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Kritische Gedanken zur Wettbewerbsliteratur bei „Jugend musiziert“
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Der Wettbewerb „Jugend musiziert“ bedeutet nicht nur für die Teilnehmenden eine Herausforderung, auch die Lehrkräfte werden vor verantwortungsvolle Aufgaben gestellt. Ein besonderes Augenmerk sollte dabei der Literaturwahl gelten, und vielfältige Aspekte sind abzuwägen: Welche Stücke passen in das pädagogische Konzept? Womit sind die jungen Musikerinnen und Musiker für den Wettbewerb zu begeistern und zum Üben zu motivieren? Wie lassen sich die vorgesehenen Werke mit der Ausschreibung vereinbaren?

Die Organisatoren des Wettbewerbs sehen sich immer wieder mit den Problemen „falscher“ oder „ungünstiger“ Vortragsprogramme konfrontiert: unzureichende, gar auch unrichtige Werk­angaben, fehlender langsamer Satz, mangelhafte stilistische Vielfalt… Teilweise kommen Einwände und Klagen von den Jurys, da nicht gleich jede Unzulänglichkeit auf dem Papier der Anmeldung erkennbar ist, sondern sich erst im Erlebnis des Gehörten offenbart.

Beispielsweise dürfen für die richtige Epochenzuordnung eines Stückes die Lebensdaten eines Komponisten in manchen Fällen lediglich als ungefähre Richtschnur dienen, entscheidend kann letztlich nur die Musik selbst sein, möglicherweise ist erst der Kontext eines ganzen Wettbewerbsprogramms aussagekräftig über mehr oder weniger markante Stilkontraste.

Trotz der ergänzenden Kommentare wird bei dem Begriff „langsamer Satz“ die Absicht der Ausschreibung nicht selten verkannt oder missachtet. Ganz abgesehen von einem nicht akzeptablen wenigtaktigen „Einleitungsalibi“: Mag auch ein mit „Allegretto“ überschriebenes Stück die langsamste Tempoangabe in einem Gesamtprogramm darstellen, mag es auch übergemächlich interpretiert werden, den Sinn der Erwartung kann es dennoch nicht erfüllen, wenn ihm im Vortrag die gefühlsbetonte, lyrische Aussage fehlt.

Ursache für uneinheitliche beziehungsweise auch fehlerhafte Angaben ist oft die Verwendung uralter Ausgaben oder von (teils regional geprägten) Schulen und Sammelbänden. Als Folge ergibt sich dann zum Beispiel leider, dass in einem Programmheft ein und dasselbe Stück mit unterschiedlichen, auch verschiedensprachigen, Titeln erscheint. Darüber hinaus wird häufig in den Bezeichnungen wenig differenziert und kenntlich gemacht, was als übergeordneter Name für einen Zyklus/eine Sammlung gilt und welcher Titel eine Einzelnummer daraus darstellt. Wünschenswert wäre, beide Informationen verständlich zu vermitteln.

Verschiedentlich korrigieren neuere Forschungsergebnisse überlieferte Meinungen und schreiben bestimmte Werke anderen Komponisten/Zeitgenossen zu. Es sollte für Pädagogen eine Selbstverständlichkeit sein, sich diesbezüglich auf aktuellem Kenntnisstand zu halten. Die Wahrnehmung von Urtextausgaben – bestimmte Verlage investieren verstärkt in solche Forschungsarbeit – kann für viele dieser Belange hilfreiche Orientierung bieten. All diese Recherchen nach Original und korrekten Details darf man nicht den organisierenden Gremien auf Regional-, Landes- und Bundes-ebene, die ohnehin unter dem Druck einer komplexen Wettbewerbsvorbereitung stehen, zumuten, sondern müssen in Eigenverantwortung geleistet werden.

In der über fünfzigjährigen Entwicklung hat „Jugend musiziert“ ein kontinuierliches Wachstum erlebt, unter anderem infolge einer stetigen Zunahme an Instrumenten und Ensemblekombinationen. Da die Kategorien nicht in gleicher Weise musikgeschichtliche Präsenz und ausgewogene Bedeutung haben und deshalb vereinzelt nicht in ausreichendem Maß Spielmaterial verfügbar ist, war es unerlässlich, in der Ausschreibung dieser Erkennntis Rechnung zu tragen und „instrumentengerechte“ (!) Bearbeitungen zuzulassen. Doch werden bedauerlicherweise solche Freiräume auch ungeschickt und ungebührlich ausgenutzt. Natürlich sei, um nur ein Beispiel anzuführen, den Saxophonisten die Begegnung mit dem barocken Duktus gerne gegönnt. Aber muss man auf dem Klavier unbedingt ein „Andante“ von Haydn vorführen, das sich als Fragment aus der Paukenschlagsymphonie entpuppt?

Gerade in der Klavierliteratur findet man aus allen Epochen in vielen Schwierigkeitsgraden reichhaltige und lohnenswerte Angebote; namhafte Komponisten mit beachtlichen Vertonungen dagegen führen ein Schattendasein. Hier sollte der Text der Ausschreibung („Grundsätzlich ist Originalliteratur erwünscht“) nicht als Empfehlung, sondern als Forderung aufgefasst werden. Was im vergangenen Wettbewerb merklich bei der Kategorie Klavier solo aufgefallen und zu beanstanden war, gilt in mehr oder weniger begründbarer Weise auch für andere Instrumente und Kammermusikbesetzungen.

Selbstverständlich sei den Kindern und Jugendlichen nicht verwehrt, auf ihrem Instrument oder im Ensemble zwischendurch Themen aus bekannten Werken vergangener Epochen oder aktuelle beliebte Melodien aus Film- und Popmusik zu erproben; fraglich ist allerdings oft die Qualität der Arrangements und fragwürdig ist der erzieherische Effekt im Zusammenhang mit einem Wettbewerbsvortrag. In positiven Fällen sollte man übrigens weder die Tatsache der Bearbeitung verheimlichen, noch den guten Arrangeur im Programm unterschlagen.

Diese Auflistung an Mängeln und Problemen bezüglich der Werkwahl und Detailangaben soll indes nicht den Eindruck erwecken, als läge vieles im Argen, im Gegenteil: Ein großer Prozentsatz der Programme zeugt von zuverlässiger und hoher pädagogischer Verantwortung. Der Wettbewerb „Jugend musiziert“ wird von vielen mit sorgsamem Interesse (und vereinzelt berechtigt kritisch) beobachtet; so gilt auch die vergleichende Aufmerksamkeit der Vorspielliteratur. Dabei sollten sich die zahlreichen Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die mit gutem Beispiel vorangehen, in ihrem vorbildlichen Bemühen bestätigt und bestärkt fühlen können. Wo die Organisatoren (und Jurys), die auf die einheitliche Einhaltung der Richtlinien zu achten haben, sich mit Reklamationen melden (müssen), sollte man sich den Einwänden und Ratschlägen nicht verschließen.
Die Teilnahmebedingungen des Wettbewerbs besagen ausdrücklich: „Die Teilnehmenden sind für die Einhaltung der Ausschreibungsbedingungen, insbesondere die Zusammenstellung des Wertungsprogramms, selbst verantwortlich.“ Diese Verantwortung können die wenigsten Jugendlichen alleine tragen, sie sind auf die Beratung von fachlich kompetenter Seite angewiesen.

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