Treffpunkt Newcastle hieß es Mitte Februar für die „Körber Masterclass on Music Education“. Sieben Stipendiaten der aktuellen zweiten Meisterklasse für Musikvermittlung erhalten in eineinhalb Jahren Einblicke in Education-Projekte. Die Körber-Stiftung aus Hamburg lädt junge Musikvermittler, die sich in einem Bewerbungsprozess durchsetzen konnten, zu Besuchen in Konzertinstitutionen in Europa ein. Auf dem Reiseplan stehen etwa die Philharmonie Luxembourg, das Gewandhaus in Leipzig und nun im Februar „The Sage Gateshead“ in Newcastle.
Zu den Schwerpunkten der Körber-Stiftung gehören unter anderem Internationale Politik, Bildung und Kultur. Kai-Michael Hartig, Leiter des Kulturbereichs der Stiftung, initiierte die Masterclass. Die häufig bang gestellte Frage, wer die Hörer von morgen sind, formuliert er noch eindringlicher: „Was droht unserer Gesellschaft, wenn wir nichts unternehmen und die musikalische Bildung künftig den Casting-Shows überlassen?“ Die Masterclass setzt sich deshalb zum Ziel, herausragende Talente unter jungen Musikvermittlern zu suchen und gezielt zu fördern. Begleitet wird die Masterclass von einem Fachbeirat, der das Programm mitgestaltet und bei der Auswahl der Stipendiaten beteiligt ist. Die Mitglieder des Fachbeirats Cons-tanze Wimmer, Leiterin des Studiengangs Musikvermittlung an der Anton-Bruckner-Privatuniversität Linz, Dieter Rexroth, unter anderem künstlerischer Leiter young.euro.classic und die Journalistin und Moderatorin Andrea Thilo begleiten die jungen Stipendiaten während der Zeit als Mentoren.
Kulturelles Zentrum
Das Konzerthaus „The Sage Gateshead“, das in diesem Jahr bereits sein zehnjähriges Jubiläum feiert, entstand nach Plänen von Foster + Partner am Ufer des Tyne in Newcastle. Zu einem Zeitpunkt, an dem es der Industrie vor Ort immer schlechter ging, entschloss man sich, auf der traditionell ärmeren Seite des Flusses ein Konzerthaus und Veranstaltungszentrum als kulturellen Mittelpunkt für eine ganze Region zu errichten. Finanziert wurde es hauptsächlich von der größten Lottoagentur Großbritanniens „National Lottery grants“, zu den Gönnern und in diesem Fall auch Namensgebern gehört allen voran The Sage Group. In dem futuristischen Gebäude befinden sich im oberen Geschoss drei Säle unterschiedlicher Größe und im Untergeschoss ein Unterrichts- und Übebereich, wo Kurse, Gruppen- und Einzelunterricht stattfinden. Dazwischen dient ein großzügiges Foyer mit Café und einer Bar als zentraler Anlaufpunkt. Musikalisch ist man offen für nahezu alle Bereiche: Jazz, Klassik, Traditional/Folk Music, Brassbands. Die offene Architektur verbindet durch zentral im Gebäude liegende Treppen alle Ebenen miteinander und über allem spannt sich ein gewölbtes Dach. Trotz seiner imposanten Architektur haben es die Planer unter Sir Norman Foster verstanden, einen einladenden und nicht einschüchternden Bau zu gestalten, der ganztägig für die Bevölkerung offensteht. Wie wichtig diese angenehme und doch auch so funktionale Bauweise ist, versteht, wer sich näher mit der Philosophie des Hauses beschäftigt. So möchte The Sage Gateshead, das von dem „North Music Trust“ betrieben wird, nicht nur ein Konzerthaus sein, sondern auch ein Anlaufpunkt für musizierende Kinder, Jugendliche und auch Erwachsene. Ein wichtiges Anliegen, da es in Großbritannien keine Musikschulen gibt. Doch das Engagement der Menschen hinter The Sage Gateshead endet nicht am Ufer des Tyne – die Musikpädagogen gehen in Schulen vor Ort, es gibt Projekte, in denen Kindern Instrumente zur Verfügung gestellt werden, auch Chöre und Orchester entstanden in den letzten Jahren. Die Musiker erhalten von dem Konzerthaus jeweils Verträge über ein Jahr, zu denen auch Sozialversicherungen gehören. Rund 70 Prozent dieses „Join in and Make Music“-Programms finden außerhalb des Konzerthauses statt, es umfasst die gesamte „Northern Region“ mit insgesamt rund 2.600 Quadratkilometern.
