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Weg von der Pralinenschachtel-Mentalität

Untertitel
Peter Feuchtwanger über Klavierrepertoire, Alexandertechnik und Fingersätze
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„Viele angehende Pianisten haben wenig Ahnung von den richtigen Bewegungen. Natürlich brauchen wir Spannung zum Klavierspiel; doch gerade deswegen dürfen wir nicht verspannt sein. Man muss sich immer wieder darüber klar werden, ob eine Bewegung organisch mit dem Uhrzeiger oder gegen den Uhrzeiger verläuft. Um Verspannungen abzubauen, arbeite ich ähnlich wie Alexander. Die Alexander- und die Feldenkraismethoden sind für einen Pianisten äußerst wichtig.

Ein Gespräch mit Peter Feuchtwanger, dem universal gebildeten, feinsinnigen Pianisten, Pädagogen, Komponisten, Belcantoforscher, Maler und Experten der indischen Musik, beleuchtet fast zwangsläufig einen weiten Rahmen an Erfahrungen und Erkenntnissen. Daraus seien hier einige wenige, für sein Denken und seine Arbeitsweise symptomatische Kriterien gefiltert. „Viele angehende Pianisten haben wenig Ahnung von den richtigen Bewegungen. Natürlich brauchen wir Spannung zum Klavierspiel; doch gerade deswegen dürfen wir nicht verspannt sein. Man muss sich immer wieder darüber klar werden, ob eine Bewegung organisch mit dem Uhrzeiger oder gegen den Uhrzeiger verläuft. Um Verspannungen abzubauen, arbeite ich ähnlich wie Alexander. Die Alexander- und die Feldenkraismethoden sind für einen Pianisten äußerst wichtig. Man muss herausfinden, welche Hilfsmöglichkeiten den jeweiligen Bedürfnissen entsprechen. Dann spielen die Leute heute alle zu laut; sie haben keine Ahnung, wie man ein schönes Fortissimo erzeugt. Dafür braucht man keine Kraft; das ist eine Sache der Geschwindigkeit, des Schleuderns, des Wiederstands und des sofortigen Lösens. Doch in der Regel verkrampft sich der Student, der Nacken wird plötzlich verkürzt oder angespannt, der Mund verzerrt sich, die Ellenbogen verspannen sich und die Schultern werden angezogen. Das führt zur Beeinträchtigung der Wirbelsäule. Wer diese Dinge nicht behandeln kann oder doch wenigstens darauf aufmerksam macht, der sollte nicht unterrichten. Meine Fingersätze suche ich mir nicht. Ich mache eine Bewegung, die instinktiv einen Fingersatz auslöst. Spiele ich etwa eine Tonleiter nach oben: 2,3,4,1,2,3,4,5, dann gehe ich nicht mit dem vierten Finger auf das h zurück, sondern mit dem Daumen. Damit vertritt der Daumen den vierten Finger, weil sich der Daumen, wenn der vierte Finger wieder spielt, versteifen könnte. Was macht man mit einem gelangweilten Kind – man beschäftigt es. Es ist sehr wichtig, dass die Hand immer in Bewegung ist; die Bewegung ist sehr klein, aber durch einen Fingerwechsel in einer organischen Bewegung wird die Hand nie steif.

Die meisten sind Sklaven ihrer schlechten Gewohnheiten. Technik bedeutet ja nicht nur, mechanisch schnell zu spielen, sondern auch eine Tonbalance, Farben, Atem zu erzeugen. Dabei kommt der Klangvorstellung eine außerordentlich wichtige Rolle zu. Manchen ist sie angeboren, bei anderen verstaubt, verdeckt oder verschüttet und manche besitzen sie wirklich nicht. Doch mit viel Fantasie kann man sie fördern und anerziehen. Schließlich spielt ein Pianist so gut, wie er hört. Besonders schlimm ist die enge Begrenzung des Studienrepertoires an den Hochschulen – und doch gibt es kein Instrument mit einem größeren Repertoire. Allein von Rossini existieren 104 veröffentlichte Klavierkompositionen, dann die Weber-Sonaten und wunderbare Literatur von Ferdinand Ries oder Hummel, ja selbst von Mendelssohn, von dem immer nur drei oder vier Stücke gespielt werden. Bei den Hochschulstudenten kommt es mir immer so vor, als präsentiere man ihnen eine Schachtel Pralinen. Daraus wählen sie sich dann die Waldstein, die B-Dur Partita, die a-Moll-Sonate von Mozart, die letzte Haydn-Sonate und noch eine Chopinballade oder ein Scherzo.

Doch wie will man Mozart verstehen, ohne die Sonaten von Christian Bach studiert zu haben; das gleiche gilt für Haydn und Philipp Emanuel Bach. Mit vielen Studenten erarbeite ich alle Haydn-Sonaten; nur so lernt man einen Komponisten kennen – und dazu gehört selbstverständlich auch sein übriges Œuvre. Besonders liegen mir innerhalb der Literatur von Bach bis Mozart die Ornamentik und eigenständige Veränderungen bei Wiederholungen am Herzen. Ein Interpret ist die Fortsetzung einer Komposition. Das Notenbild beinhaltet ja lediglich eine manchmal mehr, manchmal weniger ausgeschriebene stenographische Vorlage. Ich versuche, in meinen Studenten Neugierde zu wecken; man kann ihnen nur den Schlüssel geben, man kann ihnen sogar die Türe öffnen, aber reingehen müssen sie selber. Man kann nicht alles vorkauen. Ein Lehrer ist dazu da, zu inspirieren und Anregungen zu geben.

Ebenso liegt mir am Herzen, den Studenten viel Information zu bieten, doch nicht trocken, sondern lebendig. Ich möchte in ihnen das Interesse wecken, nicht zu lange an einem Stück zu arbeiten und immer wieder an Neues zu gehen, um das Problem von vielen Seiten zu sehen. Spielt man nur eine Etüde von Chopin, so ist das nicht so leicht, spielt man aber viele und dazu noch von Liszt, Debussy und Czerny, dann lösen sich die Schwierigkeiten, weil man am Problem und nicht am Stück arbeitet.“

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