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Breitkopf-Klavierimprovisationswettbewerb: Unser Bild zeigt die Preisträgerin Clara Plechinger. Foto: Breitkopf & Härtel
Breitkopf-Klavierimprovisationswettbewerb: Unser Bild zeigt die Preisträgerin Clara Plechinger. Foto: Breitkopf & Härtel
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Klavierwettbewerbe der neuesten Generation

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Die Verlage G. Henle und Breitkopf & Härtel sprechen eine junge Klientel an
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Bereits seit einigen Jahren sind Online-Plattformen wie YouTube auch aus dem Bereich der Klassik nicht mehr wegzudenken. Die ukrainischstämmige Pianistin Valentina Lisitsa wurde 2007 durch dieses Videoportal weltbekannt und füllt heute die Konzertsäle. Die Verlage Breitkopf & Härtel und G. Henle folgen diesem Trend und tragen Klavierwettbewerbe aus, die nicht mehr in traditionellen Konzertsälen, sondern im virtuellen Raum auf YouTube stattfinden.

Henle-Klavierwettbewerb

Bereits zum vierten Mal fand 2015 – unterstützt vom DTKV – der Henle-Klavierwettbewerb mit einer stolzen Teilnehmerzahl von 166 Nachwuchspianistinnen und -pianisten statt. Eltern konnten ihre in Deutschland, Österreich oder in der Schweiz lebenden Kinder in zwei Alterskategorien (6 bis 8 Jahre, 9 bis 11 Jahre) via Online-Formular zum Wettbewerb anmelden. Bis zum 26. April musste dann ein Video auf die Plattform YouTube hochgeladen werden, auf dem das Kind ein Stück aus dem „Album für die Jugend“, Op. 68 von Robert Schumann, natürlich aus einer Henle-Ausgabe, vorzutragen hatte. Das Niveau der Teilnehmenden reichte von höchstmusikalischen, professionellen Beiträgen, bis hin zu solchen von Anfängern auf Laienebene. Das liegt nicht zuletzt an der kaum vorhandenen Hürde, die ein Teilnehmender zu überwinden hat. Nahezu jeder kann sein Video – natürlich unter bestimmten Auflagen – hochladen. Das bedeutet für manche Beiträge Qualitätseinbußen, zum Teil künstlerischer Art, oft auch die Bild- und Tonqualität betreffend. Letzteres ist allerdings kein Kriterium der Jury, bestehend aus den Professoren Michael Schäfer (Musikhochschule München) und Claudius Tanski (Mozarteum Salzburg) sowie Wolf-Dieter Seiffert (Geschäftsführer Henle-Verlag). Es geht nicht um ein perfekt inszeniertes Video höchster Tonqualität, sondern um Musikalität, künstlerische Fähigkeiten und nicht zuletzt um die Freude an der Musik.

Diese kann man einem Großteil der Videobeiträge sehr gut entnehmen. Das mag vielleicht an der „relativ gnädigen“ Variante der Wettbewerbsaustragung liegen. Der Vortrag kann beliebig oft wiederholt werden, bevor man eine gelungene Version ins Netz stellt. Das verringert natürlich die Nervosität der Teilnehmer/-innen, welche bei herkömmlichen Wettbewerben, wo es um eine Momentaufnahme in einer Extremsituation geht, die Leistung erheblich beeinträchtigen kann. Setzt man sich gegen die Vielzahl der Konkurrentinnen und Konkurrenten durch, erwarten die 1. bis 3. Preisträger/-innen Geldpreise bis zu 200 Euro. Platziert werden in beiden Altersstufen je zehn Teilnehmende, wobei die 4. bis 10. Platzierten je eine Henle-Urtextausgabe erhalten. Ein Preisträgerkonzert oder Beratungsgespräche gibt es nicht. Die Ergebnisse werden konzeptgerecht online mitgeteilt.

Breitkopf-Klavierimprovisationswettbewerb: „Kreativ an den Tasten“

Improvisationswettbewerbe gibt es bereits, doch der Klavierimprovisationswettbewerb „Kreativ an den Tasten“, initiiert von Breitkopf & Härtel, unter der Schirmherrschaft von Gabriela Montero, unterstützt von der EPTA (European Piano Teachers Association) Deutschland und dem bdpm (Bundesverband Deutscher Privatmusikschulen e.V.) ist in seiner Form bisher einzigartig. Der Wettbewerb wies – mit 13 Teilnehmenden – eine noch steigerungsfähige Beitragszahl auf. Dies liegt vermutlich zum einen daran, dass er 2015 zum allerersten Mal stattgefunden hat, zum anderen, dass Improvisation im Instrumentalunterricht nach wie vor zu kurz kommt. Mit der Austragung eines solchen Improvisationswettbewerbs macht Breitkopf auf diese Lücke aufmerksam und leistet damit einen wichtigen Beitrag für die künftige Instrumentalpädagogik. Auch bei „Kreativ an den Tasten“ muss ein Video aufgenommen werden, wobei „nicht nur“ ein Klavierstück reproduziert werden muss, sondern über vorgegebene zeitgenössische Stücke –  zu erwerben beim Breitkopf-Verlag – unter anderem von den Komponistinnen und Komponisten und gleichzeitig auch Juroren des Wettbewerbs Reinhard Gagel, Andreas Hirche, Sigrid Naumann und Francis Schneider, improvisiert wird. Dazu muss der Teilnehmende noch den Mut haben, seine eigene „Komposition“ auf YouTube online zu stellen und damit für alle zugänglich zu machen.

