Seit Wochen beschäftigt das Thema Umsatzsteuerpflicht und -freiheit im Musikunterricht und deren Neuregelung im Referentenentwurf des Jahressteuergesetzes 2024 die Musikverbände und ihre betroffenen Personen (hier Deutscher Musikrat). Unterdessen ist eine Petition gestartet worden, die sich dafür einsetzt, dass qualifizierter Musikunterricht umsatzsteuerfrei bleiben soll. Wobei das aktuell je nach Bundesland und Finanzamt bereits unterschiedlich gehandhabt wird. So hat erst jüngst das Finanzamt Erfurt die entsprechenden Gesetze sehr eng ausgelegt und von einer Musikschule rückwirkend den erhöhten Mehrwertsteuersatz nachgefordert (Bericht im mdr). Unser nmz-Recherche-Team hat sich nun beim Bundesamt der Finanzen (BMF) direkt erkundigt, wie Musikunterricht, speziell der Instrumentalunterricht nach dem Referentenentwurf steuerlich zu behandeln sei. Die Antwort geben wir hier im Wortlaut wieder.
Umsatzsteuerfreiheit in der musikalischen Bildung – Der Stand der Dinge
ANTWORT einer Sprecherin des Bundesministerium der Finanzen vom 15.8.2024 (Hervorhebungen MH)
„Zunächst möchte ich Ihnen versichern, dass das Bundesministerium der Finanzen ein großes Interesse daran hat, den Fortbestand der gewachsenen musikalischen Bildungsstrukturen in Deutschland zu sichern. Soweit das nach den verbindlichen unionsrechtlichen Vorgaben und der hierzu ergangenen Rechtsprechung des EuGH und des BFH möglich ist, sollen daher Bildungsleistungen im Allgemeinen und das musikalische Angebot im Speziellen weiterhin unverändert begünstigt werden.
Die Neufassung des § 4 Nr. 21 UStG im Regierungsentwurf eines JStG 2024 sieht vor, dass Schul- und Hochschulunterricht, Aus- und Fortbildung sowie berufliche Umschulung und damit eng verbundene Lieferungen und sonstige Leistungen von der Umsatzsteuer befreit sind, wenn sie durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit solchen Aufgaben betraut sind, oder durch andere allgemeinbildende oder berufsbildende Einrichtungen (rechtsformunabhängig) erbracht werden. Lediglich für Fortbildungsleistungen sieht die Neufassung des § 4 Nr. 21 UStG-E für deren Anwendung vor, dass diese von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder von Einrichtungen ohne Gewinnstreben erbracht werden.
Eine Einschränkung der Steuerbefreiung konkret von Musikschulen und Musiklehrern sieht die Neufassung des § 4 Nr. 21 UStG-E nicht vor. Vielmehr wird in der Gesetzesbegründung ausdrücklich klargestellt, dass auch Leistungen, die auf die Aufnahmeprüfung an einer Hochschule oder Fachhochschule vorbereiten, z. B. Musikunterricht (Instrumental- und Vokalunterricht), Unterricht im klassischen Tanz und Ballett oder Unterricht in darstellender und bildender Kunst als Ausbildungsleistungen anzusehen sind. Darunter fällt sowohl der Musikunterricht für Kinder als auch der Musikunterricht für Erwachsene. Maßgeblich für die Einordnung eines Musikunterrichts als Ausbildungsleistung ist allein die Ausgestaltung des angebotenen Musikunterrichts. Ist dieser grundsätzlich geeignet, auf eine Aufnahmeprüfung an einer (Fach-)Hochschule vorzubereiten, wozu auch das Erlernen eines Instruments gehört, dann ist der Unterricht als Ausbildungsleistung umsatzsteuerfrei. Das gilt wie bisher unabhängig von den persönlichen Voraussetzungen des Lernenden (z. B. Alter, Kenntnisstand) bzw. dessen Intention zur Inanspruchnahme der Unterrichtsleistung.
