Im Rahmen der Festspiele bot der SWR einigen Studierenden die Möglichkeit, sich im Vorfeld einer Aufführung der Oper „Bluthaus“ von Georg Friedrich Haas und Händl Klaus in mehreren Workshops mit Fragestellungen zum Neuen Musiktheater auseinanderzusetzen.
Durch die Betrachtung verschiedener Werke von Händl Klaus wurden die Teilnehmer/-innen eines Librettoworkshops Schritt für Schritt an die stilistischen Merkmale der Texte und die Besonderheiten des Librettos zur Oper Bluthaus herangeführt. Fragen nach der Werkgenese, dem Sujet und sprachlichen Auffälligkeiten dieser Arbeit – beispielsweise das „atemlose Sprechen“ der Figuren – wurden im direkten Austausch mit dem Autor persönlich diskutiert – eine einmalige Erfahrung. Reger Gedankenaustausch dominierte auch den Dramaturgieworkshop: Katja Leclerc, die Dramaturgin der Schwetzinger SWR Festspiele, wusste um die verschiedenen Backgrounds der Teilnehmer/innen und bot sozusagen einen „Einführungsvortrag plus“. Partitur, Text und Musikbeispiele wurden herangezogen und gemeinsam im Hinblick auf die Konstellation der Figuren und die wesentlichen Motive der Oper (die sich um das Thema sexueller Missbrauch formieren) durchleuchtet, wobei viel Raum für Interpretation und einen individuellen Zugang blieb.
Einen „Kontrapunkt“ zu den grausamen Geschehnissen des Librettos bildet die Musik durch die – am dramatischen Wendepunkt des Werks – bewusste Verwendung reiner c-Moll-Akkorde und tonaler Melodien. Georg Friedrich Haas, der den Studierenden im Kompositionsworkshop die Stilelemente seiner Komposition eindrucksvoll am Klavier demonstrierte, verwies bei einem gemeinsamen Blick in die Partitur auf die besondere Rolle des Oberton-Akkords in seinem Werk. Zugleich zeigte die Zuordnung von Schlaginstrumenten zu den Parts der Schauspieler/innen, dass die musikalische Konzeption des Komponisten neben ästhetischen auch von pragmatischen Überlegungen geprägt ist, denn die rhythmische Textur erleichtert den Sprecher/innen die Orientierung. Nach diesem spannenden Diskurs verließen die Teilnehmer/innen den Workshop – vielleicht angesteckt von der Euphorie des Komponisten, ganz sicher aber gespannt auf die abendliche Aufführung.
Der Blick auf die Inszenierung von Klaus Weise war infolge der Workshops ungleich intensiver, differenzierter, aber auch mit hohen Erwartungen verbunden: Jeder hatte mental schon eigene Bilder kreiert, die den (mehrschichtigen) Text mit der fragmentarischen Geistersprache der verstorbenen Eltern und die Musik mit ihren sphärischen Obertönen weiter ausdeuteten. Der Bühnenraum, ein zweistöckiges Wohngebäude mit beweglichen Wänden aus halbdurchsichtigem Milchglas, dessen Verschachtelungen immer wieder neue Spielräume für Schauspieler und Sänger boten, war eine durchaus angemessene Kulisse für einen von vergangenen Geschehnissen überschatteten Ort. In jeder Facette der Inszenierung – besonders im Hinblick auf die Personenführung und -konzeption – waren der Uraufführungscharakter und die fast naturalistische Nähe zum Text zu spüren. Beim abschließenden Gespräch mit einigen Beteiligten der Produktion am nächsten Morgen wurden verschiedenste Eindrücke und Ansichten zur Oper Bluthaus und ihrer szenischen Umsetzung zusammengetragen und zur Diskussion gestellt. Auf diese Weise endete das Workshop-Wochenende mit einem Gefühl von gegenseitiger Bereicherung, aber auch mit dem Wunsch nach Fortsetzung.