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Der clevere Liebhaber investiert

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Aus einer „taktlos“- Diskussion im Februar
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„Liebhaber, Laien, Dilettanten“, so lautete ein Ankündigungstext für die taktlos-Sendung am 2. Februar um 20.05 Uhr auf Bayern2Radio. Weiter: „Sie proben in ihrer Freizeit und konzertieren oft genug für sich allein: Haus-Musikanten, Jugendorchester, Laienchöre oder Hobby-Volksmusiker. Acht Millionen gibt es in Deutschland. Belächelt vom hehren Feuilleton, vernachlässigt von der offiziellen Kulturpolitik bilden sie die Grundsubstanz unseres Musiklebens. taktlos nimmt Kontakt auf. Die Strukturen werden hinterfragt, Experten kommen zu Wort – und Ensembles lassen aufhören, was Liebhaber, Laien und Dilettanten musikalisch leisten können“. Zur kontroversen Live-Debatte hatte taktlos-Moderator und nmz-Herausgeber Theo Geißler Gäste im Studio 12: Detlef Hahlweg (Jeunesses Musicales Deutschland), Stefan Liebing (Bundesvereinigung Deutscher Blas- und Volksmusikverbände), Eckart Rohlfs (früher Geschäftsführer von „Jugend musiziert, heute der European Union of Music Competition for Youth, Mitglied der nmz-Redaktion) sowie Fred Artmeier (Laienmusik-Abteilung des Bayerischen Rundfunks). Fürs Dossier „Laienmusizieren“ druckt die nmz die Diskussion in leicht gekürzter Form. Theo Geißler: „Eine Bürgerinitiative mit acht Millionen Mitgliedern“ nennt der Präsident des Deutschen Musikrates, Franz Müller-Heuser, politisch raffiniert gern seine Klientel. Von diesen acht Millionen dürften ungefähr 7.950 318 zu der Zielgruppe gehören, um die es uns heute geht: um Musikliebhaber, um Laien, manche nennen sie auch Dilettanten. Herr Artmeier, wie ist denn ihr Verhältnis zu den Kollegen aus der hohen Kultur? Fred Artmeier: So ein Haus ist groß und die Abteilung Volksmusik ist eine kleine Redaktion, aber - um das Wort „Dilettant“ aufzugreifen - Wir behandeln unsere Klientel, nämlich unsere Laienmusiker, mit der größtmöglichen Professionalität, sei es in unseren Live-Sendungen, sei es in unseren Produktionen, wobei viele Produktionen sowohl im Massenprogramm auf Bayern 1 vertreten sind als auch hier im Kultursender auf Bayern 2. Geißler: Eckart Rohlfs hat ein Leben mit Laienmusikern verbracht. Als Profi ein Leben mit Laien – geht einem das nicht ab und zu auf den Geist? Eckart Rohlfs: Ein Leben mit Laien war doch gut durchzustehen, denn wir haben es mit einer Klientel zu tun, die Musik gerne und aus freien Stücken macht, und die auch hohe Qualitätsansprüche an sich stellt. Insofern bedaure ich eigentlich, dass der Begriff „Dilettant“ so ein bisschen negativ belastet ist, das verdient er nicht. Geißler: Was gehört zum Bereich Laienmusik? Rohlfs: Das ist ein sehr breites Forum. Es fängt an mit der Popularmusik und dem Jazz, über Volksmusik und Folklore bis hin zu klassischer Musik. Da denkt man an das Zither-Trio in Hinterlang genauso wie an das stillvergnügte Streichquartett von Heimeran bis hin zum Wettbewerb „Jugend Musiziert“. Die 15.000 jungen Menschen, die jedes Jahr hier im Wettbewerb antreten und fast professionelle Leistungen zeigen, das sind ja zunächst einmal Amateure. Vielleicht 5 Prozent davon haben berufliche Intentionen. Geißler: