Was macht man, wenn man sich zur Teilnahme am Bundeswettbewerb “Jugend musiziert“ qualifiziert hat? Na, man fährt überglücklich zum Wettbewerbsort und spielt vor, man ist ja offiziell eingeladen. Pech nur, wenn man vor Ort ein Bett für die Nacht sucht. Dann wird es einem wahrscheinlich so ergehen, wie einstmals einem berühmten Ehepaar im Nahen Osten: kein Platz in der Herberge. Nirgends. Wie kommt man also an ein Nachtquartier?
Wie viele Teilnehmer sich tatsächlich auf den Weg zum Bundeswettbewerb “Jugend musiziert“ machen, wird in wenigen Tagen über viele Kanäle berichtet werden: Erneut ist der aktuelle Bundeswettbewerb der teilnehmerstärkste in seiner Geschichte. Nach jüngster Zählung werden zwischen dem 11. und 19. Mai 1.982 Musikerinnen und Musiker in Erlangen, Fürth und Nürnberg erwartet. Alle werden sie kommen, aber nicht alle gleichzeitig, sondern sukzessive, sich orientierend am Zeitpunkt des eigenen Wertungsspiels.
Um einmal deutlich zu machen, wie viele Überlegungen der Anreise- und Abreiseprozedur und dem Aufenthalt von fast 2.000 jungen Leuten vorausgehen, exerzieren wir dies der Einfachheit halber an einem Beispiel durch: Die Harfenistin Sabine Saitenspiel hat sich über einen der 16 Landeswettbewerbe für den Bundeswettbewerb qualifiziert. Im Jargon der Wettbewerbsorganisatoren ist sie eine so genannte „Weiterleitung“. Sabine ist 16 Jahre alt, also wird sie der Altersgruppe V zugeordnet.
So wie die Nachricht von der Weiterleitung von Sabine Saitenspiel treffen nun im Laufe von rund drei Wochen die Weiterleitungen für alle Wertungskategorien aus allen Bundesländern in der Bundesgeschäftsstelle ein. Erst wenn man die gesamte Anzahl der Teilnehmer pro Kategorie und Altersgruppe weiß, kann man an die Gestaltung des exakten Zeitplans gehen.
In einem nächsten Schritt unterteilen die Wettbewerbsmacher den Wertungstag in Wertungseinheiten, die Juryberatungs-Pausen nicht zu vergessen, und bald steht also fest, dass Sabine Saitenspiel am 14. Mai um 10.30 Uhr in der Meistersingerhalle Nürnberg ihr Vorspiel vor der Jury hat.
Sabine Saitenspiel erhält daraufhin von der Bundesgeschäftsstelle “Jugend musiziert“ einen Brief, der ihr nicht nur den Zeitpunkt ihres Wertungsspiels mitteilt, sondern darüber hinaus um die Beantwortung einer Reihe von Fragen bittet, die ihren Aufenthalt beim Bundeswettbewerb betreffen.
Sabines Aufgabe ist es nun, bezogen auf ihr Wertungsspiel den Tag ihrer Ankunft und den Tag ihrer Abreise festzulegen, dazu die Auskunft, ob sie die Teilnehmerverpflegung nutzen möchte – sie kann zwischen vegetarischer und fleischhaltiger Kost wählen –, und schließlich die Meldung, welche Konzerte des Bundeswettbewerbs sie zu besuchen wünscht. Alle diese Daten meldet sie per Post an die Wettbewerbsleitung zurück. Dort werden sie in die Datenbank der Bundesgeschäftsstelle „Jugend musiziert“ eingepflegt und auf dieser Basis ein „Teilnehmerausweis“ ausgedruckt, den Sabine per Post erhält.
„Wer hat in meinem Bettchen geschlafen?“
Den Teilnehmerinnen und Teilnehmern am Bundeswettbewerb “Jugend musiziert“ 2005 werden insgesamt elf Quartiere in Erlangen, Fürth und Nürnberg zur Verfügung gestellt, das sind 671 Betten. Um alle 1.982 Teilnehmer unterzubringen wird also jedes Bett im Laufe der Wettbewerbstage dreimal vermietet. Durchschnittlich bleibt ein “Jugend musiziert“-Teilnehmer drei Tage am Wetttbewerbsort, es herrscht also während der neun Wettbewerbstage ein ständiges An- und Abreisen. Das Thema Unterbringung ist damit eine der größten Herausforderungen für die Organisatoren, und dass es mitunter kleinere Irrtümer gibt, ist einfach nicht auszuschließen. Umso wichtiger, dass „Jugend musiziert“ für jedes Quartier versierte Hausbetreuer vorsieht, die 24 Stunden vor Ort und ansprechbar sind und in ihrem Mikrokosmos zu improvisieren beherrschen.
