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Studierende der Robert-Schumann-Hochschule gestalteten eine Methodik-Performance · Von Monika Tschurl

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Wer sich am 20. Oktober 2007 zum „Tag der offenen Tür“ anlässlich des 20-jährigen Bestehens in der Robert-Schumann-Hochschule Düsseldorf einfand, durch die Gänge wandelte und hie und da eine Tür öffnete, konnte Professoren und Studierenden bei ihrer künstlerischen Arbeit über die Schulter schauen. Außergewöhnliches erwartete die zahlreichen Besucher auch hinter der Tür zu Raum 53:

Sechs Klavierpädagogik-Studierende, ihre Schülerinnen und Schüler und ihre Professorin Monika Twelsiek hatten sich auf eine zweistündige Klaviermethodik-Revue vorbereitet. Sie präsentierten sieben „Short Cuts“: kurze Unterrichtseinheiten, die jeweils verschiedene Aspekte der Neuentwicklung in der Klaviermethodik fokussierten. Ein mutiges Unterfangen, sind doch Lernprozesse oft langsam, manchmal über längere Zeit verborgen oder machen unberechenbare Sprünge – „Sternstunden sind letztlich nicht planbar,“ formulierte Monika Twelsiek. Der Nachmittag entwickelte sich nichtsdestoweniger zu einem sehr anregenden Erlebnis mit vielen Facetten.

Den Auftakt gestaltete die Professorin mit einem Kinder-Klavierduo (Alter: sieben und neun Jahre) selbst: Am Beispiel einer Polka von Michail Glinka wurde erlebbar, wie durch einfache doch gewitzte Mittel das musikalische Material variiert werden kann, so dass die Schülerinnen sich eine größere Ausdrucksvielfalt zu eigen machen konnten: Durch oktaviertes Pianospiel entstand ein Puppentanz, die Übertragung der Melodie auf die schwarzen Tasten bei gleich bleibendem Rhythmus ließ eine bezaubernd anmutige „Chinolka“ entstehen. Sichtlich viel Spielfreude machte den Kindern auch die Variation „Zirkuspolka“, deren spezielle Klangeffekte durch auf die Saiten gelegte Papierblätter entstanden. In Serge Ljachowitzkois „Der Mond scheint“ half der Text als wahres „Zaubermittel“ bei der Gestaltung einer fulminanten Accelerando-Agogik. Die Arbeit an „Der Kuckuck“ (op. 34, Nr. 2) von Anton Arensky wurde durch eine Vogelstimmenimprovisation an zwei Klavieren (verstärkt durch Studierende) eingeleitet, bei der ostinate Muster sich mit freien Klangspielereien aus Terzen, Trillern und Fünftonfiguren verknüpften.

Außermusikalische Anregungen

Im zweiten Akt vertonte Tobias Mayer mit jungen Schülern den Text „Im Spukschloss“ von Britta Rapp. Die Darstellung außermusikalischer Vorgänge bietet reichlich Spiel- und Lerninhalte: das Explorieren von verschiedenen Klängen (Cluster, Tritoni, lydische oder andere Tongeschlechter, Glissandi) und deren Ausdrucksgehalten, rhythmische Erfahrungen (Fingertrommeln, Klopfen. Zungenschnalzen) und elementare Bewegungsabläufe (Glockentöne mit freiem Armschwung) im Konkreten. Aber auch eher Allgemeines, wie das Gefühl für Struktur und Dramatik einer musikalischen Performance sind auf diese Weise entwickelbar.

Mit ähnlichen klanglichen Mitteln arbeitete Katharina Lehmann bei ihrer Klangmalerei „Nebelklänge“. Als außermusikalische Anregung diente hier die Kombination einer grafischen Notation und einer Zeichnung. Besonders schön ist die didaktische Ausbauidee, ein Notations-Memory zu erstellen, bei dem die Schülerin den „Umkehrweg“, also vom Klangbild zur grafischen Notation, selbst finden musste.

Auch im vierten und fünften Stundenbild nahmen die Studentinnen Anne-Kathrin Brehl und Alina Zielke die assoziative Kraft von Bildern und grafischen Notationen zu Hilfe. Frau Brehls „Klangmaschinenstunde“ stand mit ihrer motorischen Unerbittlichkeit in scharfem Gegensatz zu den vorangegangenen Nebelklängen.