Detlef Hahlweg ist eigentlich Schulmusiker, aber auch Vorstandsmitglied der Jeunesses Musicales Deutschland. Er möchte hier in Deutschland am liebsten venezuelische Verhältnisse herstellen. Was hat Dich denn dazu bewogen? Detlef Hahlweg: Ein Schlüsselerlebnis war mit Sicherheit eine Reise nach Venezuela, wo ich ein Kinder- und Jugendorchester kennenlernte und dann feststellte, dass es in diesem Land eine unglaublich breite Arbeit für Kinder und Jugendliche im Bereich klassischer Musik gibt, die dort gleichzeitig eine Sozialarbeit darstellt. Kinder werden zum Teil von der Straße geholt, sie bekommen ein Instrument in die Hand und sie spielen und lernen Musik im Orchester und ihnen wird dadurch auch eine berufliche Karriere ermöglicht. Geißler: Frisch im Geschäft bei den Laien ist Stefan Liebing. Der Marketing-Experte berät den baden-württembergischen Blasmusik-Verband. Was machen Sie als Profi bei den Hobby-Blechbläsern? Stefan Liebing: Das müssten Sie wahrscheinlich am besten mal das Präsidium fragen. Der Bundesverband Deutscher Blechbläser hat von diesen acht Millionen, von denen Sie gesprochen haben, etwa 1,3 Millionen Mitglieder und ich bin jetzt unter anderem mit der Umsetzung von Vorhaben beauftragt. Was ein Marketing-Mann oder ein Berater dort macht? Ich glaube, viele Funktionäre haben erkannt, dass hinter der Blasmusikszene in Deutschland sehr viel mehr steckt als das, was in der Öffentlichkeit oft ankommt, dass dahinter sehr viel mehr steckt als Bierzelt-Musik. Deshalb hat der Verband gesagt: Wir wollen etwas tun, wollen Kenntnisse von außen, aus anderen Bereichen reinholen, um uns ein Stück weit besser politisch in der Öffentlichkeit beim Thema „Image“ zu positionieren, um so auch auf Dauer Mitglieder gewinnen und binden zu können. Geißler: Das klingt richtig progressiv. Darauf werden wir noch genauer zu sprechen kommen, wenn wir uns Gedanken darüber machen, wo die Laienmusik heute steht. Artmeier: Ich möchte mal ganz kurz auf die Begriffe „Laienmusik“ und „Profis“ eingehen. Es gibt eine E-Musik - eine ernste Musik -, es gibt eine U-Musik – eine Unterhaltungsmusik -, und es gibt eine Laienmusik – das ist allerdings keine Musik, denn „Laienmusik“ ist ein soziologischer Begriff. Das eine spezifiziert die Musikarten, die Stilrichtungen, das andere erfasst einfach die Bevölkerungsschichten, so sie Musik machen. Jetzt der Begriff „Profi“: Es gibt den Profi als Pädagogen und den Profi, der in der Früh’ in die Probe geht, abends sein Konzert spielt und sich sein Geld mit seinem Instrument verdient. Rohlfs: Aber, Herr Artmeier, die meisten, die an einer Musikschule anfangen, studieren oder lernen ihr Instrument ja nicht mit der Perspektive, einen Musikberuf zu machen, das ist nur ein ganz kleiner Prozentsatz an hoch Begabten, der sich bald herausschält. Die anderen machen doch eigentlich Musik, weil sie einfach Musik mitnehmen als Freizeit für ihr Leben, als Ausgleich neben dem Beruf und dergleichen. Und es ist ja nicht der Liebhaber, der das Geld verdient, sondern der Profi. Der Liebhaber investiert. Geißler: Woher kommt denn das Negativ-Image der sogenannten Laien, kann man sich das erklären, Herr Artmeier? Artmeier: Wir kriegen immer wieder Briefe, in denen die Leute gerade zu unseren Sendungen mit sinfonischer Blasmusik sagen: