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Wie die Zwerge mit den Riesen spielen

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Zukunftsweisender Kontrabass-Workshop der Rekorde in der Landesakademie in Ochsenhausen
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„Wir sind nicht allein“ – das war die eine Grunderfahrung bei einem Workshop für Kontrabassisten in der Landesakademie für die musizierende Jugend in Baden-Württemberg in Ochsenhausen. Der Andrang war enorm, die Auswahl der Dozenten hochrangig. Professor Günter Klaus von der Musikhochschule Frankfurt/Main lobte die Initiative der Pädagogischen Arbeitsgemeinschaft Kontrabass in Baden-Württemberg (PAK-BW) im Anschluss: „Das ist Schule machend“.

Nach drei Tagen und Nächten mit Zupfen, Streichen, freiem Spiel und Einzelproben kam es zum Showdown: Professor Klaus und die siebenjährige Pauline, Jugendliche und Musikschullehrer, über 50 Kontrabässe insgesamt, tobten sich beim Abschlusskonzert an der „Prager-Polka“ aus. Ein Lächeln ging durch den Saal – „Bravo“-Rufe. Der Plan der PAK-BW ging auf. „Das macht Laune“, bestätigt ein vergnügter Klaus. „Das muss man gesehen haben“, sagt Akademiedirektor Dr. Klaus Weigele.

Der PAK-BW geht es um nicht weniger als die Zukunft der Kontrabass-Ausbildung. Seit knapp einem Jahr setzen sich die Mitglieder mit Nachwuchsförderung, mit dem Instrumentenbau für Kinder, mit musikphysiologischen Fragen auseinander. Die Ziele: Masse ist das Eine.

Bassisten werden gebraucht. Klasse ist das Andere. Der Kontrabass ist ein vollwertiges Instrument, das fachgerechte Ausbildung durch qualifizierte Dozenten verlangt. Nachwuchsförderung auf neuem Niveau ist deshalb der angestrebte Weg. Dazu gehört, dass bereits Kinder ab sechs Jahren an das Instrument herangeführt werden. „Die Zeiten sind vorbei, in denen Lehrer jugendliche Interessenten neben das große Instrument gestellt haben und geschaut haben: Reicht er schon hin?“, erklärt Nikolaus Hersini, Kontrabass-Dozent an den Musikschulen Stuttgart und Sindelfingen. Die Kinder spielen auf Zehntel-Bässen. In Ochsenhausen stellte die kleine Anna beim Konzert gar einen Sechszehntel-Bass vor. „Das weltweit kleinste Instrument“, kündigte Song Choi, Dozent an der Jugendmusikschule Württembergisches Allgäu an. Und es kommt Musik heraus.

Choi, ein „begeisterter Lehrer, wie es sie selten gibt“ (Professor Klaus), ist einer der Initiatoren der PAK-BW. Bei dem Workshop im Januar ging es ihm darum, „zu zeigen, was möglich ist“. Den Schülern, die renommierten Profis begegnen. Den Dozenten, die neue Erfahrungen austauschen im Bereich der Frühförderung. Und den Hochschulen, die sich „bislang zu wenig um den Nachwuchs kümmern“, wie Professor Klaus zugibt. Der hatte aus Frankfurt auch Ewa Warykiewicz mitgebracht, als Korrepetitorin. Die Polin, die seit zwei Jahren in Deutschland lebt, berichtet von anderen Erfahrungen aus ihrer Heimat. Dort arbeiten Hochschulen intensiv mit Musikschulen zusammen, organisiert vom Kulturministerium. Die Art des Workshops ist ihr vertraut, sagt Ewa Warykiewicz, „allerdings nicht mit Kontrabässen. So etwas habe ich noch nie gesehen. Unglaublich!“

Der Osten als Vorbild. Das ist auch für Klaus Ansporn gewesen, nach Ochsenhausen zu kommen. „Wir brauchen so etwas in Deutschland, sonst sind die Hochschulen nur noch auf den Nachwuchs aus Osteuropa angewiesen“, sagt der gebürtige Dresdner. Die Musikausbildung der DDR – die Klaus kennt – lasse sich auf die heutige Zeit nicht einfach übertragen. „Die Ausbildung von Kindern ist Knochenarbeit. Dieses Feld professionell zu beackern, das macht die PAK-BW vorbildlich und einmalig“, so seine Einschätzung. „Ich freue mich wahnsinnig über dieses Engagement.“

Einfach ist es nicht. Den Workshop auf die Beine zu stellen, war ein Kraftakt. Möglich nur durch die Förderung durch die gastgebende Landesakademie, durch das Landesjugendorchester Baden-Württemberg, durch den Landesverband der Musikschulen, durch Sponsorengelder von Pirastro. Und dann verzichteten die zehn Dozenten noch aufs Honorar und gaben sich mit der Erstattung des Benzingelds zufrieden. Warum? „Zugunsten der Sache“, sagt Klaus. „Wir sind eine Armee von Freiwilligen“, ergänzt Nikolaus Hersini. Damit meint er die kleinen Schülerinnen und Schüler, die ja auf das Instrument nicht abgeschoben werden, sondern sich aus Lust dazu entschließen. Das trifft auch für die Dozenten zu, die hier „die Zukunft erleben“. Allerdings nur, wenn auf Dauer „jemand in die Tasche greift“. Der Ochsenhausener Workshop soll nach dem Willen der PAK-BW nur der Anfang gewesen sein. Jetzt geht man auf Sponsorensuche, damit die Arbeit auf hohem Niveau fortgesetzt werden kann.

Im Mai kommt Catherine Elliott aus Großbritannien zu einer Veranstaltung der PAK-BW nach Stuttgart und stellt „The essential string method“ vor.

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