Hauptbild
Saxophonist Peter Lehel sucht die Balance aus technisch strukturiertem und inspirierend freiem Üben. Foto: Peter Hillert

Saxophonist Peter Lehel sucht die Balance aus technisch strukturiertem und inspirierend freiem Üben. Foto: Peter Hillert

Hauptrubrik
Banner Full-Size

„Selbst zum Ideengeber werden“

Untertitel
Jazzsaxophonist Peter Lehel über die Herausforderungen und Besonderheiten beim Üben im Jazz
Vorspann / Teaser

Wie übe ich gesund, effektiv und vor allem „richtig“? Diese Frage beschäftigt alle Musiker*innen, die sich an ihrem Instrument verbessern wollen. Doch vor allem zwischen der Klassik- und Jazzausbildung gibt es beim Üben erhebliche Unterschiede. Es gilt vor allem im Jazz, klassische Spieltechnik und Improvisationen, die sehr persönlich gestaltet werden können, miteinander zu verbinden. Der international erfolgreiche Jazzmusiker und Saxophonist Peter Lehel ist Dozent für Saxophon, Improvisation und Bigband an der Hochschule für Musik in Karlsruhe. Im Interview mit Jakob Roth erklärt Lehel, welche Tipps und Kniffe er seinen Student*innen vermittelt. 

Publikationsdatum
Paragraphs
Text

neue musikzeitung: Sie sind an der HfM Karlsruhe Dozent für Saxophon, Bigband und Jazz-Improvisation. Wie sieht denn bei Ihnen eine normale Unterrichtsstunde aus?

Peter Lehel: Da müssen wir unterscheiden, ob es um Saxophonunterricht oder Ensembles geht. Im Instrumentalunterricht bilde ich meine Studierenden möglichst umfassend aus. Das heißt, wir üben neben der klassischen Grundausbildung alles, was mit Jazz, Rock, Pop zu tun hat. Gerade beim Jazz ist das Thema Improvisation oft entscheidend.

nmz: Was ist wichtig, um gut improvisieren zu können?

Lehel: Ganz wichtig sind Klang und Intonation, vor allem beim Spiel in Ensembles. Das sind die Dinge, die man natürlich erst mal lernen muss. Das Improvisieren kann man dann bis zu einem gewissen Grad unterrichten. Notwendig ist aber unbedingt eine gewisse Bereitschaft, auf das Abenteuer der Improvisation eingehen zu wollen.

nmz: Wie kann man denn Improvisation strukturiert üben? Welche Techniken geben Sie Ihren Schülern dafür an die Hand?

Lehel: Da gibt es verschiedene Modelle. Die Schüler sollten ein harmonisches Gehör entwickeln und dann wissen, wie man damit umgeht. Das ist eine Art Technik, die man erlernen kann – mit musikalischer Kreativität hat das aber noch nichts zu tun. 

Bild
Saxophonist Peter Lehel sucht die Balance aus technisch strukturiertem und inspirierend freiem Üben. Foto: Peter Hillert

Saxophonist Peter Lehel sucht die Balance aus technisch strukturiertem und inspirierend freiem Üben. Foto: Peter Hillert

Text

nmz: Gibt es konkrete Übungen, die Sie empfehlen, wenn Studierende mit Ihrem Improvisations-Stil sehr unzufrieden sind?

Lehel: Es ist am einfachsten, wenn man sich keinen Stress mit Akkordwechseln, Leittönen, oder Tonarten macht, die man beim Spielen irgendwie erreichen will. Entscheidend ist, eine psychologische Hemmschwelle zu überschreiten. Damit klar ist, dass ausprobiert werden darf und dass ein Tun auch mal schief gehen kann. Ganz konkret arbeite ich gerne mit pentatonischen Skalen oder mit den Bluestonleitern. Ich spiele im Unterricht dann meistens eine einfache Phrase vor und sage dem Schüler: „Bitte einfach mal nachsingen.“ Denn Improvisation ist ein Geben, Hören und Nehmen. Wahrnehmen, was passiert und darauf reagieren zu können, ist deshalb eine Grundvoraussetzung. Denn der nächs­te Schritt ist natürlich, selbst zum Ideengeber zu werden. 

nmz: Wie können Schüler oder Studenten das Gelernte dann zu Hause strukturieren?

