Der Ton in der Diskussion um Baden-Württembergs Musikhochschulen verschärft sich. Nachdem Mannheims Hochschulpräsident mangelnde Solidarität beklagt hatte, melden sich nun die Verantwortlichen aus Freiburg, Karlsruhe und Stuttgart zu Wort. In einer gemeinsamen Erklärung verteidigen sie ihre Zustimmung zu den Plänen aus dem Wissenschaftsministerium.
In der Erklärung, die bisher nur auf der Homepage der Karlsruher Hochschule nachzulesen ist, äußern sie sich dahingehend, dass die Pläne, von den fünf bisherigen nur drei als „Voll-Hochschulen“ zu erhalten, als „Chance für alle fünf Standorte begriffen werden“ müssten. Gleichzeitig widersprechen sie „in aller Schärfe“ der Meinung Rudolf Meisters, „bei den Vorschlägen des Landesrechnungshofes, an allen fünf Standorten lineare Einsparungen zu leisten, ginge es um ein ‚faires‘ Angebot. Vielmehr stehe dies dies „jeglichem Verständnis von Qualität entgegen“.
Diese Meinung hat sich offenbar auch im SWR durchgesetzt. In einem abschließenden Kommentar äußerte sich Wibke Gerking am Ende einer Themenwoche in der Sendung „SWR2 Cluster“ unter anderem wie folgt: „Im Wissenschaftsministerium scheint doch einiger Sachverstand aufgewandt worden zu sein […] Es war mutig einen anderen, klügeren, aber auch härteren Weg vorzuschlagen [als der Landesrechnungshof, Anm. nmz-Red]. Was Trossingen betrifft, wäre es ehrlicher, diesen Standort aufzugeben, statt ihn zu einer Rumpfhochschule degradieren und langsam ausbluten zu lassen. So oder so wäre die geplante Umstrukturierung ein harter Schlag für die Regionen Mannheim und Trossingen, aber trotzdem ist es besser, wenige, exzellente Hochschulen zu haben als viele mittelmäßige. Zumal Musikhochschulen schließlich und endlich nicht dazu da sind, die Regionen kulturell aufzuwerten, sondern um Musiker auszubilden.“ (Der komplette Kommentar ist als mp3-Download nachzuhören unter: http://mp3-download.swr.de/swr2/musik/cluster/2013/07/640445.19244s.mp3)
Die „Erklärung der Musikhochschulen Freiburg, Karlsruhe, Stuttgart zur öffentlichen Diskussion der geplanten Umstrukturierung der baden- württembergischen Hochschullandschaft“ im Wortlaut:
Nachdem sich alle fünf Musikhochschulen des Landes zunächst vehement gegen jede Form von Kürzungen geäußert hatten und es den Hochschulen nicht möglich war, die nicht belastbar argumentierte Behauptung des Landesrechnungshofes zurückzuweisen, es gäbe zu viele Studienplätze angesichts deutlich zurückgehen- der Berufschancen, wurden seitens des Ministeriums für Wissenschaft und Kunst drei Modelle zur Haushaltskonsolidierung zur Diskussion gestellt:
1. Alternative
Die Kürzung aller fünf Musikhochschulen im Lande gemäß der Beratenden Äußerung des Landesrechnungshofes mit dem Ziel, 5 Millionen für den Landeshaushalt einzusparen. Dies würde eine Kürzung von 20% der Studienplätze und landesweit den Verlust von rund 50 Professuren bedeuten.2. Alternative
Die vollständige Schließung einer Hochschule.3. Alternative
Die strukturelle Neudefinition der Musikhochschulen an den bestehenden fünf Standorten. Dieser von den externen Experten am Ende der vier- tägigen Beratungen im Ministerium einstimmig unterstützte Vorschlag beinhaltet Verschlankung aller Standorte, weitere Profilierung von drei Hochschulen und Spezialisierung zweier Standorte im Land.Wir meinen, es muss als Chance für alle fünf Standorte begriffen werden, die Schließung eines Standortes zu vermeiden und mit konstruktiver Mitwirkung das umzusetzen, was Frau Ministerin Bauer von Anfang an vorgegeben hatte, nämlich, die Qualität der Musikhochschulen im Lande nicht nur zu sichern, sondern sogar zu mehren und damit die Hochschullandschaft weiterzuentwickeln
- und dies trotz unvermeidlicher Sparmaßnahmen zur Konsolidierung des
Landeshaushaltes bis 2020 im Interesse der nachfolgenden Generationen.So handelt es sich bei der dritten Alternative keineswegs - wie öffentlich dargestellt - um »Schließung« oder gar »Kahlschlag«. Auch muss der Meinung der Mannheimer Hochschulleitung in aller Schärfe widersprochen werden, bei den Vorschlägen des Landesrechnungshofes, an allen fünf Standorten lineare Einsparungen zu leisten, ginge es um ein »faires« Angebot, und trotz Rasenmäherkürzungen könnten die Hochschulen »irgendwie« damit fertig werden. Dies steht jeglichem Verständnis von Qualität entgegen.
Wir halten es für nicht akzeptabel und nicht möglich, die Maßgaben
des Landesrechnungshofes durch folgende Maßnahmen (Vorschlag Mannheim / Trossingen) zu erfüllen:- die Vollfinanzierung sämtlicher Aufbau- und Weiterbildungsstudiengänge durch
Studiengebühren (10.000 bis 18.000 € pro Studienplatz pro Jahr)
- die Aufforderung an die Professorenschaft, mittels kostenloser Deputats- erhöhung (»freiwilliges« Überdeputat) Stellen einzusparen
- die extreme Reduzierung der Professuren (Angebot Mannheim:
von 55 auf 30!), womit der universitäre Status der Musikhochschulen unverantwortlich aufs Spiel gesetzt wird.Insofern würde gerade die Umsetzung der Vorschläge des Landesrechnungshofes den »Kahlschlag« in der baden-württembergischen Hochschullandschaft bedeuten, würde gerade damit die historisch gewachsene Exzellenz der baden-württembergischen Hochschulen nachhaltig zerstört, würde Qualität unwiederbringlich nach unten nivelliert.
Freiburg, Karlsruhe und Stuttgart sind bereit, zum Umstrukturierungsprozess ihren Beitrag zu leisten. Denn wir sind davon überzeugt, dass allen Musikhoch- schulen im Lande mit der vorgesehenen Umstrukturierung große Chancen für Profilierung und Qualitätsmehrung erwachsen.
Auch würde die ganzjährig arbeitende Hochschulakademie an der Hochschule Trossingen dem Musikland Baden-Württemberg mit einem von allen fünf Musikhochschulen verantworteten Lehrangebot der Schwerpunktbildung ein Alleinstellungsmerkmal sichern, um das uns mit Sicherheit bald viele beneiden werden.
Dr. Rüdiger Nolte, Hartmut Höll, Dr. Regula Rapp