Volkslieder im modernen Gewand – so lautete das Motto des diesjährigen 14. Eurotreffs in Wolfenbüttel. 18 Chöre aus 10 europäischen Nationen kamen in 7 verschiedenen Workshops unter renommierten Dirigenten aus 6 Nationen zusammen, um Volkslieder des Sprachraumes, aus dem der jeweilige Workshopleiter stammt, einzustudieren.
Das Ergebnis konnte sich sehen lassen. In einer vollbesetzten Lindenhalle erklangen die Ergebnisse der einzelnen Workshops. Drei Stunden Musik – eine spannende und mitreißende Klangreise durch Europa. Die Stimmung in der Halle war unübertrefflich. Noch bevor das Konzert begann, sangen die verschiedenen Chöre, klatschten und skandierten mit Sprechgesängen und verbreiteten eine grandiose Stimmung, die man sonst eher nicht von klassischen Chorkonzerten kennt. Schon hier zeigt sich eine Volksnähe, die sowohl durch das Konzertprogramm, nämlich die „modernen“ Volklieder, als auch durch die jugendlich-unterhaltende Moderation des Konzertes noch unterstützt wurde.
Was ist die Seele des Eurotreffs, was sein innerster Kern? Wahrscheinlich ist es die Begegnung. Die Begegnung der Chöre untereinander, die Begegnung mit der Arbeit anderer qualifizierter Chorleiter, die Begegnung der Chorleitenden untereinander, die mit ihren jeweiligen Chören angereist kamen, die Begegnung der an der Study Tour teilnehmenden Chorleitenden, die die Chance hatten, der Arbeit anderer wissbegierig zu begegnen …
Besonders beeindruckend war die gegenseitige Leistungsanerkennung der einzelnen Chorgruppen, die sich durch den herzlichen Applaus der Chorsänger der jeweils anderen Workshops verdeutlichte. Konnte man während der einzelnen Tage in den Begegnungskonzerten doch deutliche Leistungsunterschiede zwischen den einzelnen Chö-ren ausmachen, so glich sich das in den Workshopkombinationen doch weitgehend aus.
Während einer Diskussionsrunde mit den Workshopleitern, die eigens für die Teilnehmenden der Study Tour durchgeführt wurde, konnte man Einblicke in die Konzeption der jeweiligen Probenarbeit nehmen. Zum Beispiel musste Alexander Burda, der als einziger einen Orchesterworkshop leitete, eine Symbiose zwischen einem konventionellen Schulorchester und einer aus Finnland angereisten einzigartigen „Dragon Steel Band“ schaffen. Drei Tage sind kurz für das teils anspruchsvolle Programm mit einer heterogenen Gruppe bezogen auf Sprache, Leistungsstand und Probengewohnheiten.
Mit schwungvoller und mitreißender Führung katapultierten einige Workshopleiter ihre Chorgruppen zu hörens-, teils auch sehenswerten Ergebnissen. Dabei mutierten diese teilweise zu Komikern, Sprachtherapeuten oder bedienten sich anderer Probenkniffe. Zwei Dinge kamen dabei etwas zu kurz: Die Bewegung, die besonders bei der Kinder- und Jugendchorarbeit eine wesentlichere Rolle spielen sollte, und die jüngeren Kinder zwischen sechs und zehn Jahren, die nur vereinzelt anwesend waren.
Vermisst habe ich auch die Volkslieder von heute! Vielleicht hätte man das Motto besser „Alte oder traditionelle Volkslieder im modernen Gewand“ nennen sollen. Volkslieder überleben im Chorliederschatz eben nur, wenn sich ein namhafter oder qualitativ gut arbeitender Komponist dran gesetzt hat und ein gutes Gewand, nämlich einen schönen Chorsatz dazu komponiert hat, egal wie modern!
Hier wäre noch mehr Mut zu einstimmigem Gesang gefordert, der es dann auch leichter möglich macht, Kinder der frühen oder mittleren Kindheit zu beteiligen – wenigstens die Wolfenbüttler Kinder. So haben die musikalisch ganz einfachen Volksliederweisen, zu denen auch eine Reihe schöner Kinderlieder gehören, gefehlt. Auch über das importierte europäische Kinderliederrepertoire wären die hiesigen Kinderchorleiter erfreut gewesen, ist Deutschland doch aufgrund seiner politischen, sozialen und wirtschaftlichen Stärke ein Integrationsland und der interkulturelle Kinderliedschatz zwar angewachsen, aber doch noch klein! Vielleicht singen, tanzen und klatschen 2011 auch kleine Kinder in Wolfenbüttel mit und werden Teil eines klang- und stimmungsvollen Ereignisses!