Das ist doch mit dem Wort „laienhaft“ gar nicht mehr zu erklären, das ist auf der Schwelle zum Professionellen. Die breite Masse musiziert heute anders als vor dreißig, vierzig Jahren. Die jungen Leute haben eine wesentlich bessere Ausbildung. Das geht bei den Blaskapellen los, die haben in den Verbänden ihre Leis-tungsabzeichen, sie steigern ihre Qualität. Ich kann zum Beispiel einen Titel, den ich 1985 aufgenommen habe und der damals gut sendbar war, heute nicht mehr senden, denn er würde dem aktuellen Niveau der Laienmusik nicht mehr entsprechen. Darum könnte man sich vielleicht darauf einigen: Es gibt die U-Musik, es gibt die E-Musik und Musik, die man mit „A-Musik“ bezeichnen könnte: „A“ wie „Amateur“ ist auch nicht schlecht. Geißler: Also kein Negativ-Image aus Herrn Artmeiers Sicht? Herr Liebing, noch gibt es das Bild von den Blasmusikern, die in der Kneipe rumdumpfen. Wie wollen Sie als Marketing-Fachmann das korrigieren? Liebing: Ich glaube, der eine Aspekt sind sicherlich die Themen, bei denen sich in der Vergangenheit einiges getan hat, nämlich Niveau, Ausbildung, Repertoire. Auf der anderen Seite sehe ich, dass in einer Reihe von Verbänden und auch in den Vereinen Probleme damit bestehen, das, was sie tun, zu transportieren. Da brauche ich eine einigermaßen professionelle Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Das ist dann das Thema der Qualifizierung von Vereinsmitgliedern. Wir haben jetzt in 2001 zum ersten Mal eine Weiterbildungsreihe nicht im musikalischen, sondern im Bereich Verbands- und Vereinsmanagement aufgelegt, die in den Akademien gerade mit großem Erfolg anläuft. Geißler: Betrifft das nicht gerade auch die Jugendarbeit? Liebing: In Deutschland sind von unseren 1,3 Millionen Mitgliedern 60 Prozent Jugendliche. Da kann kein Sängerbund und kein Sportverein mithalten. Aber ich glaube, es geht einfach darum, diese Erfolge, die da sind, professioneller zu verkaufen. Geißler: Wie macht das die Jeunesses Musicales? Hahlweg: Der Qualitätsaufschwung ist unglaublich gewesen in den letzten 20, 25 Jahren. Aus der damaligen Zeit rührt wohl auch der etwas anrüchige Charakter eines Amateurkonzertes mit vielen falschen Tönen und Ähnlichem. Aber das hat sich inzwischen total geändert. Es gibt sehr anspruchsvolle Konzerte, sehr anspruchsvolle Orchester und die wollen anspruchsvoll gemanagt werden und wollen auch sehen, dass ihre Öffentlichkeitsarbeit professionell gestaltet wird. Und die Jeunesses Musicales hat das aufgegriffen und bietet ihren Mitgliedsorchestern Service in genau diesen Bereichen, bietet Fortbildung – genau das, was Sie, Herr Liebing, gerade angesprochen haben – für Organisationsleute im Orchesterbereich. Geißler: Herr Artmeier, man verbindet ja Volksmusik oft noch mit Gamsbart und Tracht. Wie bringt man junge Leute heute dazu Volksmusik zu machen, sich dafür zu begeistern? Artmeier: Zunächst muss man trennen zwischen Volksmusik und Musik im Volk: Die Volksmusik ist bei uns die alpenländische, die Musik im Volk ist die der Laien. In Bezug auf die Presse- und Medienarbeit muss ich sagen, die bayerische Blasmusik hat einen sehr guten Partner in den Medien, nämlich den Bayerischen Rundfunk. Geißler: Jetzt werd‘ ich gleich rot. Artmeier: Auch das ist Teil unserer Arbeit gewesen in den letzten 15 Jahren; dass