5 spannende Tage, 14 gespitzte Ohren einer kompetenten Jury, 28 aufgeregt klopfende junge Musikerherzen aus aller Welt, an die 30 meisterhafte Kompositionen, 112 schwingende Seiten – und am Ende vier strahlende südkoreanische Gewinner.
So lässt sich der internationale Mozartwettbewerb telegrafisch kurz und bündig zusammenfassen. Das, was zwischen diesen spärlichen Zeilen passiert ist, macht jedoch die Magie des 11. internationalen Mozartwettbewerbs aus, der in diesem Jahr zum ersten Mal seit 1995 wieder in der Kategorie Streichquartett ausgetragen wurde. Lukas Hagen, Primarius des renommierten Hagen Quartetts und Vizerektor des Mozarteums, hat gemeinsam mit einem engagierten Team und einer hochkarätigen Jury in Salzburg einen Wettbewerb für alle Sinne geschaffen. Bedeutet Wettbewerb für die Teilnehmer normalerweise Stress pur, so konnte es hier tatsächlich vor allem um eines gehen: um die Musik. Das Repertoire, das die sieben teilnehmenden Streichquartette für die einzelnen Runden vorbereiten mussten, war in höchstem Maße anspruchsvoll. Bereits in der ersten Runde stand neben einem kompletten Streichquartett von Joseph Haydn und einem vollständigen romantischen Werk nach Wahl auch der erste Satz aus Mozarts Quartett in F-Dur KV 590 auf dem Programm: ein raffiniert-tückisches musikalisches Häppchen, in dessen knapp 13 Minuten sich absolut kein Makel verstecken ließ.
Lukas Hagen hatte im Vorfeld des Wettbewerbs viel zum Thema „Bewertung“ gelesen und kam zu dem Schluss: Eine Bewertung an sich ist kompliziert – denn sie ist und bleibt nun mal immer subjektiv. Und ein mathematisches Punktesystem in Verbindung mit Musik widerstrebt ihm schon mal ganz grundsätzlich. So war es eine schlüssige Entscheidung der Jury, nach der ersten Runde alle sieben Quartette in den nächsten Durchgang zu wählen, um sich einen zweiten Eindruck zu verschaffen und den Musikern eine weitere Chance zu geben, auch noch andere Facetten zu präsentieren.
Die vier Musiker des Novus String Quartet überzeugten ab der ersten Note mit großem musikalischem Ausdruck und unbändiger Erzählfreude. Das Haydn-Quartett Nr. 23 in f-Moll, das sie für die erste Runde ausgewählt hatten, geriet zu einem Feuerwerk der Farben, und auch den verzwickten Mozart zelebrierten sie mit leichtfüßiger Eleganz. Im darauf folgenden f-Moll-Quartett op. 80 von Felix Mendelssohn Bartholdy ließen die vier südkoreanischen Musiker ihre Instrumente so klangschön singen, dass nach dem zweiten Satz jemand im Publikum laut und vernehmlich vor Ergriffenheit seufzte.
Neben den durchweg bemerkenswerten Auftritten des Novus String Quartet, das schließlich verdient mit dem mit 20.000 Euro dotierten ersten Preis ausgezeichnet wurde, hielt der Wettbewerb jedoch noch weitere Sternstunden musikalischer Ausdruckskraft bereit: Das französisch-ukrainisch-australische Quatuor Lumière beispielsweise verzückte mit Haydns Quartett Nr. 23 op. 20/5 und dem zweiten Streichquartett von Dmitri Schostakowitsch durch einzigartige Leuchtkraft. Vor allem der französische Primarius David Gueran überzeugte mit einer scheinbar grenzenlosen Freiheit auf seinem Instrument, die er in anmutige Klangschönheit und intelligente Phrasierung investierte. Das französische Quatuor Varèse erlebte seine glanzvollste Stunde mit Beethovens Quartett op. 18, Nr. 1 in F-Dur. Das Stück passte den Musikern wie ein Handschuh. Furchtlos tauchten die vier Musiker in Beethovens Seelenleben ein, hatten hier und da den Mut, das Publikum zu erschrecken oder auch zwischendurch mal Atem zu holen. Nach dem zweiten Satz brandete spontan euphorischer Zwischenapplaus auf. Gänsehautgarantie in der Jury, verriet Juror Andreas Arndt, der Cellist des renommierten Auryn Quartetts. Den Erzählwillen eines Ensembles zu spüren, hielt er für das am meisten ausschlaggebende Kriterium in der Bewertung.
In dieser Hinsicht waren auch die Interpretationen der Werke des 20. Jahrhunderts, die im zweiten Durchgang auf den Notenpulten lagen, besonders aufschlussreich. Die Musiker konnten zwischen den „fünf Sätzen für Streichquartett op. 5“ von Anton Webern und den „12 Mikroludien op. 13“ von György Kurtág wählen. Alle hatten sich intensiv mit dem Notentext auseinandergesetzt, das war spürbar. Doch zwischendurch hielt dann diese besondere Magie Einzug, die urplötzlich entsteht, wenn einfach alles stimmt. Im Webern des Novus String Quartet war das der Fall. Auch wenn man das Stück an diesem Tag zum bereits vierten Mal hörte, schafften die Musiker es, daraus mit dynamischer Tiefenschärfe und hemmungslosem Ausdruck noch einmal völlig neue Musik zu machen. Und auch das Quatuor Varèse präsentierte Weberns Werk mit einer solchen Intensität, dass man regungslos auf der vordersten Stuhlkante gebannt bis zur letzten Sekunde zuhören musste. So war es keine Überraschung, dass sich auch genau diese Quartette schließlich unter den Finalisten wiederfanden.
Das Novus String Quartet legte in der letzten Runde dann mit dem Quartettsatz von Franz Schubert, der lyrischen Suite von Alban Berg und Mozarts Es-Dur-Quartett die Messlatte hoch an. Doch auch die Musiker des Quatuor Lumière und des Quatuor Varèse konnten sich am letzten Tag als würdige Finalisten präsentieren und ernteten im vollbesetzten „Solitär“ des Mozarteums enthusiastischen Applaus.
Obwohl die Entscheidung der Jury nach fünf Tagen voller Musik bei der Suche nach einem würdigen ersten Preisträger zugunsten des Novus String Quartet ausfiel, fuhr nach diesem Wettbewerb sicher keines der Ensembles mit einem Gefühl der Niederlage nach Hause. Das ist wahrscheinlich das schönste Ergebnis, zu dem so ein musikalisches Kräftemessen kommen kann.