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Foto: Juan Martin Koch
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Das leidige Jammertal gibt es in Bremen nicht

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Ungewöhnliches Konzept, gelungene Premiere: zur neugegründeten Jazzmesse „jazzahead!“
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Am fehlenden Publikum lag’s nicht, dass es zur spontan einberufenen Jam-Session dann doch nicht kam; es mangelte schlicht an Musikern, willens, sich in der einstündigen Pause zwischen zwei samstagabendlichen Festivalkonzerten ein paar Standards um die Ohren zu hauen. Eine schöne Sache hätte das werden können: Hochschuljazzer und die Heroen vom German Jazz Meeting auf einer Bühne, aber viel-leicht ahnten die schon, dass sich eine solch traditionsbehaftete Spielart inmitten dieser ausdrücklich nach vorne blickenden Veranstaltung ein wenig merkwürdig ausgenommen hätte.

Nein, nicht jenes leicht nostalgisch auf Kontinuität setzende „Keep swinging“ gab den Ton an in Bremen, „jazzahead!“ war vielmehr Titel und Motto eines Wochenendes, das wahrlich ein in die Zukunft gerichtetes Ausrufezeichen setzte. Mit „Jazzmesse“ wäre es frei-lich auch nur unzureichend umschrieben gewesen, obwohl die Ausstellung selbst sich durchaus schon sehen lassen konnte. Labels und Veranstalter, Instrumentenhersteller und Agenturen, Jazzorganisationen, Musikhochschulen und Verlage: Insgesamt 80 Aussteller vermittelten einen durch-aus repräsentativen Eindruck von dem, was man mit ein wenig Selbstbewusstsein den Wirtschaftsfaktor Jazz bezeichnen könnte.

Für den Bremer Messechef Hans Peter Schneider steht als bekennender Jazzfan, Initiator und Antreiber dieser ersten „jazzahead!“ fest, dass es sich in einer so klar umrissenen Szene schnell herumsprechen wird, welchen Achtungserfolg man beim Start erzielt habe: „In drei Jahren wird die Bude so voll sein, dass man sich am Samstag ärgern wird, nicht schon am Freitag gekommen zu sein.“ Das ist in etwa der Zeitraum, in dem Schneider die „jazzahead!“ in den Bereich führen will, wo es für die Messegesellschaft auch wirtschaftlich interessant zu werden beginnt. Zunächst investiert man, und das erfreulicherweise in Inhalte. In einer Zeit, da die Frankfurter Messe sich von solchen zu verabschieden scheint, umso erfreulicher.

Denn der Bremer Clou bestand darin, es nicht beim Jazz als Wirtschaftsfaktor zu belassen, sondern diesen Aspekt einerseits um eine überraschende Facette zu bereichern und andererseits den künstlerischen Bereich und das Thema Ausbildung konsequent mitzudenken. So machten sich zum einen in einem separat abgehaltenen Management-Seminar Businessmenschen darüber Gedanken, wie Strukturmerkmale des Jazz gewinnbringend in die Führung eines Unternehmens miteinbezogen werden könnten. Und so sorgten zum anderen die weiteren „Module“, Symposium, Festival und German Jazz Meeting (GJM), dafür, den vorgegebenen Rahmen mit Substanz zu füllen.

Gerade das GJM erwies sich als der entscheidende Identität stiftende und integrierende Bestandteil der „jazzahead!“. Hier trafen alle Interessen gebündelt zusammen: die der Musiker, die schon lange auf ein Forum warten, sich für internationale Auftritte empfehlen zu können; die ihrer Agenten und Produzenten; die der gut 60 geladenen Veranstalter aus 27 Ländern und die des Publikums, das schnell erkannte, dass dies eine höchst attraktive Konzertform sein kann.

Vorausgesetzt, die Künstler nehmen die Vorgabe eines nur 20-minütigen Auftritts als Chance und nicht als Einschränkung an. Und hier schlug nun die Stunde großartiger Musiker und Bands, die sich dieser Herausforderung allesamt mit Bravour stellten, darunter das Florian Ross Trio, Nils Wograms „Root 70“ oder der faszinierende Michael Schiefel, der Thärichens Tentett und der Formation „Jazzindeed“ seine Stimme verlieh. Alle konnten sie auf ihre jeweils ganz eigene Weise einen kurzen, aber intensiven Bogen spannen, der ihr Potenzial klar erkennbar machte. Das waren zweimal vier Stunden, die unterhaltsamer, informativer kaum hätten ausfallen können.

