„Anregen – Vertiefen – Ausbilden. Komponieren im didaktischen Kontext“ – Unter diesem Titel fand vom 24. bis 25. März 2017 an der Universität Mozarteum in Salzburg ein kompositionspädagogisches Symposium statt, zu dem sich Vertreterinnen und Vertreter aus den Bereichen Komposition, Musiktheorie, Musikvermittlung, Instrumental- und Gesangspädagogik, Elementare Musik- und Tanzpädagogik sowie Schulmusik zusammenfanden. Organisiert wurde das Symposium vom Leitungsteam ConTempOhr, einem Kooperationsschwerpunkt „Wissenschaft und Kunst“ der Universität Salzburg und der Universität Mozarteum.
Die Heterogenität der Teilnehmenden sowie die Inhalte der einzelnen Vorträge und Workshops zeigten, dass Komponieren in völlig unterschiedlichen Kontexten unter Zuhilfenahme verschiedener Konzepte stattfindet, denn Kompositionspädagogik umfasst vielfältige Ansätze mit divergierenden Zielen und Zielgruppen. So existieren Konzepte, die das Komponieren als Methode im Rahmen von ästhetischen Erfahrungsprozessen bzw. im Rahmen der Vermittlung zeitgenössischer Musik einsetzen, andere, die im Rahmen eines Instrumentalunterrichts im Komponieren die Möglichkeit des eigenen kreativen Schaffens sehen bzw. die das Komponieren als Methode zur Vermittlung theoretischer und analytischer Fähigkeiten nutzen, weitere Konzepte, die auf die Vermittlung von Kompositionsfertigkeiten abzielen sowie solche, die den Prozess des Komponierens als regelgeleiteten Vorgang beschreiben. Entsprechend unterschiedlich sind auch die angesprochenen Zielgruppen: Kinder und Jugendliche im Rahmen eines Instrumentalunterrichts an Musikschulen, Schülerinnen und Schüler aller Altersstufen im Musikunterricht an allgemeinbildenden Schulen, Kompositionsstudierende an Musikhochschulen und professionelle Komponierende, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie Musiklehrende im Berufsalltag. Bei vielen Konzepten fällt die Verknüpfung zwischen Kompositionsdidaktik und der Vermittlung zeitgenössischer Musik auf. So werden vielfach nicht unbedingt kompositorische Fähigkeiten vermittelt, sondern ein Verständnis für zeitgenössische Klangsprachen angebahnt. Angesichts der vielfältigen, innerhalb und außerhalb Europas lebendigen Volks- und Kunstmusiken mutet eine nur auf zeitgenössische Kunstmusik abzielende Kompositionspädagogik begrenzt an. Sie ist ein Weg unter vielen, den es zu eruieren und weiterzuentwickeln gilt.
Die Veranstaltung gab den Teilnehmenden neben zahlreichen Informationen und Einblicken auch die Möglichkeit, sich auszutauschen und gemeinsam weiter zu denken, wie neue kompositionsdidaktische Ansätze aussehen könnten. Für das Symposium waren folgende Fragen leitend: Welche (neuen) Konzepte gibt es zur Vermittlung kompositionspädagogischer und kompositionsbezogener Fähigkeiten? Inwieweit sind diese in andere Settings (beispielsweise aus dem Musik- in den Instrumentalunterricht) übertragbar? Soll Kompositionspädagogik eine Professionalisierung durchlaufen bis hin zu (weiteren) eigenständigen Studiengängen, wie sie an vereinzelten Hochschulen in Deutschland bereits angeboten werden? Ist Kompositionspädagogin oder Kompositionspädagoge eine eigene Berufsgruppe und wenn ja, welche Kompetenzen benötigen Kompositionspädagoginnen und -pädagogen?
Fachdisziplin ohne theoretische Fundierung?