Und: “Jugend musiziert“ wäre nicht “Jugend musiziert“, wenn es nicht auch Rücksicht auf die Unterbringungs-Wünsche der Teilnehmer nähme. Das Quartier-Formular enthält selbstverständlich die Rubrik „Ich möchte nach Möglichkeit gemeinsam untergebracht werden mit…“
Aug’ in Aug’ mit dem JuMu-Mitarbeiter
Zurück zu Sabine Saitenspiel: Da sie Harfe spielt, in unserem Fallbeispiel mit dem Zug anreist und zuvor um Abholung durch „Jugend musiziert“ gebeten hatte, wird sie am Bahnhof vom Fahrdienst in Empfang genommen und zur Teilnehmerbetreuung gefahren, um sich anzumelden. Die Anmeldeprozedur funktioniert seit nunmehr drei Jahren auf vollelektronischem Weg. Indem Sabine dem Mitarbeiter am ersten Terminal ihren Teilnehmerausweis vorlegt, wird der zugehörige Datensatz aufgerufen. Sodann werden die Angaben auf dem Ausweis zu Übernachtung, Verpflegung und Konzertwünschen nochmals gemeinsam mit ihr abgeglichen und gegebenenfalls aktualisiert. Dann wird Sabine die Teilnehmertasche ausgehändigt: sie enthält das Programmbuch, Stadtpläne, das JuMu-Journal und allerlei andere Info-Materialien. Bei Mitarbeiter Nummer zwei erhält Sabine die Bons für die von ihr bestellten Mittag- und Abendessen, Mitarbeiter Nummer drei vermittelt ihr Übezeiten in einem der vier Übezentren, bei Mitarbeiter Nummer vier kann sie Konzertkarten für sich und ihre Familienmitglieder erwerben. Bis zum Jahr 2003 waren Konzertkarten für Teilnehmerinnen und Teilnehmer gratis und konnten ebenfalls mittels eines Formulars im Vorfeld bestellt werden. Häufig wurden jedoch im Zuge der Wettbewerbseuphorie für alle Konzerte Karten bestellt, während man dann, am Ort des Bundeswettbewerbs angekommen, spontan den Abend doch lieber mit neu gewonnenen Freunden verbrachte und die Konzertkarte verfallen ließ. Deshalb verlangt “Jugend musiziert“ seit 2004 einen Euro pro Karte, um Kontingente im freien Vorverkauf und Abendkasse ein wenig besser steuern zu können.
Der Zeitplan: die wackelfreie Zone
Sabine Saitenspiel wird schließlich vom Fahrdienst in ihr Quartier gefahren, dort wird ihr Eintreffen von der Unterkunftsbetreuung nochmals elektronisch erfasst. Von jetzt ab bis zu ihrer Abreise, kennt die Wettbewerbsleitung nun ihren Aufenthaltsort, weiß, wo Sabine zu Mittag und zu Abend isst, in welchem Quartier sie schläft, wann und wo sie Übezeiten gebucht hat und welche Konzerte sie besuchen wird. Alle Kontaktpunkte des Bundeswettbewerbs sind mit einem Mitarbeiter besetzt, der zwischen Teilnehmerbetreuung und Teilnehmerin vermittelt, Nachrichten überbringt oder über Terminänderungen informiert. Wichtig sind diese Vermittler zum Beispiel, wenn es an die Gestaltung der Preisträgerkonzerte geht und Musikerinnen und Musiker über ihre Mitwirkung informiert werden müssen, wenn Beratungsgespräche verschoben werden oder Interview-Termine gemacht werden müssen. Notfalls per Notizzettel auf dem Kopfkissen kann man Sabine Saitenspiel über Änderungen in Kenntnis setzen und so das komplexe Konstrukt Bundeswettbewerb am Wanken hindern. Störungen müssen so weit es irgend geht, vermieden werden, das gesamte Räderwerk muss geräuschlos laufen: Denn für Sabine Saitenspiel, die es bis zum Bundeswettbewerb geschafft hat, sollen diese Tage voller Konzentration und offen für neue Begegnungen und Erfahrungen sein.
Ob die Fußballweltmeisterschaft im Sommer ähnlich gut organisiert sein wird…?
Bitte beachten Sie auch im Innenteil des Heftes die Beilage
“Jugend-musiziert-Journal 2005“