquirieren. Dieser Beitrag kümmert sich nun nicht um die Analyse dieses Missverhältnisses, sondern möchte darüber informieren, wo und wie an verschiedenen Stellen dieser Republik bereits versucht wird, professionelle Abhilfe zu leisten.
Qualität sichern und Bedarfe decken
Dabei lohnt ein Blick in die Geschichte: bereits 1972 gab es an der damals neu gegründeten Bundesakademie für musikalische Jugendbildung in Trossingen einen Kurs mit dem Titel „Rhythmik im Elementarbereich“ und nur wenig später schlossen sich dann die ersten berufsbegleitenden Lehrgänge zur Musikalischen Früherziehung/Grundausbildung an, die in Kooperation mit der Hochschule für Musik in Hamburg durchgeführt wurden und die sich über Jahre hinweg durch ein gewisses Alleinstellungsmerkmal ausgezeichnet hatten. So wie sich die Zielgruppen und Aufgabenprofile in der Grundstufe seit damals erweitert haben, änderte sich auch der Titel des Qualifizierungslehrgangs. Heute bietet die Akademie für musikalische Jugendbildung zwei Lehrgänge an, die sich der EMP-Thematik mit unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen widmen: „Musik von Anfang an – Elementare Musik im Praxisfeld“ heißt das von den Professor*innen Almuth Süberkrüb und Thomas Holland-Moritz konzipierte und von Carina Frey (Referentin für musikalische Jugendbildung) geleitete Angebot, dessen sechs Modulphasen auf knapp zwei Jahre verteilt sind. Der zweite, ebenfalls berufsbegleitende Lehrgang (in Kooperation mit der Hochschule für Musik Saar) heißt „Zertifizierung Grundlagen der Elementaren Musik-Praxis (EMP)“ und wurde von der Bundesakademie in enger Abstimmung mit Prof. Ulrike Tiedemann und Prof. Dr. Michael Dartsch konzipiert. Die Leitung hat hier die Stellvertretende Direktorin, Christina Hollmann, inne. Die Schlagworte im Untertitel „Kunst – Pädagogik – Wissenschaft“ lassen eine verstärkt theoretische Beschäftigung mit den Inhalten vermuten; detaillierte Informationen (auch) zu den Unterschieden der beiden Angebote kann man auf der Homepage der Akademie unter www.bundesakademie-trossingen.de nachlesen.
Eine VdM-Initiative
Nach der Jahrtausendwende ergriff der VdM die Initiative und ermutigte seine Landesverbände, weitere Qualifizierungsmöglichkeiten einzurichten. Dies wurde notwendig, da die Absolvent*innenzahlen der Hochschulen weiterhin nicht die wachsenden Bedarfe der Musikschullandschaft abdeckten und allzu oft Kolleg*innen ohne (Zusatz-)Qualifikation Gruppen im Bereich der Elementarstufe unterrichteten. Auch wenn die Arbeits- und Rahmenbedingungen dort rundum positiv waren, wollten oder konnten sich nicht ausreichend viele Instrumental- und Vokalpädagog*innen beispielsweise aus Mecklenburg-Vorpommern oder Schleswig Holstein sechsmal innerhalb von zwei Jahren auf den Weg ins idyllische Trossingen begeben … es brauchte zusätzliche Angebote.
Was seither in Rheinland-Pfalz, Thüringen, Niedersachsen, NRW, Brandenburg/Sachsen-Anhalt und Bayern auf den Weg gebracht wurde, unterscheidet sich zwar bei Details wie Häufigkeit des Angebots, Zielgruppenfokussierung oder Trägerkonstruktion – in der inhaltlichen Orientierung am „Bildungsplan Musik für die Elementarstufe/Grundstufe des VdM“ (2010 bzw. Neuauflage) basieren alle Konzeptionen bzw. Ordnungen jedoch auf einem einheitlichen Fundament. Dies wurde nicht zuletzt bei einem Austausch der inhaltlich verantwortlichen Teams im März 2024 betont, an dem Vertreter*innen aller oben genannten Qualifizierenden Zertifikatslehrgänge (vereinzelt auch Berufsbegleitende Lehrgänge genannt) teilnahmen. Die Weiterbildungsmaßnahmen sind schwerpunktmäßig auf den Gruppenunterricht mit Kindern fokussiert und befähigen die Teilnehmenden, die Lehrgangsinhalte in den Zielgruppen der EMP anzuwenden. Bezogen auf Kooperationsmodelle oder Profilbildungen werden dabei landesspezifische Besonderheiten berücksichtigt.