Im Einführungsvortrag referierte Martin Losert über die verschiedenen Bereiche, in denen kompositionspädagogisch gearbeitet wird, wie bspw. an allgemeinbildenden Schulen, an Musikschulen, im Rahmen von konzertpädagogischen Maßnahmen oder anderen Musikvermittlungsprojekten sowie an Hochschulen innerhalb verschiedener Studiengänge. Mit der Einführung kompositionspädagogischer Ausbildungen an Musikhochschulen bzw. Universitäten, die damit auf die Forderung nach entsprechenden Kompetenzen zukünftiger Komponistinnen und Komponisten, Musikerzieherinnen und Musikerzieher sowie Instrumental- und Gesangspädagoginnen und -pädagogen reagieren, wurde de facto das neue Fach Kompositionspädagogik im hochschulischen Kontext begründet, dessen theoretische Grundlegung als eigenständiges Fach aber bislang fehlt.
Ausgehend von der Frage, ob es sich bei der Kompositionspädagogik um eine künstlerische oder wissenschaftliche Disziplin handelt, stellte Helmut Schmidinger unterschiedliche Aspekte zur Grundlegung der Kompositionspädagogik als eine Fachrichtung der Musikpädagogik zur Diskussion. Auf Forschungsebene stellt sich die Frage, ob die Methoden der künstlerischen oder der wissenschaftlichen Forschung konstitutiv für das Fach sind oder ob es einen Pool neuer Methoden im Sinne einer künstlerisch-wissenschaftlichen Forschung zu definieren gilt.
Jan Koop reflektierte (s)ein Jahr Kompositionspädagogik an der Hochschule für Musik Stuttgart. Dort gibt es zweistündige kompositionspädagogische Seminare, welche im Studienplan der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart in verschiedenen Studiengängen schon seit 2012 verankert sind, jedoch über Semester hinweg nicht angeboten wurden. Im Rahmen dieser Seminare sollen Studierende verschiedene Kompetenzen erwerben: zum einen solche, um Komposition in diversen Kontexten unterrichten zu können, und zum anderen, um selber komponieren zu lernen. Dabei hat es Koops durchaus mit völlig heterogenen Studierendengruppen zu tun: von Kompositionsstudierenden bis hin zu Musikpädagoginnen und -pädagogen unterschiedlicher Fachrichtungen.
Achim Bornhöft hält die Fähigkeit zu Komponieren in Ansätzen für unvermittelbar, denn Komponieren benötige viel Lebenserfahrung und eine ausgeprägte Persönlichkeit. Diese würde seines Erachtens außerhalb von Universitäten entwickelt. Hoffentlich nicht nur – auch hier könnte ein entsprechendes kompositionspädagogisches Studium vor allem im Mas-terbereich ansetzen. Bornhöft zeigte Möglichkeiten der Vermittlung von Inhalten und Techniken in der zeitgenössischen Kompositionsausbildung innerhalb eines kanonisierten Bildungskontextes auf. Im Licht verlangsamter Veränderung ästhetischer Perspektiven durch akademische Tradierung untersucht er Eintrittsvoraussetzungen der Studierenden, die Methoden der Vermittlung zwischen faktenbasiertem Wissen und persönlichkeitsbildenden Prozessen während des Studiums sowie das Verhältnis von Lehr- zu späteren Berufsinhalten ausgebildeter Komponistinnen und Komponisten.
Philipp Vandré lenkt den Blick der Teilnehmenden auf den 2016 neu erschienenen Lehrplan Musiktheorie und Komposition des Verbands deutscher Musikschulen (VdM). Das österreichische Äquivalent befindet sich derzeit in Vorbereitung. Es tut sich was im Feld: eine neue Aufmerksamkeit auf schöpferische und kreative Tätigkeiten scheint geboren. Vandré beleuchtet Chancen und Hindernisse kompositorischen Arbeitens im Instrumentalunterricht, in Musiktheoriekursen und Kompositionsklassen an Musikschulen. Dabei werden zentrale didaktische Herausforderungen und erforderliche Kompetenzen für das Anleiten und Begleiten von kompositionspädagogischen Prozessen thematisiert. An diese Überlegung schließt auch Matthias Schlothfeldt an, welcher die Anforderungen im Bereich Kompositionspädagogik Agierender beleuchtet und anhand von Beispielen verdeutlicht.