wir etwa mit den Blaskapellen in Wärtingen drei CDs gemacht haben in den letzten sieben Jahren. Und nicht umsonst hatten wir beim Deutschen Orchesterwettbewerb unter den ersten vier zwei bayerische Kapellen – aus Memmingen und Wärtingen. Geißler: Eckart Rohlfs kennt die Wettbewerbsszene wirklich gut. Wie ist das international? Wachsen junge Leute nach? Rohlfs: Also auch in den anderen Ländern hat sich in den letzten Jahrzehnten enorm viel entwickelt. Allein in Frankreich gibt es eine Organisation, die sämtliche Instrumentalbereiche umfasst. Die haben hunderttausende von Mitgliedern, das hält man hier gar nicht für möglich – und das mit hoher Qualität, mit Wettbewerben, mit Prüfungen, mit Abzeichen, all dem, was hier auch üblich ist. Das zeigt, dass der Anspruch auf Amateurebene dort sehr hoch ist. Und das ist auch gut so. Ich habe vor acht Tagen in Paris den „Grande Amateur“-Piano-Wettbewerb gehört. Da sind Mediziner, Informatiker und ähnliche Leute angetreten, mit hoch anspruchsvollen Klavierleistungen. Das sind fantastische Beispiele, die natürlich auch Mut machen für die pädagogische Arbeit der Profis, die diese Laien ausbilden. Geißler: Aber da geht mir ein bisschen was von dem Charme, von der Liebenswürdigkeit der Laienmusik verloren, wenn da jetzt auch der gleiche Leistungsdruck wie im Profibereich herrscht. Artmeier: Glauben Sie, dass jemand mit Laienmusikern ein Werk erarbeiten kann, wenn die heute mit achtzehn, zwanzig Jahren sagen: „Auf das Werk stehen wir nicht, wir wollen das nicht“? Der Trend weg von der Bierzelt-Musik kam vor fünfzehn, zwanzig Jahren mit dem „James-Last-Stil“. Damit hat man damals die Jugend zur Blasmusik gekriegt. Das hat sich überholt, heute zieht die Jugend hin zur sinfonischen Blasmusik und will das Image der Blasmusik aufbessern. Liebing: Damit kommen wir zum Ausgangsthema zurück: wie ist das mit den Jugendlichen und dem angestaubten Image der Blas- und auch der Laienmusik? Ich glaube, da sind zwei Aspekte zu nennen: Der eine ist der, dass wir mit dem Trend zur Globalisierung auch einen Trend der Regionalisierung bekommen. Geißler: Als Gegenbewegung. Liebing: Genau. Als Gegenbewegung das Zusammenwirken in kleinen Einheiten und mit lokalem Bezug. Der andere Aspekt ist der, dass wir als Verein in Strukturen arbeiten, die letztlich dem BGB-Vereinsrecht von 1900 entsprechen und damit eine Gesellschaft in 2000 abbilden oder einfangen müssen. Ich denke, dass deshalb schon die Vereine aufgerufen sind, sich auch in ihren Organisationsformen zu modernisieren. Wir haben natürlich 60 Prozent Jugendliche, aber die Problematik ist die, dass die Jugendlichen im Idealfall sieben, acht Jahre dabei sind und dann sind sie weg, gehen in die Ausbildung, gehen ins Studium, was auch immer. Das Wichtigste ist also: Wie können wir auf Dauer bei Jugendlichen die Bereitschaft erreichen, Musik zu machen? Geißler: Die hat zum Beispiel die Jeunesses Musicales bereits, deren Orchester bestehen naturgemäß aus 100 Prozent Jugendlichen. Wie ist denn da der Zuwachs? Die Qualität steigt Hahlweg: Zuwächse können wir quantitativ und qualitativ verzeichnen. Wenn ich allein die Qualitätssteigerung im klassischen Bereich sehe: Vor fünfzehn Jahren habe ich angefangen, einen Musikkurs in Weikersheim zu leiten, der sich vorgenommen hatte, Werke