Drei Maschinen arbeiteten hier gleichzeitig: die Klangmaschine der vier Studierenden, die sich an genau vorgegebene Ostinati hielt, die Maschine der vier Schüler, die ihre Spielmuster aus einer grafischen Notation entwickelt hatten, und die Maschine des Publikums, das seine Sprechrhythmen mit großem Spaß vor Ort erlernte. Nun konnte die „Maschinistin“ die einzelnen Klangmaschinen in beliebiger Reihenfolge an und ausschalten und somit crescendi und decrescendi kreieren, oder auch einen abrupten Stromausfall inszenieren. Auf der Hand liegt, wie gut hiermit das Gefühl für Rhythmus und Metrum stabilisiert wird.

Zugänge zu Neuer Musik

Alina Zielke zeigte am Beispiel des Stückes „Der Maulwurf“ von Ulrike Wohlwender und Claudia Ehrenpreis Möglichkeiten, Kindern den Zugang zu Neuer Musik zu erleichtern. Angeregt durch ein Bild wurden zunächst typische Eigenschaften und Verhaltensweisen des Maulwurfs verklanglicht: So tastete sich der Schüler blind übers Klavier, wühlte mit Clustern, arbeitete sich vom Dunkel der tiefen Töne ins helle Licht der hohen Lage und genoss das Licht in einer freien Improvisation im obersten Register. Nach einer Darstellung der Idee des Stückes in freier Improvisation war nun der Weg für die eigentliche Komposition gebahnt.

Der sechste „Short Cut“ stand exemplarisch für die Arbeit mit Erwachsenen, einer immer größer und bedeutender werdenden Zielgruppe. Margarita Ugrinova zeigte in einem von fast meditativer Versunkenheit geprägten Unterrichtsausschnitt, wie erstaunlich viel schon eine Anfängerin auditiv, improvisierend oder auch einfach imitierend lernen kann und welch tiefe Beglückung sie dadurch erfährt.

Körperbewegungen in Rhythmen verwandeln

Mit „Rhythm is it!“ rundete Anni Saedler die Veranstaltung ab. Über Body-Percussion und Sprachlaute erlernten ihre zwei Schülerinnen die typischen Habanera- und Milonga-Rhythmen und bewegten sich im Raum „wie stolze Spanierinnen“ zu Musikbeispielen von CD, bevor sie die Arbeit am Tango von Mátyás Seiber aufnahmen. Entgegen der althergebrachten Methode, Rhythmus von seiner rein mathematischen Seite, also über das Zählen, zu vermitteln, wurde hier eindrucksvoll deutlich, mit welcher Leichtigkeit Rhythmen über die Körperbewegung gelernt werden können.

Ein Nachmittag voll guter Gedankenanstöße, selbst für erfahrene Pädagogen – ist es doch immer wieder wohltuend, die gewohnten Methoden zu hinterfragen oder zu erweitern. Insgesamt gelang es Prof. Twelsiek und ihren Studierenden, einem interessierten Publikum die Bedeutung reflektierter und kreativer Zugänge zur Musik in der Instrumentaldidaktik auf anschauliche Weise nahe zu bringen. Eine Dokumentation zum Mitnehmen mit anregenden Literatur-Empfehlungen (siehe unten) regten zum Nachahmen und Weiterdenken an.

Literaturanregungen

  • Seraina Janett/Dieter Hool: Tastissimo. Ideen, Spiele, Anregungen für jeden Klavierunterricht – Einzeln oder in Gruppen (Edition Nepomuk)
  • Herbert Wiedemann/Detlef Pauligk: Improvisatorische Spiele mit Kabalewski & Co (Bosse)
  • Matthias Schwabe: Schluckauf oder wie die Heuschrecke Klavierspielen lernte (Bärenreiter); Wenn der Wasserhahn erzählt (Bärenreiter)
  • Hans-Günther Heumann: Aktionsbuch I, II, III (Schott)
  • Barbara Metzger/Elke Häublein/Andreas Pöppel: Rhythmisch fit – mach mit! (Edition Conbrio)
  • Manfred Schmitz: Spielwiese – Verändern, Erfinden, Improvisieren im Klavierunterricht von Anfang an (DVfM)
  • Luis Zett: Der Komponier-Baukasten (Hug)
  • Herbert Wiedemann: Meditatives Klavierspiel – Horchen, Spielen, Improvisieren (Edition Nepomuk)
  • Francis Schneider: In Tönen reden Oder: Du kannst viel mehr als bloß nach Noten spielen (HBS Nepomuk)
  • Michael Vetter: Pianissimo – Improvisieren am Klavier – Eine Rezeptsammlung (Atlantis –Schott)
  • Peter Roggenkamp: www.pianopianissimo.com (Universal Edition)

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