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Das wichtigste Album der Pop-Geschichte

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Auch nach 40 Jahren streitet man noch über „Sergeant Pepper“ und spielt die Songs nach
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Die „Swinging sixties“ waren ein rasches Jahrzehnt. In kürzester Zeit veränderte sich fast alles. Es kam zwar nicht zur großen Revolution, von der manche ein wenig leichtsinnig träumten, aber Lebensformen, Alltagskultur, Kunst machten eine so heftige Metamorphose durch, dass, wer 1965 für einen langen Schlaf die Augen schloss, 1968 das meiste nicht wiedererkannt hätte.

Das gilt auch und gerade für die Pop-Musik und vor allem für die wichtigste Band des Jahrzehnts, die Beatles. Es ist ein weiter Weg von den eingängigen Melodien und der Handmade-Fröhlichkeit der „love me do“-Ära bis zu den Sound-Finessen von „Sergeant Pepper“, diesem, wie es meist heißt, ersten Konzept-Album. Wobei das „Konzept“ bei diesem Album für die Beatles so etwas ist wie der „Roman“ für Goethe bei „Wilhelm Meisters Wanderjahren“. Man hat eine Reihe famoser Einzelstücke (Erzählungen, Maximen und Reflexionen, Zeitkommentare), was fehlt ist der rote Faden beziehungsweise der Rahmen; den bastelt man sich notdürftig zurecht und liefert ihn nach. Im Fall der Beatles funktionierte das hervorragend: Als der „Rolling Stone“ 2003 nach den besten Alben der Pop-Geschichte suchte, landete „Sergeant Pepper“ wie selbstverständlich auf Platz eins. Der Veröffentlichungstermin (offiziell der 1. Juni ’67) musste vorgezogen werden, weil einzelne Radio-Stationen schon Wochen vorher die Songs rauf und runter spielten und die ersten Schwarzpressungen bereits den Markt verstopften. Im Kontext der wilden 60er-Jahre mit ihrer eher laschen Haltung in Fragen des (geistigen) Eigentums war solcher „Diebstahl“ das größte Kompliment. Vielleicht genauso wichtig: die Neugier, der Respekt der Kollegen. Schon im Jahr des Erscheinens begannen die Großen der Szene die „Pepper“-Songs ... nein, nicht nachzuspielen, sondern regelrecht zu analysieren, auseinanderzunehmen und neu zu interpretieren. Die Beach Boys, psychedelische Surfer und wie die Beatles beides: gnadenlose Populisten und experimentiersüchtige Avantgardies, zelebrierten ihre kalifornische Version von „With a little help from my friends“; das Lied, mit dem Joe Cocker im Jahr darauf beim Woodstock-Festival zum Welt-Star wurde.

Ein guter Song ist wie ein Mythos: Er verlangt danach, immer wieder gesungen zu werden; er passt zu vielen neuen Lagen. 1975 etwa, da gab es die Beatles schon ein halbes Jahrzehnt nicht mehr und die Hippie-Euphorie des „summer of love“ war dem Mehltau der Ernüchterung, ja Depression gewichen („no future“), wurde die Elton-John-Version von „Lucy in the Sky with Diamonds“ zur Nummer 1. Was ist da passiert? Mutierte da ein angebliches Kinderlied – John Lennon beschrieb gern, wie er von einer Zeichnung des kleinen Julian angeregt wurde –, hinter dem aber die meisten immer schon ein leicht entzifferbares Drogen-Kryptogramm („LSD“) vermuteten, zur für Hetero-Bedürfnisse leicht maskierten Hymne der neu-selbstbewussten Schwulen-Community? Bis heute gibt es zahlreiche „Pepper“-Cover-Versionen, von fast schon mainstreamig-beatlesnahen bis zu sehr schrägen, undergroundigen, die im gewollten Abseits das ultimative Potential der Songs ergründen. Michelle Shocked hat sich an den Beatles versucht, die einstigen Indie-Heroen Triffids, die Noise-Popper von Sonic Youth und am wunderbarsten vielleicht der rüde „Fall“-Prophet Mark E. Smith, den John & Paul wunderlicherweise zu einem Singen jenseits der üblichen enragierten Nölerei veranlassen. Rechtzeitig zum vierzigjährigen „Pepper“-Jubiläum gibt es jetzt auch eins der üblichen „Tribute“-Alben.

Was aber war nun, im Rückblick, das Revolutionäre und Einzigartige an „Sergeant Pepper“? Das honig-bunte, aufklappbare, von einem Pop-Artisten gestaltete Cover, auf dem, John Lennon war wohl die treibende Kraft, die Heroen der Band, von den üblichen Verdächtigen (Einstein & Co.) bis zu dem „brave new world“-Romancier und „doors of perception“-Drogenexperten Aldous Huxley zu sehen waren. Die amoralische Wahl galt auch Hitler und Jesus, die erst späten zensierenden Bedenken zum Opfer fielen. War drogenumnebelt und gurubefeuert alles Pop? Jedenfalls war George Harrison im Winter ’66, unmittelbar vor den Aufnahme-Sessions aus Indien zurückgekehrt und steuerte ein wunderbar eingängiges und doch torkelnd-transzendentes, von Sitar und indischen Klang- und Kompositionswelten zeugendes „Within You, Without You“ bei. Und Lennon/McCartney legten, in der Dylan-Nachfolge, jetzt so viel wert auf ihre surreal verfremdeten Alltags-Lyrics, dass die Songtexte bei „Sergeant Pepper“ erstmals vollständig auf der Hülle abgedruckt wurden. Ansonsten war das Album natürlich die überbietende Antwort auf die experimentelle Phase der Beach Boys („Pet Sounds“) erfüllt von den Klang-Basteleien des Produzenten George Martin, die dieser (hauptsächlich, nicht ausschließlich) mithilfe der Vier-Spur-Geräte in den EMI-Studios in der legendären Abbey Road schuf. Kein Wunder, dass es auch Stockhausen aufs Cover schaffte; denn es wurde heftig collagiert und montiert, O-Töne und 40-köpfige Orchester kamen ins Spiel, Tiere gaben Laut und Bänder liefen auf schwindelnde Weise rückwärts: „Sergeant Pepper“, ein großer Sprung für die popverrückte Menschheit und doch vor allem eine Kollektion herrlicher Songs, die auch nach 40 Jahren völlig frisch, „staubfrei“ wirken.

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