zu spielen, die man sonst nicht öffentlich spielen konnte: wie Bruckner- oder Mahler-Symphonien. Der Kurs ist dann nach zehn Jahren eingeschlafen, weil die Orchester das alles mittlerweile sowieso spielen können. Ich komme nochmal auf die Anforderungen zurück: Es sind neben den musikalischen Anforderungen, die die Jugendlichen an die Leiter stellen auch welche in randmusikalischen Bereichen: Wir müssen Spezialisten im Urheberrecht sein, wir müssen wissen, ob wir Noten fotokopieren dürfen oder nicht, ob wir GEMA-Gebühren zahlen müssen oder nicht, wir müssen Vereinsrecht beherrschen. Liebing: Da sind wir beim Thema Professionalisierung. Wir werden immer weniger Bereiche im Verein ehrenamtlich abdecken können, weil sie immer komplexer werden. Professionalisierung Artmeier: Die Sache ist so hoch spezialisiert, dass sie im Ehrenamt nicht mehr getragen werden kann. Der Bayerische Blasmusikverband hat deshalb jetzt einen hauptamtlichen, also bezahlten Geschäftsführer. Genauso muss die Struktur auch nach unten gehen. Das Ehrenamt muss bleiben, aber Bundesdirigenten, Landesdirigenten und die Leute, die wirklich ganztägig arbeiten, die können das nicht im Ehrenamt machen. Geißler: Herr Liebing, wie kommen Sie mit dem ehrenamtlichen Präsidenten, dem Vizepräsidenten, dem zweiten Vizepräsidenten Ihres Verbandes klar, die natürlich durch ihre wahrscheinlich sechzigjährige Verbandserfahrung eine nahezu professionelle Erfahrung vor sich hertragen? Liebing: Wir kommen sehr gut miteinander klar. Es ist in der Verbandsarbeit ganz wichtig, die unterschiedlichsten Bereiche beisammen zu haben, denn nur so kann man den Interessen aller Mitglieder gerecht werden. Wir brauchen Funktionäre, die in den Orchestern, in den Vereinen gearbeitet haben, die wissen, wo der Schuh drückt. Ich kann Verhandlungen mit der GEMA nur dann sinnvoll führen, wenn ich weiß, was denn tatsächlich vor Ort passiert. Deshalb brauchen wir die erfahrenen Leute in den Gremien. Der Sport ist ein bisschen weiter, da haben die Ehrenamtlichen etwas weniger mit dem laufenden Geschäft zu tun, aber ich glaube, diese Diskussion müssen wir führen und wir müssen als Verband einfach dafür sorgen, dass die Bereiche, die kompliziert sind, die Dienstleistungsfunktionen für die Vereine bilden, dass diese hauptamtlich und professionell ausgeführt werden. Und für alles andere, was die Strategie, die grundlegenden Entscheidungen, die Richtung, auch was musikalische Themen angeht, brauchen wir Ehrenamtliche. Geißler: Trotzdem – ich bin da ganz sentimental: Eckart Rohlfs, früher kam man mit den Ehrenamtlichen aus, da haben die das doch alleine geschafft. Was hat sich getan bei uns, dass man jetzt Profis braucht? Rohlfs: Ein Punkt ist, dass die Anforderungen sowohl im wirtschaftlichen wie im kulturellen Bereich höher geworden sind. Auf der anderen Seite sehe ich, dass eigentlich die instrumentale wie die vokale Laienmusik, auch die Chorverbände, eigentlich die gesamte Laienmusik relativ gut organisiert ist. Nicht nur über den Bayerischen Musikrat, sondern auch über den Deutschen Musikrat. Und ich frage mich jetzt – es ist ja in den zurückliegenden Jahrzehnten immerhin gelungen, doch auch eine Menge an öffentlichen Forderungen erfüllt zu bekommen: Reicht das nicht aus, um das abzudecken, was eigentlich hier