Das Interesse an den Ausgaben der Pflichtstücke war groß – sie wurden im Verlag verstärkt verkauft – doch die Hemmschwelle wohl für viele noch zu hoch, um tatsächlich am Wettbewerb teilzunehmen. Vielleicht sorgte gerade diese Zurückhaltung für das kons-tant hohe Niveau der Teilnehmenden, die selbstverständlich keine professionellen Pianistinnen und Pianisten sein durften und in drei Altersgruppen aufgeteilt waren. Die erste Altersgruppe reichte von 6 bis 8 Jahren, die zweite von 9 bis 12 und die dritte Altersgruppe war für Teilnehmende ab 13 Jahren bewusst nach oben offen gelassen. Die meisten Teilnehmenden zählte die dritte Altersgruppe. Der älteste Teilnehmer war 25 Jahre alt.

Die Thematik der Klavierimprovisation zu fördern, das lag dem Verlag besonders am Herzen, nicht zuletzt weil Breitkopf mit Ausgaben wie „Ein Klavier geht auf Reisen“, „In Tönen reden“, „Fast nichts – und doch so viel“, „Intervallbuch“ oder „Tagträume und Nachtmahre“ das entsprechende Notenmaterial bietet. Anders als beim Henle-Klavierwettbewerb erhielten die ersten Preisträger von den Juroren einen kleinen Kommentar zum jeweiligen Beitrag. Zu gewinnen gab es neben Noten- und Geldpreisen bis zu 300 Euro (für den Erstplatzierten der Alterstufe III), die Teilnahme an einem Klavierimprovisationscamp, denn dem Verlag war es wichtig die Thematik auch nach dem Wettbewerb nachhaltig zu vertiefen. Das Camp findet am 19. und 20. September 2015 im „exploratorium“ in Berlin statt, und steht allen interessierten Pianistinnen, Pianisten sowie Klavierpädagoginnen und -pädagogen gegen eine Teilnahmegebühr von 100 (ermäßigt 50) Euro offen. (Informationen dazu unter www.exploratorium-berlin.de/klavier-improvisationscamp)

Ein großer Vorteil von Online-Wettbewerben ist der verhältnismäßig geringe Aufwand für die Teilnehmenden und damit verbunden auch für deren Eltern: Benötigt werden lediglich eine Kamera und wenige Minuten Zeit, um sein Kind zu filmen. So sparen sich die Eltern Teilnahmegebühren und lange Fahrten zu Austragungsorten. Dieser geringe Aufwand kann allerdings auch zum Nachteil werden, indem es – wie oben erwähnt – jedem möglich ist, einen Videobeitrag beizusteuern. Das birgt die Gefahr eines Niveauverlustes. Unschlagbar jedoch ist das Erreichen einer großen Masse an Publikum: Die Musizierenden können auf einem Videoportal deutlich mehr Zuschauer erreichen als bei herkömmlichen Wettbewerben oder gar Preisträgerkonzerten. Bereits über 2.500 Aufrufe, und damit Zuschauer, zählt das Video der 1. Preisträgerin der Alterskategorie I beim Henle-Wettbewerb. Ein unerfüllbarer Traum für jedes Preisträgerkonzert!

Doch können und sollen Online-Wettbewerbe die herkömmlichen ersetzen? Nein. Steht doch gerade beim Musizieren das Miteinander, der Austausch, auch mit dem Publikum, im Vordergrund. Dieser kann vor der Kamera oder vorm Bildschirm nicht in der nötigen Weise stattfinden, denn Musik und Stimmung live mitzuerleben, bleibt unersetzlich. Online-Wettbewerbe sind höchstmodern und eine interessante Abwechslung zu den gängigen Competitions. Doch, dass sich die traditionellen Wettbewerbe im „echten Leben“ seit vielen Jahrzehnten bewähren, kommt nicht von ungefähr. Zu ersetzen sind sie keinesfalls. Mit der Zeit zu gehen, sie mit neuen Formen zu ergänzen – das tut ihnen jedoch keinen Abbruch.

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