Rheinland-Pfalz
Die chronologische Betrachtung ergibt, dass das erste Angebot außerhalb der Bundesakademie Trossingen an der Landesmusikakademie in Rheinland-Pfalz aufgelegt wurde. Seit 2006 kooperiert hier die Akademie mit der Hochschule für Musik in Mainz, welche die berufsbegleitende Weiterbildung „Elementare Musikpädagogik“ (Lehrgang mit Abschlussprüfung in 6 Phasen) zertifiziert, in die Durchführung eingebunden und an den Prüfungen beteiligt ist. Seit Beginn wird die Qualifizierungsmaßnahme inhaltlich an den Lehrgang der BAK Trossingen angelehnt. Sie wird geleitet von Christa Schäfer, ehemalige Musikschulleiterin, stellvertretende Direktorin und Dozentin für EMP am Peter-Cornelius Konservatorium und der Hochschule für Musik an der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz. Im Dezember 2023 startete die zehnte Auflage mit 26 Teilnehmer*innen. Die organisatorische Betreuung (ähnlich wie in Trossingen) wird hier von der Akademie geleistet; die inhaltliche Ausrichtung obliegt dem Team aus Hochschullehrer*innen, -dozent*innen und Studiengangsleiter*innen aus vier verschiedenen Bundesländern.
Brandenburg, Sachsen-Anhalt
In den Hochschulgesetzen der Bundesländer finden das Thema Weiterbildung und die dabei erlaubten Kooperationsmöglichkeiten mit außeruniversitären Einrichtungen unterschiedlich klar und umfangreich Erwähnung. In Brandenburg beispielsweise scheint der Gesetzestext im § 25 (4) des Brandeburgischen Hochschulgesetzes (BbgHG) geradezu für das Kooperationsmodell zwischen Hochschule und Landesmusikschulverband (VdMK) formuliert worden zu sein. Dort heißt es: „In begründeten Fällen können die Hochschulen in der wissenschaftlichen Weiterbildung mit geeigneten Einrichtungen außerhalb des Hochschulbereichs kooperieren, wobei die Hochschulen für Studieninhalte und Prüfungen verantwortlich bleiben. Durch einen Kooperationsvertrag, der der für die Hochschulen zuständigen obersten Landesbehörde anzuzeigen ist, können Durchführung und Vermarktung des Weiterbildungsangebots der kooperierenden Einrichtung übertragen werden“.
Das zuständige Ministerium (MWFK) hat hier eindeutig geregelt, dass die Hochschule bei solchen Kooperationsmodellen für Inhalte und Prüfungen verantwortlich ist, dass dies in einer Kooperationsvereinbarung festgehalten und diese dann dem Ministerium angezeigt werden muss. Genau dies haben der brandenburgische Verband der Musik- und Kunstschulen sowie die Universität Potsdam getan und nach Vorlage der Kooperationsvereinbarung und einer Ordnung – bestehend aus den Rahmenbedingungen, den Inhalten und Prüfungsmodalitäten – eine uneingeschränkte Befürwortung durch die Landesbehörde erhalten. Diese Grundlagen sind vor allem auch dann wichtig, wenn Ministerien Fördergelder von den Qualifikationen der beschäftigten Mitarbeiter*innen abhängig machen und hier zum Beispiel eine Anerkennung des qualifizierenden Zertifikats explizit ausgesprochen wurde. Um die inhaltliche Ausgestaltung hat der VdMK im Jahr 2019 die beiden Hochschullehrer Werner Beidinger (Uni Potsdam, Autor dieses Beitrags) und Enno Granas (UdK Berlin) gebeten, die den Lehrgang seitdem gemeinsam mit drei weiteren Kolleg*innen verantworten. Im November 2024 beginnt die inzwischen dritte Auflage; die 6 Module finden an den Musikakademien im Kloster Michaelstein (Sachsen-Anhalt) und in Rheinsberg (Brandenburg) statt, das Orientierungsmodul (14.–16.11.2024) an der Universität Potsdam.