gewünscht wird? Denn es gibt Akademien, die Fortbildung betreiben, es gibt Barzuschüsse für Instrumente, wo sind da denn jetzt vor allem die Defizite, die Sie hier ansprechen? Liebing: Ich glaube schon, dass wir ein paar Defizite haben. Das Thema öffentliche Förderung und Projekte und musikalische Geschichten ist das eine, aber außerdem haben wir immer komplexer werdende Themen, die wir als Serviceleister für die Vereine anbieten müssen. Wir müssen informieren, wie man vor Ort eine vernünftige Pressearbeit macht, wir haben arbeits- und sozialversicherungsrechtliche Probleme, die momentan jetzt im Gesetzgebungsverfahren liegen. Geißler: Ist es nicht so, dass die Vereine nach und nach gleichsam zu Behörden werden? Liebing: Ja klar, ich habe Vereine, die für ihre Verwaltung im Prinzip eine Vollzeit-Stelle bräuchten. Geißler: Wie geht es der Jeunesses? Hahlweg: Ich würde gern nochmal auf den Begriff „Ehrenamt“ eingehen. Ich denke, man muss sich auch Gedanken darüber machen, welche Motivation für denjenigen, der dieses Ehrenamt übernimmt, dahintersteht, sei es im musikalischen oder im organisatorischen Bereich. Ein anderer Aspekt ist für mich, dass auch im Ehrenamt professionell gearbeitet werden muss. Rohlfs: Hängt das nicht sicherlich auch mit dem mittlerweile gestiegenen Anspruch zusammen, den jeder an seine eigene Freizeit stellt? Hahlweg: Allerdings. Die Schüler kommen inzwischen mit ihrem Time-System an und wollen ihre Freizeit genau „getimet“ haben, und zu dieser Freizeit zählt natürlich auch das Orchester. Liebing: Schauen Sie mal rein in die Shell-Studie! Dort steht, es gibt drei Bedingungen, die junge Leute in ihrer Freizeit erfüllt sehen möchten: An erster Stelle steht: Es muss Spaß machen; an zweiter Stelle: Ich will schnell Ergebnisse sehen; an dritter Stelle: Ich will mich nicht langfristig binden, will schnell wieder rauskönnen, also projektorientiert etwas tun. Und diesen Anforderungen werden unsere Strukturen momentan nur in Teilen gerecht. Geißler: Wir haben uns gerade sehr angeregt über Professionalisierung unterhalten und über eine notwendige Form der Professionalisierung. Wie kann das denn ganz konkret aussehen? Detlef Hahlweg, die Jeunesse ist ja da ein bisschen vorneweg. Hahlweg: Wir haben mal versucht, alles das, was ein Orchesterleiter wissen sollte, in ein Handbuch zu packen, inklusive Steuererklärung, Gemeinnützigkeitserklärung, Programmauswahl und so weiter und so fort. Das ist ein mühsames Geschäft, weil sich die Bestimmungen ständig geändert haben. Es war eine Loseblatt-Sammlung und wir konnten mit den Neulieferungen kaum nachkommen. Ich denke, das wäre ein Thema der Zusammenarbeit zwischen den großen Verbänden. Außerdem möchte ich mir ein Vereinshandbuch kaufen können, in dem nicht nur etwas über Sport-Vereinslokale drinsteht, sonder in dem auch etwas über meinen musikalischen Bereich drinsteht. Liebing: Ich komme ja eigentlich überhaupt nicht aus diesem Verbands-Bereich, sondern aus einem ganz anderen und war sehr erstaunt, als ich erfahren habe, dass wir an die hundert Bundesverbände haben, die im Deutschen Musikrat organisiert sind und die alle irgendwas mit Musik zu tun haben. Ich habe den Eindruck, dass wir an hundert Stellen gleichzeitig versuchen, das Rad zu erfinden und das alles wiederholen, wenn neue