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Das Wort Kind soll seinen wunderbaren Klang behalten

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Rolf Zuckowski über gute Musik für Kinder, U- und E-Musik und die Grenzen zwischen Kind- und Erwachsensein
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Er ist der Star der kreativen Köpfe, die seit Jahrzehnten Musik für Kinder erfinden und gestalten: Rolf Zuckowski. Seine Hits wie „In der Weihnachtsbäckerei“ oder „Wie schön, dass du geboren bist“ gehören inzwischen zum Volksliedgut. Ursula Gaisa (nmz) sprach mit ihm auf dem Podium der Halle 3.1.

Ursula Gaisa: Was ist für Sie gute Musik für Kinder?

Rolf Zuckowski: In jeder Kategorie gibt es bestimmte Songs, die bestimmte Menschen unglaublich schön finden, andere haben kein Ohr dafür. Für mich heißt Musik für Kinder zuerst, dass der, der das Lied singt, macht, erfindet, genug Kind ist und nicht Kinder bedienen will. Dazu gehört aber auch eine Menge Handwerkliches, was wachsen muss. Wenn Kinder die Lieder singen sollen, dann sollten sie auch singbar sein, nicht zu simpel, aber auch nicht zu anspruchsvoll, sie sollten Geschichten erzählen, in denen sich Kinder wiederfinden oder in denen sie neue Welten entdecken können – ich mag aber auch besonders, dass Kinder in ein Lied hineinwachsen können, dass sie es nicht sofort vollständig verstehen, sondern vielleicht Geheimnisse in einem Lied entdecken. Wenn dann auch noch diese Musik Kinder zum Musizieren, zum Spielen, zum Aufführen anregt, dann ist das in der Summe sicher gute Musik für Kinder.

: Thema Kindergarten, Schulmusik: Was würden Sie persönlich staatlichen Institutionen empfehlen. Was läuft schief bei uns?

: Die Ausbildung von Erzieherinnen, Lehrern sollte Musik wieder ganz zentral wichtig nehmen. Dafür muss es einen guten Unterricht an der Hochschule und den Universitäten für die Erwachsenen geben, aber dieser Unterricht muss auch vom Kind her gedacht werden. Ich glaube, dass viele Musiklehrer zu guten Instrumentalisten und nicht zu guten Lehrern ausgebildet werden. Damit die, die jetzt Kinder unterrichten oder im Kindergarten Musik machen, obwohl sie nicht gut ausgebildet sind, mit den Kindern schnell musikalische Erfahrungen machen und die Freude der Musik an die Kinder heranbringen können, eignen sich nach meiner Erfahrung Singspiele, Aufführungsprojekte oder Themenwochen am allerbesten. Man kann sich dann der Musik auch nähern, indem man sie aufführt. Meine Vogelhochzeit ist sicher ein schönes Beispiel dafür. Dieses Projektorientierte halte ich für sehr vielversprechend. Auch die Gewohnheit, täglich zu singen oder zumindest zu besonderen Anlässen: Eltern müssen zum Beispiel beschließen: ohne ein Lied feiern wir nicht Geburtstag. Dann entsteht so etwas wie eine kleine „gesunde Sucht“ und die kann man auch nähren, selbst wenn man nicht besonders gut singen kann. Man muss das Feuer bei den Kindern entfachen und kleine Pflänzchen, also Ansätze pflegen und wachsen lassen.

: Warum stellen Ihrer Meinung nach so wenige Künstler, Komponisten ihre Kreativität in den Dienst von Kindern?

: Ich bin nicht der Einzige, es gab zum Glück Herrn Prokofieff und andere. Es gibt also immer wieder Erwachsene, die sich Kindern sehr gerne widmen, und natürlich auch immer wieder sehr viele Liedermacherkollegen wie Gerd Schöne, Gruppe Sternschnuppe in München. Aber ich kann nur vermuten, dass man als Erwachsener sich in der Regel eher nach den noch Größeren orientiert und denen nacheifert, in ihrer Gesellschaft, in ihrem Glanz sein möchte, sonst wäre eine Show wie „Deutschland sucht den Superstar“ nicht so erfolgreich. Wer sich zu den Kleineren, zu den scheinbar weniger Bedeutenden hin orientiert, der muss anders gebaut sein. Dass man dort Wunderbares erleben kann, dass man mit den Kleineren wachsen kann, das ist vielleicht nicht ganz so lautstark und schrill, aber ich habe es oft genug gespürt und deshalb bleibe ich auch gern auf dieser Spur.