Nordrhein-Westfalen
Auch an der Landesmusikakademie NRW in Heek-Nienborg gibt es seit 2019 einen solchen „qualifizierenden Lehrgang EMP für Instrumental- und Vokal-Pädagog*innen“ in Kooperation mit dem VdM, dem LVdM NRW und der Hochschule für Musik und Tanz Köln (Standort Wuppertal) sowie in enger Abstimmung mit der Bundesakademie für musikalische Jugendbildung in Trossingen und finanziert durch das Ministerium für Kultur und Wissenschaft (MKW) in Nordrhein Westfalen.
Für die inhaltliche Ausgestaltung und das Fach Didaktik und Methodik der EMP ist die Hochschulprofessorin Sarah Semke verantwortlich; darüber hinaus kommen neun weitere Hochschulkolleg*innen und Expert*innen zu einzelnen Themengebieten zum Einsatz. Mit maximal 25 Teilnehmer*innen startet dieser Lehrgang im Oktober 2024 zum vierten Mal. Die sieben zum Teil viertägigen Wochenendphasen in Heek sowie vier zusätzliche Samstage mit besonderen Schwerpunkten wie Inklusion, Improvisation oder Instrumentenkunde erstrecken sich in der Regel über ein bis anderthalb Jahre.
In NRW ist eine Teilnahme am Lehrgang nur möglich in Verbindung mit einer Musikschule, die begleitend ein intensives Mentoring mit erfahrenen EMP-Fachkräften garantiert. Das im Laufe der Zeit entstandene Mentor*innen-Netzwerk wächst beständig und ist ein zusätzlicher Baustein, um Berufs-Einsteiger*innen qualifiziert auf ihre Arbeit in der elementaren Musikpraxis vorzubereiten.
Bayern, Niedersachsen
Bayern ist ein bevölkerungs- und auch kunsthochschulreiches Land. Auch die EMP-Verantwortlichen der drei Hochschulen in München, Nürnberg und Würzburg sowie dem Leopold Mozart College of Music an der Universität Augsburg waren sich schnell darüber einig, dass es einer Zertifizierungsmöglichkeit für die „Elementare Musikpraxis für vier- bis achtjährige Kinder“ (so der Untertitel des Lehrgangs) zusätzlich zu den Studienangeboten der Hochschulen bedarf. Die Professorinnen Doris Hamann und Daniela Hasenhündl wurden mit der Leitung beauftragt und die organisatorische Begleitung übernahm auch hier der Verband Bayerischer Sing- und Musikschulen. Einen gravierenden Unterschied zu den rechtlichen Rahmenbedingungen in Brandenburg – so berichteten die bayerischen Kolleginnen im März – stellt im Freistaat aktuell das neue Bayerische Hochschulinnovationsgesetz dar. Hier regelt Artikel 78 das Thema „Weiterbildung“ neu, sodass die Hauptverantwortung bei hochschulzertifizierten Weiterbildungen nicht mehr beim Landesverban,d sondern an einer Hochschule liegen muss. Die Anpassungen der rechtlichen Vorgaben stehen demnach noch auf der Tagesordnung von Lehrgangsleitung und hauptverantwortlicher Hochschule. Der Lehrgang findet an der Bayerischen Musikakademie in Hammelburg statt und hat die Besonderheit, dass es vergleichsweise mehr, aber kürzere Module gibt, die immer an Wochenenden stattfinden.
„Spiel mit Musik! Elementare Musikalische Bildung für Kinder von 3–8 Jahren“ lautet der Titel des berufsbegleitenden Lehrgangs in Niedersachsen, der von der Bundesakademie für kulturelle Bildung Wolfenbüttel und der Landesmusikakademie Niedersachsen in Wolfenbüttel angeboten wird. Die Hochschulprofessorinnen Jule Greiner und Elisa Läubin tragen die inhaltliche Verantwortung und laden jeweils mehrere Gastdozent*innen zu unterschiedlichen Schwerpunktthemen ein. Der erste Lehrgang von 2020 bis 2022 wurde in Kooperation mit der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover, der Bundesakademie, Landesmusikakademie, dem Landesverband niedersächsischer Musikschulen und dem VdM durchgeführt. Ein nächstes Orientierungsmodul ist für November 2024 geplant, 2025 soll ein weiterer Berufsbegleitender Lehrgang in Wolfenbüttel durchgeführt werden.