Ehrenamtliche da sind. Deshalb ist ein ganz wichtiger Punkt für uns, das Thema Kooperation zwischen den Verbänden. Wir haben in Baden-Württemberg mit dem Musikschulverband eine Rahmenvereinbarung abgeschlossen, damit wir möglichst wenig Überlappungen haben. Wir versuchen an der Ecke „Internet“ zum Beispiel mit den Musikwirtschaftsverbänden und mit Fachverlagen etwas zu tun. Genauso wichtig ist es, Serviceleistungen stärker zu bündeln. Ich bin nächste und übernächste Woche zweimal in Berlin in Sachen Künstlersozialversicherungsgesetz. Die Vereine wissen im Moment nicht, was sie tun sollen. Es gibt keinen Anwalt, der ihnen eine schlüssige Empfehlung abgeben kann und das heißt, wir brauchen hier ganz qualifizierte Fachleute, die intensiv mit dem Thema beschäftigt sind und die das dann als Serviceleistung für die Beiträge an die Verbände in den Mitgliedsvereinen anbieten. Geißler: Das heißt, sie leisten eigentlich die Arbeit des Generalsekretärs des Deutschen Musikrates im Moment? Liebing: Nein, überhaupt nicht. da sind wir genau bei dem Thema, das uns natürlich auch umtreibt: Der Deutsche Musikrat ist eine Organisation, die zumindest aus drei Säulen besteht, nämlich aus dem Bereich der Profimusiker, der Musikwirtschaft und der Laienmusiker. Und was wir mit den Dachverbänden der Laienmusik momentan versuchen, ist, diese eine Säule, die ganz spezifische Interessen zu dem Thema hat, zu bündeln und zusammenzuführen und diese Interessen dann in einem demokratischen Verfahren mit den anderen Säulen abzustimmen und da Mehrheiten zu kriegen. Aber es ist natürlich klar, dass, wenn ich sage: Laienvereine sollen nicht zur Künstlersozialversicherung abgabepflichtig sein, dass dann die Musikwirtschaft etwas dagegen hat. Deshalb machen wir eigentlich nicht die Arbeit des Deutschen Musikrats, sondern versuchen, unsere spezifischen Interessen, die ein Teil des Deutschen Musikrats sind, darzustellen und dafür auch direkt Lobbying zu betreiben. Artmeier: Stichwort Deutscher Musikrat und Deutscher Orchesterwettbewerb: Beim Orchesterwettbewerb bin ich ARD-Vertreter und ich kenne deshalb die Arbeit, die dort gemacht wird. Ich kann nur sagen: Hier bündeln sich ja viele Verbände. Ich bin Vertreter des Bayerischen Rundfunks. Ich habe mich zuerst zu dem Thema Ehrenamt zu Wort gemeldet, weil wir in den letzten fünfzehn Jahren mit allen Verbänden, sei es mit den Blasmusik-, den Chor-, Zither-, Zupf- oder Akkordeon-Verbänden produziert haben, sie in fünfzehn Jahren begleitet haben. Das heißt, dass wir zu recht sagen, wir haben mit unseren vielen Produktionen etwas zu ihrer Leistungssteigerung beigetragen. Bei dieser Arbeit kriegt man auch Einblick und deshalb sage ich: Es muss sich hier etwas ändern. So wie es jetzt ist, kann es angesichts der bestehenden Zielsetzungen bezüglich der Jugendarbeit und der musikalischen Leistungen nicht weitergehen. Rohlfs: Die ganze Amateur-Szene hat ihre eigenen Probleme und ich frage mich dauernd: Wer ist eigentlich der Ansprechpartner für die Lösung dieser Probleme? Liebing: Das habe ich mich auch gefragt. Rohlfs: Es ist ja vor allem kommunale Arbeit, kommunale Effektivität, die durch die Laienmusik sozusagen ausstrahlt. Was tut denn etwa die Kommune für die Laienmusikarbeit? Die vordringlichste Aufgabe muss es sein, die Probleme und Fragen