: Sie machen nicht nur Musik für Kinder, sondern waren früher Mitglied einer Band namens the Beathovens, hatten ein erfolgreiches Trio und bezeichnen sich selber als Grenzgänger. Können Sie näher beschreiben, was Sie darunter verstehen?

: Grenzen haben ihren Reiz darin, dass man sie überschreiten möchte. Manchmal darf man es nicht, manchmal wird man geradezu herausgefordert. Gestern war hier das Thema, ob es die Grenze zwischen E- und U-Musik wirklich geben muss und ob es da nicht mehr Begegnungsmöglichkeiten und Austausch geben kann. Für mich ist das Thema Grenze zwischen Kindheit, Jugend und Erwachsensein ein einziges Thema im Fluss, es gibt keine Grenze und trotzdem spürt man so etwas.

Ich persönlich probiere sehr gerne Dinge aus und versuche trotzdem immer, meine Handschrift zu behalten. Inzwischen kann ich ganz gut mit großen Orchestern arbeiten. „Der kleine Tag“, unser Musicalhörspiel ist mit einem Symphonieorchester und Rockbands eingespielt worden und diese „Grenzgängerei“ hat mir großen Spaß gemacht. Dafür haben wir sogar den LEOPOLD-Preis vom Verband deutscher Musikschulen bekommen – allerdings von der Kinderjury.

Wenn ich mit Orchestern arbeite, dann geht es mir auch darum, meine eigene Neugier zu befriedigen. Ich arbeite im Moment an einem neuen Orchesterprojekt mit der Radiophilharmonie Hannover. Wir möchten Kindern gerne die Funktion von Instrumenten im Orchester, aber auch die Ausdrucksweisen, die Sprache der Musik, italienische Begriffe so kindgerecht wie möglich näherbringen. Ich lerne dadurch selber viel dazu und probiere Dinge aus. Ich habe nie Musik studiert – ich bin ein Autodidakt und in dem Sinne ist Musik immer mein großer Abenteuerspielplatz geblieben. Wenn ich Glück habe, darf ich völlig ungeahnte Räume und Flächen betreten.

: Sie hatten vorher erwähnt, dass für Sie die Grenzen vom Kind- zum Erwachsensein, auch in puncto Musik, fließend sind…

: Ich glaube, dass man sich mit dem Begriff Kindheit beschäftigen muss. Das klingt im ersten Moment theoretisch, ist aber ganz praktisch. Wenn man hier durch die Halle geht, wird man wahrscheinlich mindestens so oft das Wort Kids wie Kinder lesen. Da sollte man sich mal fragen, welche Kinder sich gegenseitig Kids nennen. Obwohl ich hunderttausende von Kindern getroffen habe, habe ich noch nie Kinder erlebt, die sich selber gegenseitig Kids nennen. Das tun nur Erwachsene, die etwas verkaufen oder promoten wollen. Das Wort Kids ist eigentlich ein lustiges Wort, aber es ist auch so ein bisschen das Kennzeichen dafür, dass man sich vom Kindsein gerne schnell löst. Aber ich finde persönlich, bin vielleicht auch sehr Astrid-Lindgren geprägt, dass wir Erwachsenen alles tun sollten, damit das Wort Kind seinen wundervollen, großen Klang behält und dass alles, was das Kind mit all seinen großen Werten – dem Vertrauen, der Neugierde, dem sich verzaubern lassen, dem Lernen-wollen – wer sich dieses Kind lange auch im Jugend- und im Erwachsenenleben bewahrt, der tut für sich selber sehr viel. Wer sich von anderen abbringen lässt, die sagen, „Du bist doch kein Kind mehr, Du gehörst doch jetzt zu den Kids“, der verliert mehr als er gewinnt.

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