Erkenntnisse der Kreativitätsforschung
Einblicke in ein Projekt zur Vermittlung experimenteller Kunstformen im Unterricht der höheren Sekundarstufe gab Katharina Anzengruber. Dass musikalische Kreativität häufig mit Komposition assoziiert wird, überrascht nicht.
Anna-Maria Kalcher präsentierte einen didaktischen Ansatz, der auf Erkenntnissen der Kreativitätsforschung basiert. In ihrem Vortrag wurden Lernarchitekturen diskutiert, die im Kontext kompositionspädagogischer Arbeit relevant scheinen. Wolfgang Lessing reflektierte die Kompositionspädagogik im Spannungsfeld von Exploration und Audiation.
Ludwig Nussbichler stellte die an seiner Musikschule aufgebaute, kostenfreie und mittlerweile zwanzigjährige „Kompositionswerkstatt“ vor sowie die darin umgesetzten Projekte, welche die musikalische Seele der Kinder und Jugendlichen hörbar machen sollen. Sie stellt ein Ergänzungsfach für Instrumentalschüler dar und wird seit zwei Jahren nun auch verpflichtend am Pre-College der Universität Mozarteum Salzburg umgesetzt. Kinder und Jugendliche von 8 bis 18 Jahren sollen in der Werkstatt den Prozess des Komponierens schrittweise erleben und sich ggf. für einen weiterführenden Unterricht vorbereiten sowie eigene kleine Stücke hervorbringen können. Das Konzert am ersten Abend gab Einblicke in die überzeugenden Ergebnisse dieser Werkstatt.
Vier Workshops, aus denen wahlweise zwei besucht werden konnten, gaben den Teilnehmenden schließlich die Möglichkeit, selbst kompositorisch-musikalisch aktiv zu werden. Silke Egeler-Wittmann zeigte anhand von Praxisbeispielen auf, wie Neue Musik vermittelt werden kann. Im Vordergrund steht bei ihrem Ansatz die eigene Erfahrung. Dabei wird der konventionelle Umgang mit unkonventionellem Instrumentarium (zum Beispiel Alltagsgegenstände) ebenso erprobt wie der unkonventionelle Umgang mit konventionellen Instrumenten (zum Beispiel in einem Orchesterstück). Stimme, Körper und Raum werden performativ zum Klingen gebracht.
Im Workshop mit Klaus Feßmann hatten die Teilnehmenden die Möglichkeit, mit Steinen zu spielen und zu komponieren. Eine bisher kaum gehörte Musik voller Geheimnisse: Steine, die den Klang der Erde wahrnehmbar machen können.
Carolin Ralser gab Einblicke in alternative Notationskonzepte und zeigte Kompositionsmodelle für den Instrumentalunterricht. Der Titel ihres Workshops „Lost in translation“ verdeutlicht, dass bei dem Versuch, Klang zu notieren, immer etwas auf der Strecke bleibt.
Bei Karen Schlimp wurde deutlich, was alles als Ausgangspunkt für ein Musikstück dienen kann, auch außermusikalische Inhalte. Schlimp zeigte Wege auf, diese in musikalische Bausteine zu verwandeln, mit denen sich Musik gestalten lässt. Kompositorische Kompetenzen lassen sich improvisierend lernen: Übungen zu musikalischen Verarbeitungsweisen wie Variieren, Weiterentwickeln, Kontrastieren, in Form bringen et cetera konnten spielend erlebt werden.
An vielen Stellen des Symposiums wurde deutlich, dass eine grundlegende disziplinäre Verortung der Kompositionspädagogik problematisch ist. Dieser Verortungsbedarf scheint auf den ersten Blick universitär. In der Praxis braucht es alle, egal aus welcher Disziplin stammend, die sich gerne diesem weiten Feld widmen. Noch immer wird Komposition an Musikschulen zu wenig angeboten und genau hier schließt sich der Kreis zu den universitären Belangen und Diskussionen: Wenn sich niemand für die Ausbildung von Kompositionspädagogen verantwortlich fühlt, werden zu wenige adäquat ausgebildet.