zu sortieren und die richtigen Ansprechpartner dafür zu finden. Hahlweg: Wer ist unser Ansprechpartner auf höchster Ebene? Ich denke, es sollte schon in Richtung Musikrat gehen, zumindest in die betreffenden Fachausschüsse. Oder wir müssen uns in den großen Verbänden selbst zusammenschließen und sagen: Wir treffen uns mal auf oberer Ebene und versuchen abzustecken, was wir an gemeinsamen Problemen haben, zum Beispiel Künstlersozialversicherung, Ausländersteuer und so weiter. Geißler: Es gibt Fachausschüsse im Deutschen Musikrat, unter anderem eben auch für die Laienmusik. Man könnte doch eigentlich annehmen, dass in solchen Kreisen dann dieses Clearing stattfindet. Warum passiert das nicht? Liebing: Das passiert schon: Wir sind in engem Kontakt mit dem Deutschen Musikrat zu diesen Themen. Aber ich glaube, es ist wichtig, dass wir als Laienmusikverbände auch nicht zu sehr die Verantwortung nach oben abschieben. Der Deutsche Musikrat hat drei Interessen zu vertreten, von denen zwei aus meiner Sicht momentan stärker gewichtet werden, und der Laienbereich gehört nicht dazu. Dass diese Interessen nicht stärker artikuliert werden, hat Ursachen: Laien arbeiten natürlich viel stärker mit Ehrenamtlichen, Ehrenamtliche sitzen in aller Regel auch im Bundesfachausschuss und für einen Ehrenamtlichen ist es viel schwieriger, die erforderliche Zeit aufzubringen; er hat nicht die gleichen Möglichkeiten, sich tief in Themen einzuarbeiten wie sie ein Geschäftsführer eines Wirtschaftsverbandes hat, der im Deutschen Musikrat sitzt und der natürlich auch ganz andere Zuarbeitungsmöglichkeiten hat als Ehrenamtliche. Verantwortung Geißler: Gibt es einen Verband, der dann da – zum Beispiel aus dem Laienbereich heraus – die Verantwortung übernimmt und sagt: Treffen wir uns auf unserer offenen Basis! Kann das funktionieren, Detlef Hahlweg? Hahlweg: Ich glaube, das ist eine sehr große Aufgabenstellung, die Verbände zusammenzuholen und diese Professionalisierung in Gang zu setzen. Ich denke, das hat in Zusammenarbeit mit dem Musikrat zu passieren und ich denke, dass das auch passieren wird. Ich möchte aber auch auf die Verantwortung dieses großen Laienmusikbereichs hinweisen: Wenn wir beklagen, dass die Musikrezeption Jugendlicher und Erwachsener und die Konzertbesuche zurückgehen, dann müssen wir eigentlich an diesen Laienbereich denken und ihm eine gewisse Aufmerksamkeit widmen. Liebing: Wir müssen einfach zwei Strategien verfolgen: Die eine Strategie heißt wir machen etwas zusammen mit dem Musikrat und versuchen, dort unsere Laienspezifika durchzusetzen; die zweite Strategie heißt wir machen als Verbände selber etwas, gehen direkt ran und dazu müssen wir uns eng abstimmen. Das passiert momentan mit Sängern, Zupfverbänden und anderen, diese Gespräche gab es ja. Der Deutsche Blasmusikverband versucht jetzt einfach erstmals zu dem aktuellen Thema Küstlersozialversicherung etwas zu tun. Artmeier: Ich kann nur sagen: Der Bayerische Rundfunk versteht sich als Partner der Laienmusik und ich möchte mit den Worten unseres Intendanten enden, der gesagt hat: „Wir werden der Laienmusik die ihr gebührenden Sendeplätze zur Verfügung stellen.“ Jederzeit abhörbar ist die taktlos-Sendung im Internet unter www.nmz.de/taktlos

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