Auch das abendliche Festival machte mit dem Bobo Stenson Trio, Bugge Wesseltoft oder der umjubelten Maria João einen recht weiten Bogen um den Mainstream herum. Von John Scofields Ray-Charles-Hommage und Randy Breckers Mitwirkung am Engstfeld/Weiss-Quartett abgesehen, war das ein klar auf den europäischen Jazz fokussierendes Programm, das Uli Beckerhoff, künstlerischer Leiter der „jazzahead!“, da zusammengestellt hatte. Und genau dorthin, nach Europa, will sich die Bremer Messegesellschaft auch entwickeln. Projektleiterin Sybille Kornitschky hat schon die Planungen für das European Jazz Project im Blick, das sich mit dem GJM im Zweijahresturnus abwechseln wird: „Für den Antrag an die Europäische Kommission haben wir schnell fünf Partnerländer gefunden: Finnland, Schweden, Norwegen, Ungarn und Italien. Es können aber natürlich weitere hinzukommen, die Musiker nach Bremen schicken und die im Gegenzug deutsche Bands einladen werden.“ Im Wechsel mit dem GJM sei dies eben jenes gegenseitige Geben und Nehmen, das einen echten Austausch ausmache.

Entscheidend für den Erfolg der „jazzahead!“ 2007 wird sein, inwieweit die Gastspiele an die Attraktivität des GJM werden anknüpfen können. Und ob es gelingt, die Musikhochschulen und deren Klientel besser anzusprechen und zu integrieren. Bei der Premiere hatten sich nur diejenigen Institute zu einem Stand durchringen können, die auch die Möglichkeit hatten, sich in den Vormittagskonzerten der Dozenten und Studierenden zu präsentieren. Weder dieser Termin noch die von der Ausstellung im Kongresszentrum doch einigermaßen isolierte zweite Halle waren dazu angetan, bei den Hochschulvertretern Euphorie auszulösen.

Die keineswegs beratungsresitent wirkenden Macher zogen schon am zweiten Tag Konsequenzen aus der unbefriedigenden räumlichen Trennung und verlegten kurzerhand sämtliche Diskussionsrunden in die bis dahin recht verwaiste Halle. Korrekturbedarf besteht wohl auch beim Symposium selbst, das dem Motto „starttalkingjazz!“ noch kein rechtes Leben einzuhauchen vermochte. Natürlich saßen da interessante und kompetente Gesprächspartner zusammen, aber es erwies sich als relativ spannungsarm, dass jeweils vier Clubbetreiber, Festivalmacher oder Radioredakteure unter sich blieben.

Über mehr oder weniger angeregte Plaudereien kam das oft nur dann hinaus, wenn sich einmal eine Stimme aus dem Auditorium erhob und den Blickwinkel änderte. Als Informationsbörse für die ursprünglich als Zielgruppe anvisierten Jungjazzer auf dem Sprung ins Business dürften die Veranstaltungen ebenfalls wenig ergiebig gewesen sein, vielleicht kann auch hier ein von mehreren Seiten vorgeschlagener Thementag in Zukunft Abhilfe schaffen. Mancher Geburtswehen zum Trotz: Wenn der Eindruck nicht täuscht, dann war diese erste „jazzahead!“ das bemerkenswerte Eröffnungskapitel einer Erfolgsgeschichte, die sich dem Mut verdankt, dort neue Wege einzuschlagen, wo sonst gerne das Jammertal angesteuert wird. Die streckenwei-se geradezu euphorische Zustimmung der Aussteller, der Musiker und der insgesamt etwa 3.500 Besucher sollte den Machern Ansporn sein, die „jazzahead“ mit allen Beteiligten nun konsequent weiterzudenken und zu einer Institution zu machen. Der Anfang ist gemacht, oder wie Wolfram Knauer, Leiter des Jazzinstituts Darmstadt, es formulierte: „Alles fängt klein an, und dafür, dass das hier klein angefangen hat, war es schon ziemlich groß.“

Optische und akustische Eindrücke von der jazzahead! unter:
http://media.nmz.de

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