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Loïc Schneider. Foto: Dorothee Falke
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Es herrschte Einigkeit

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Zum ARD-Musikwettbewerb 2010
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Kunst und Wettbewerb sind sich im Grunde wesensfremd. Doch kommt der Kulturbetrieb ohne Wettbewerbe nicht mehr aus. Nicht nur als Ansporn für die Jugend und zur finanziellen Förderung Hochbegabter durch Siegerprämien. Insbesondere für ausführende Musiker sind Wettbewerbserfolge als Gradmesser für ihren Marktwert nicht mehr wegzudenken. Neun Solisten und zwei Duos haben nun beim 59. Internationalen Musikwettbewerb der ARD in München als Preisträger das Karriere-Sprungbrett erklommen.

Je fortgeschrittener der Wettbewerb, umso enger der Spielraum der Bewertungskriterien und vager das Abwägen. Erst recht bei unterschiedlicher Wahl der Werke im Finale. Hier ist die Flanke weit offen für Angriffe der Kritiker. Doch darum geht es auch: Während für die Kandidaten das Vorankommen zählt, sind Kontroversen am Rande der Motor für öffentliche Aufmerksamkeit und Diskussion über die aktuelle Sicht auf musikalische Interpretation.

Die Entscheidungen der Jurys beim diesjährigen ARD-Musikwettbewerb boten durchaus Stoff dafür, nicht zuletzt aufgrund der Übereinstimmung mit dem Verdikt des Publikums zum Publikumspreis, die den Konzertbesuchern eine hohe fachliche Kompetenz bescheinigt. Oder den Jurys Zugeständnisse an den Zeitgeschmack. Und dem ist eher eine Hinwendung zu wuchtiger, Bühnenpräsenz betonender Präsentation zu bescheinigen. Der deutsche Cellist Julian Steckel erntete mit auf große Wirkung ausgelegter Interpretation breite Zustimmung für sein männliches, kraftstrotzendes Spiel. Gerade im Fach Violoncello war die Entscheidungsfindung nachvollziehbar, da sich alle drei Finalisten einhellig für das Cellokonzert h-Moll op. 104 von Antonín Dvorák entschieden hatten.

Die Bewertung fiel hier zugunsten des geradezu heroischen, das Orchester dominierenden Spiels mit großer, elegischer Spannweite aus, nicht der feinsinnigen Balance zwischen melodischer Führung und klangfarbigem Abtauchen in die orchestralen Verflechtungen des zweitplatzierten Gen Yokosaka aus Japan. Im Preisträgerkonzert fand allerdings auch Steckel zartere Töne von großer Ausdruckskraft. Den dritten Platz errang der Franzose Tristan Cornut, dessen Stärken in der musikalischen Formung im Preisträgerkonzert mit dem kleineren Münchner Kammerorchester ohne Dirigenten und mit Haydn-Literatur deutlicher zur Geltung kamen.

Ähnlich wie bei der in den USA lebenden drittplatzierten Koreanerin Sooyun Kim im Flötenfach, die im Finale in Pendereckis Konzert vor dem Münchner Rundfunkorchester unter der Leitung des Slowenen Marko Letonja Mühe hatte, ihr spannungsgeladenes Spiel überzeugend nach außen zu tragen. Mit ihrer klangfarblichen Wendigkeit errang sie indes, wie Cornut im Cellofach (in Esa-Pekka Salonens Stück), den Sonderpreis für die beste Interpretation der Auftragskomposition von Bruno Mantovani. Mit Einfühlsamkeit glänzte für den zweiten Preis auch die Österreicherin Daniela Koch, doch gab ihr das Flötenkonzert des Tschechen Jindrich Feld nicht die Möglichkeit, derart brillant und bravourös aufzutreten, wie es dem Franzosen Loïc Schneider mit dem „Concierto pastoral“ des Spaniers Joaquín Rodrigo beschieden war. Er meisterte den halsbrecherischen Solopart mit großer Sicherheit und Verve – und erhielt den ersten Preis. Im Preisträgerkonzert rundete das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks unter der Leitung von Christoph Poppen das Gesamtbild einer Klang-Fiesta besser ab. Auch hier zeigte sich also dominante Bühnenpräsenz und Bravour im Spiel als Vorteil. Daniela Koch erhielt indes den erstmals verliehenen Sonderpreis der Freunde Junger Musiker München e.V. zuerkannt.

Um Bühnenpräsenz und Publikumswirksamkeit schien sich der Tscheche Premysl Vojta gar nicht zu kümmern – durch seine Körpergröße im Vorteil. Der ehemalige Leistungsschwimmer gewann den ersten Preis sowie den Sonderpreis für die beste Interpretation des Auftragswerkes von Jörn Arnecke souverän mit tiefschürfender Ausdruckskraft eines beeindruckend plastisch geformten Horn-Klangs. Die Vielfalt der klangsinnlichen Nuancen im Hornkonzert Nr. 2 Es-Dur von Richard Strauss hätte nicht schlüssiger und einfühlsamer gespielt werden können.

Der Ungar Dániel Ember (Konzert B-Dur op. 91 von Reinhold Glière) sowie der deutsche Hornist Paolo Mendes (Strauss-Konzert) teilten sich den zweiten Preis. Der deutschen Finalistin Luise Bruch wurde der erstmals verliehene Sonderpreis U21 zuteil.

Im Fach Klavierduo ließ die Jury,  wie auch zuletzt vor fünf Jahren, den ersten Platz unbesetzt. Das Finale erreichten vier rein weiblich besetzte Duos, zwei Geschwisterpaare errangen Preise: Das Remnant Piano Duo der Schwestern Hyun Joo und Hee Jin June aus Korea mit Mozarts Konzert Es-Dur KV 365 den zweiten, das Zwillingspaar Susan und Sarah Wang aus den USA den dritten. Die Wahl des etwas kantigen und übermütig virtuosen Konzerts E-Dur des 14-jährigen Felix Mendelssohn Bartholdy machte es dem Wang-Duo möglicherweise schwerer, einen wirkungsvollen Bogen zu spannen. Das Österreichische Klavierduo Johanna Gröbner und Veronika Trisko musste sich indes mit dem Sonderpreis für die beste Interpretation des Auftragswerkes von Minas Borboudakis begnügen. Die wunderbar transparente, geradezu puristische Interpretation des Mozart-Konzerts gefiel der Jury weniger als das bisweilen romantisierende, gestaltungsreiche Spiel der Asiatinnen.

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