Lehel: Ich bin autodidaktisch aufgewachsen: Mir hat etwas gefallen – also habe ich versucht, es nachzuspielen. Das habe ich immer und immer wieder gemacht. Klar, strukturiert ist vor allem ein dauerhaftes Üben. Aber es muss auch Spaß machen. Wenn ich jetzt speziell an mein Saxophon und ans Üben denke, ist das Entscheidende, dass man es schafft, Freude an der Sache zu entfachen. Und dann ist Üben immer ein Wiederholungsprozess. Ich sage auch meinen Studenten immer: Es kommt darauf an, dass man was verstanden hat, dass man was mag und dann muss man das üben – auf der Bühne, bei der Jamsession, mit Play-Alongs oder mit anderen Musikern zusammen.

nmz: Sie wurden klassisch und speziell als Jazz-Musiker ausgebildet. Wie unterscheidet sich das Üben im Jazz zur Klassik?

Lehel: Da gibt es große Unterschiede, die auch ihre Rechtfertigung haben. In der Klassik gibt es bestimmte Schulen, Abläufe und Systeme, die eigentlich alle über Generationen mehr oder weniger funktioniert haben. Als Pianist oder als Geiger fängt man schon sehr früh an, technische Abläufe zu lernen. Und es gibt dafür Pläne, was man mit fünf, sieben, neun, 14 oder 20 Jahren bereits geübt haben sollte. Das muss logisch aufeinander aufbauen. Und das hat auch seine Richtigkeit. Im Jazz ist es sehr viel individueller. Überhaupt ist Jazz sehr persönlich ausgerichtet. Ich als Lehrer kann hier viele Möglichkeiten anbieten und der Lernende hat auch viele Möglichkeiten selbst zu entscheiden, wohin er die Musik lenkt.

nmz: Obwohl Sie so lange als Profimusiker tätig sind, üben Sie häufig und nach wie vor gerne. Warum wird Ihnen nicht langweilig?

Lehel: Wenn ich Zeit habe und mich nicht auf Konzerte oder Einspielungen vorbereite, nehme ich mein Instrument in die Hand und tue, was ich will. Das sind die kreativsten Phasen. Da kann es auch sein, dass ich einfach nur drauf los spiele. Manchmal nehme ich mich dabei auf. Durch meine Aufnahmen kann ich dann später alte Ideen wieder- und vielleicht sogar neu entdecken. 

nmz: Viele Schüler haben vor Auftritten großes Lampenfieber. Wie bereiten Sie sich oder Ihre Studierenden auf Auftritte vor?

Lehel: Na ja, also da bin ich in der glücklichen Situation, dass ich so etwas wie Lampenfieber selbst nicht kenne. Hinzu kommt natürlich, dass ich als Jazzmusiker, der vorwiegend seine eigene Musik spielt, eigentlich komplett frei bin. Das heißt, ich spiele das, was ich möchte. Dabei sind natürlich auch große und wichtige Konzerte. Um meine Konzentration zu fördern, spiele ich dann als Vorbereitung das ganze Konzert in Gedanken durch, wenn ich am Abend vorher im Bett liege. 

nmz: Es gibt Musiker, die das Üben am Instrument mit Sport vergleichen – was ist Ihre Meinung dazu?

Lehel: Eine gewisse handwerkliche Grundausbildung gehört dazu und die darf man schon als regelmäßiges Training im sportlichen Stil betrachten. Aber mir ist ganz wichtig, dass man nicht zehn Jahre Übung und Sport macht, um dann mit der Musik zu beginnen. Und das versuche ich auch meinen Studenten zu vermitteln. Spaß an der Musik sollte immer da sein. Natürlich brauchen wir auch Regelmäßigkeit, Kontrolle und Verbesserungen in kleinen Schritten durch stetige Wiederholung. Aber auch das ist eine Frage der Dosierung. 

nmz: Kann Körpertraining beim Musizieren helfen?

Lehel: Ja. Vor allem hilft Sport, um zu erkennen, dass Dinge besser werden, wenn man sie regelmäßig und gezielt und richtig tut. Disziplin ist wichtig. Ich stelle mir das so vor: Wenn ich jetzt anfange zu joggen, tut mir nach einem halben Kilometer schon das Knie weh. Wenn ich dann ein Jahr lang mit gezielten Vorbereitungen und sinnvollen Einteilungen weiter trainiere, kann ich nach einem Jahr vielleicht schon einen Halbmarathon laufen. Und das ist ein tolles Gefühl. 

Weiterlesen mit nmz+

Sie haben bereits ein Online Abo? Hier einloggen.

 

Testen Sie das Digital Abo drei Monate lang für nur € 4,50

oder upgraden Sie Ihr bestehendes Print-Abo für nur € 10,00.

Ihr Account wird sofort freigeschaltet!