Gestern haben hier noch Schafe geblökt, jetzt dürfen hier Musiker kreativ werden. Die nmz besuchte Ulrich St. Fauth, der drei Jahrzehnte hindurch Schülern der Internationalen Deutschen Schule in Brüssel Musik vermittelte, dabei aktiv gegeigt und komponiert hat. Nun trifft man ihn in seinem Refugium, wo er sich für den dritten Lebensabschnitt eine sinn- und reizvolle Aufgabe gesucht hat. Einen ehemaligen Bauernhof, rund eine Autostunde von Genf wie von Lyon unweit des Rhônetales in der Einsamkeit französischer Berge gelegen, funktionierte er um in eine Mini-Kulturwerkstatt besonderer Mission:
„Ich bin selbst mein Leben lang aktiver Kammermusiker gewesen. Als ich im Vorstand der Musikalischen Jugend Deutschlands mitwirkte, habe ich mehrmals die sommerlichen Kammermusikkurse auf Schloss Weikersheim und im istrischen Musikcamp Groznjan der Jeunesses Musicales geleitet. Kammermusikalische Unterweisung war auch eine meiner ständigen Tätigkeiten in Brüssel.
Diese Faszination ließ mich nicht los: Kein Festival, keine Akademie, kein Kursbetrieb soll es sein, sondern ein Ort, der die Voraussetzungen bietet, Kammermusik mit Niveau zu praktizieren. Das können Studenten sein (Musikfreizeit als Trio, Quartett, Quintett) oder eingespielte Amateure (‚wir möchten einmal über einen längeren Zeitraum intensiv spielen‘) oder professionelle Ensembles mit einem bestimmten Vorhaben. Die wenigen Nachbarn, die wir hier haben, hören unsere Musik nur, wenn wir sie ausdrücklich dazu einladen. Wir können also hier niemanden stören. Wer hierher kommt, bringt entweder sein eigenes Programm, seinen eigenen Mentor mit oder ich biete mein Coaching an, zum Beispiel zu einem ausgeschriebenen kammermusikalischen Programm, zu dem sich auch einzelne Instrumentalisten je nach Selbsteinschätzung melden können, seien sie Profis oder Amateure, jung oder senior. Es ist hier ideal als ein- bis zweiwöchiger Trainingsworkshop für professionelle Ensembles. Dafür zahlt sich sogar eine weite Anreise aus.“
In die ehemalige Scheune sind komfortable Zimmer in originellem Zuschnitt hineingebastelt. Schmuckstück ist ein liebevoll ausgestatteter „Probenraum mit schmeichelhafter Akustik, mit Zweimeter-Pleyel-Flügel, Cembalo und Stereoanlage. Küche und Keller, individuell ausgerichtet, werden weithin gelobt“, meint der Hausherr und öffnet eine Schranke zur Kammermusikbibliothek, in der man schnuppern, Neues entdecken und ausprobieren mag. Ringsum eine wunderschöne hügelige Gegend nahe der Schweizer Grenze. Gute Luft und unzählige Möglichkeiten laden ein zu Wanderungen und Exkursionen – das hört sich an wie Reklame für einen touristisch attraktiven Ort, aber dieser ist vom Fremdenverkehr noch unbeleckt. „In dieser ländlichen Gegend gibt es nicht massenhaft Publikumsreserven. Doch interessierte Zuhörer werden sich einfinden, will man dann das Ergebnis seiner Probenarbeit abliefern“, – das erinnert an Festivalanfänge von Haslemer und Prades, Bergün und Burgenländisches Lockenhaus.
Bei allem Enthusiasmus für diese schönste Sache der Musik und bei so viel freiwillig persönlichem Einsatz, der hier zu Grunde liegt, fragen wir den Initiator dieser Idylle, wie sich das wirtschaftlich tragen kann? „Hier muss kein Gewinn erwirtschaftet werden. Zu bezahlen sind nur die Selbstkosten und das Haus- und Küchenpersonal. Da nur vier bis maximal zehn Personen zu versorgen sind, also nur kleine Kammermusikgruppen, kommt man mit wenig Hilfspersonal aus.“ Für den Zimmerpreis eines Dreisterne-Hotels bekommt man im Haus „Val-du-Séran“ volle Verköstigung und eine Atmosphäre, die ohnedies unbezahlbar bleibt.