Zu den engagierten Teilnehmern der Masterclass zählen Cornelia Stank und Lea Fink. Beide sind begeistert von den Anregungen, die ihnen die Einblicke in die Konzerthäuser bieten. Katherine Zeserson, die Leiterin des Bereichs Pädagogik und Musikvermittlung, führte die Teilnehmer drei Tage durch ein anspruchsvolles Seminarprogramm. Während die Vormittage ganz im Zeichen des Austauschs mit Persönlichkeiten des britischen Kulturbetriebs standen, erfolgte am Nachmittag das aktive Auseinandersetzen mit den eigenen Möglichkeiten begleitet von Improvisationsspielen und gruppendynamischen Aktivitäten. Zwei Konzertbesuche rundeten das Programm ab. Lea Fink, stellvertretende Musikvermittlerin am Gewandhaus in Leipzig, beschreibt ihre Eindrücke: „Inspirierend ist die Arbeit am Sage besonders in dem Punkt, die Menschen dort abzuholen, wo sie sind. In Newcastle ist das mit einer großen Natürlichkeit gelungen. Sicherlich war die Ausgangslage dort günstig für ein Projekt dieser Art.“ Für ihre tägliche Arbeit nimmt sie als Anregung mit, wie wichtig die offene und regelmäßige Kommunikation ist. „Gerade zwischen dem künstlerischen und administrativen Teil einer Einrichtung findet manchmal gar keine Kommunikation statt, beziehungsweise erst, wenn es zu spät ist und es Probleme gibt“, schildert sie ihre Erfahrungen.
Masterclass-Teilnehmerin Cornelia Stank ist Musikvermittlerin und Konzertpädagogin am Festspielhaus Baden-Baden. Sie ist ausgebildete Cellis-tin und studierte Musikvermittlung/Musikmanagement an der Hochschule in Detmold. Cornelia Stank möchte ihre Begeisterung für Musik weitergeben und den musikalischen Keim, den ihrer Meinung nach jeder Mensch in sich trägt, gemeinsam mit den Menschen entdecken und liebevoll pflegen. „Außerdem fasziniert mich die Vielfalt der Gestaltungsmöglichkeiten in diesem Bereich und die Möglichkeit der kreativen Beschäftigung mit Musik“, fasst sie ihre Motivation zur Musikvermittlung zusammen. Aus den Tagen in Newcastle nimmt sie einiges mit nach Deutschland: „Die praktischen Tipps, wie ich meine Veränderungswünsche in die Tat umsetzen kann, fand ich sehr hilfreich und inspirierend. Es hat mir außerdem gezeigt, was im Bereich der Musikvermittlung möglich sein kann. Diese Anregung nehme ich gerne auf und versuche, positive Aspekte auf meine Arbeit in Deutschland zu übertragen.“ Die Gespräche mit dem General Director des Konzerthauses Anthony Sargent und dem Managing Director des populären Radios „Classic FM“ Darren Henley eröffneten den Beteiligten darüber hinaus Einblicke in das kulturelle Leben und Arbeiten in Großbritannien. Darren Henley entwickelte im Auftrag der britischen Regierung einen nationalen Plan für die musikalische Bildung Großbritanniens. Im Austausch mit ihm entstanden sogenannte Elevator Pitches, das heißt die Masterclass-Teilnehmer überlegten sich, welche Idee, welches Projekt sie einem Politiker innerhalb einer kurzen gemeinsamen Fahrt im Aufzug nahebringen würden.
Großes Entwicklungspotenzial
Der Einblick in die Masterclass und die Reflektionen der Stipendiaten über ihren Arbeitsalltag machen deutlich, wie wichtig eine aktive Auseinandersetzung mit diesem immer noch relativ neuen Arbeitsfeld Musikvermittlung ist. Hier kann die Körber-Stiftung sicher gute Impulse geben – sowohl in Richtung der angehenden Musikvermittler als auch in Richtung deutscher Konzerthäuser. Cornelia Stank bringt es auf den Punkt: „Die Musikvermittlung ist aus der Musiklandschaft in Deutschland nicht mehr wegzudenken. Ich würde mir wünschen, dass noch mehr Wert auf gute Musikvermittlung gelegt wird und dass allgemein die Wahrnehmung für die Chancen und Möglichkeiten, die qualitativ hochwertige Musikvermittlung in sich birgt, mehr wertgeschätzt werden.“ Auch Lea Fink hat ihre Erfahrungen schon gemacht: „Manche sehr traditionsreichen Häuser spüren noch nicht den Drang, sich für neue Ideen zu öffnen, wie beispielsweise Kulturträger in ländlichen oder wirtschaftlich und sozial schwächeren Gebieten. Etabliert hat sich in Deutschland vor allem eine Musikvermittlung, die primär Kinder und Jugendliche anspricht. Da sehe ich noch großes Entwicklungspotenzial. Mehr Akzeptanz müssen wir uns durch überzeugende Arbeit selbst schaffen.“
Zum dritten Mal schreibt die Körber-Stiftung im Frühjahr 2014 die Masterclass on Music Education aus. Das Auswahlverfahren findet am 13. und 14. September statt, die Serie von jeweils zwei- bis dreitägigen Seminaren innerhalb von 18 Monaten beginnt im Herbst 2014. Bewerbungsunterlagen: www.koerber-stiftung.de/kultur/koerber-masterclass-on-music-education