Thüringen
Schließlich bietet auch die Landesmusikakademie in Sondershausen (Thüringen) einen berufsbegleitenden Zertifikatslehrgang in EMP an, der zuletzt im März 2023 begann und sich somit aktuell „mittendrin“ befindet. Verantwortlich für Inhalt und Koordination ist Dr. Kitty Schmidt-Hiller, die Zertifizierung obliegt der Hochschule für Musik Franz Liszt in Weimar. Genau wie bei allen anderen genannten Weiterbildungen gibt es am Ende eine Prüfung, zu der man sich bei einzelnen Programmen noch einmal zusätzlich anmelden muss. Dies ermöglicht die Teilnahme an den einzelnen Modulen auch für diejenigen, die sich keiner Prüfung unterziehen möchten und anstelle des Zertifikats dann eine Teilnahmebescheinigung erhalten. Neben einer pädagogisch-praktischen Prüfung (meist wird hier die Einreichung eines Unterrichtsvideos verlangt) absolvieren die Teilnehmer*innen einzelner Lehrgänge auch eine künstlerisch-praktische Präsentation, die alleine oder in Kleingruppen erarbeitet werden kann.
Hier sollen beziehungsweise können neben den EMP-spezifischen Ausdrucksmedien Stimme, Bewegung/Tanz und elementares Instrumentarium auch die Erfahrungen auf den individuellen Hauptinstrumenten einfließen. Verbindlicher Prüfungsteil bei allen Lehrgängen ist die Teilnahme an einem Prüfungskolloquium, bei dem neben inhaltlichen Aspekten aus dem Prüfungsvideo auch andere Themenbereiche aus den Akademiephasen erörtert werden. In den sogenannten Praxisphasen zwischen den gemeinsamen Treffen (vier- bis sechstägige Module) erledigen die Teilnehmer*innen schriftliche Hausaufgaben, deren fachgerechte Ausführung genauso Voraussetzung für die Zulassung zur Prüfung sind wie die aktive Teilnahme an allen Akademiephasen. Eine weitere Verpflichtung ist die kontinuierliche Anwendung der Lehrgangsinhalte in mindestens einer EMP-spezifischen Zielgruppe, spätestens nach dem ersten Lehrgangshalbjahr.
Die Grundstufe unserer Musikschulen wird in der Zukunft einen weiterhin großen Bedarf an qualifizierten Kolleg*innen für die Arbeit mit Zielgruppen der EMP haben und braucht zur qualitätsvollen Deckung dieser Bedarfe die Bereitschaft von Instrumental- und Vokalpädagog*innen, in diesem Bereich eine Zusatzqualifikation zu absolvieren. Die Teilnahme an einem Orientierungsmodul kann die Entscheidung erleichtern, ob man die intensive Beschäftigung mit neuen Inhalten, Zielgruppen und Lehrformen als persönliche Bereicherung wahrnimmt. Der Input im Rahmen eines qualifizierenden Zertifikatslehrgangs Elementare Musikpädagogik stellt eine spannende und durchaus komplexe Durchdringung wissenschaftlicher, künstlerischer und pädagogischer Implikationen dar, mit dem Ziel, für eine prozessorientierte Anleitung vier- bis achtjähriger Vor- und Grundschulkinder, aber auch von Eltern-Kind-Gruppen oder (je nach Neigung und lokalem Angebot) von Senioren oder altersgemischten Settings, gerüstet zu sein.
Dieses Plädoyer richtet sich an die/den einzelne(n) Kolleg*in genauso wie an Fachbereichs- und Schulleitungen, die geeignete Persönlichkeiten aus dem Lehrkörper direkt ansprechen möchten. Wird ein Interesse signalisiert, sollte man sich als profitierende Einrichtung ggf. auch um Fördermöglichkeiten für die/den Kandidat*in bemühen. Teilnehmer*innen investieren Zeit und Engagement, sodass Schulträger, Fördervereine, Arbeitsagenturen oder weitere bundesland-spezifische Förderprogramme von Bildungsmaßnahmen geprüft und zur Unterstützung der Musikschullehrkräfte herangezogen werden sollten. Bei weiteren Fragen kann man sich an die zuständigen Akademien oder Landesverbände wenden und auch die im Artikel benannten Kursleiter*innen beantworten bestimmt gerne eine E-Mail mit Fragen zu den einzelnen Angeboten.
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