Auch die Leistungen der selbständig tätigen Musiklehrer fallen unter die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 21 UStG-E, unabhängig davon, in welcher Organisationsform diese ihre Leistungen erbringen. Für selbstständige (Musik-)Lehrer, die ihre Unterrichtsleistungen an einen Bildungsanbieter erbringen, kommt nach dem JStG-E 2024 sowohl die Steuerbefreiung für Privatlehrer (§ 4 Nummer 21 Satz 1 Buchstabe b UStG-E) als auch die Steuerbefreiung für Bildungseinrichtungen (§ 4 Nummer 21 Satz 1 Buchstabe a UStG-E) in Betracht.
In den Genuss der erstgenannten Befreiung kommen Dozenten, denen die konzeptionelle Umsetzung der Lerninhalte obliegt. Sofern der Dozent das Unterrichtskonzept nicht zu verantworten hat, fällt die von ihm erbrachte Bildungsleistung unter die zweitgenannte Steuerbefreiung. Welche der beiden Befreiungen anwendbar ist, hängt mithin von den jeweiligen Umständen der Leistungserbringung ab. Deren konkrete Ausgestaltung ist Sache der Beteiligten.
Die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 21 Satz 1 Buchstabe b UStG-E erfasst dabei Unterrichtseinheiten, die sich auf Schul- und Hochschulunterricht beziehen, wobei diese Unterrichtseinheiten entsprechend der Rechtsprechung auch die Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten im Hinblick auf die Ausübung einer Berufstätigkeit einschließen.
Des Weiteren sieht, wie von Ihnen angesprochen, die Neuregelung des § 4 Nr. 21 UStG-E den Verzicht auf das derzeit papierbasierte Bescheinigungsverfahren vor. Dies führt zu Bürokratieabbau, zur Kostensenkung bei Einrichtungen, Behörden und Gerichten sowie zu mehr Rechtssicherheit, weil der „geteilte“ Rechtsweg aus Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit entfällt. Insbesondere die in den einzelnen Bundesländern unterschiedlichen Anerkennungsvoraussetzungen für Unterrichtsleistungen i. S. d. § 4 Nr. 21 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb UStG aufgrund der föderalen Strukturen im Bereich Kunst und Kultur, entfallen durch die Abschaffung des Bescheinigungsverfahrens. Damit wird sichergestellt, dass vergleichbare Leistungen umsatzsteuerrechtlich bundesweit vergleichbar behandelt werden.
Durch die im Gesetzentwurf vorgesehene Neuregelung wird im Ergebnis also sichergestellt, dass Bildungsleistungen wie bisher unverändert umsatzsteuerlich begünstigt werden.“
ZITAT ENDE
Kommentar: Ich verstehe diese Auslegung so, dass auf diese Weise nicht mehr die Frage gestellt wird, ob manche Freizeit-Tätigkeiten zu Bereichen der Bildung zu zählen sind (der Terminus „Freizeit“ wird hier gar nicht erwähnt), sondern ob das Erlernen der jeweiligen musikalischen Praxis ganz grundsätzlich dafür geeignet ist, auf die musikalischen Voraussetzungen von Studien- oder Ausbildungsgängen von (Fach-)Hochschulen vorzubereiten. Das dürfte auch aktuell nicht angebotene Fachrichtungen mit einschließen.
Das ist auch naheliegend, denn kein Mensch kann die Zukunft kennen, also wissen, welche Studiengänge es irgendwann mal geben wird und welche nicht, geschweige denn, ob die individuellen Lernprozesse tatsächlich auf eine professionelle Laufbahn hinauslaufen. Es dürfte damit vergleichbar sein, dass man in der Schule auch über das grundlegende Niveau hinaus Lesen und Schreiben lernt, egal ob man dann später nur Briefe schreibt oder aber Buchautor:in wird, egal ob man Schauspieler:in wird oder aber seinen Eltern oder Kindern oder anderen einfach gern Geschichten vorlesen mag.
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