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Kein Wettbewerb ohne große Emotionen. Foto: Johannes Radsack
Kein Wettbewerb ohne große Emotionen. Foto: Johannes Radsack
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Der Geigenkinder Metamorphose

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Überlegungen zum 12. Violinwettbewerb im Kloster Schöntal
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Was bringt ein Wettbewerb für musizierende Kinder im Schüleralter, wenn sie zum Beweis ihrer Begabung, vielleicht auch zur Befriedigung ehrgeiziger Eltern und tüchtiger Lehrmeister eine halbe Weltreise unternehmen müssen, beispielsweise aus dem fernen Asien – sollten sie nicht gerade gastweise einen Teil ihrer Ausbildung in Europa erhalten? Aber im Ursprungsland musikalischer Klassik einmal eingetaucht zu sein, ist Wunsch und Stolz, den sich die Familie etwas kosten lässt, auch wenn die 12-jährige Seo-Hyun Lim aus Korea als Beste ihrer Klasse weder die deutsche Preisurkunde noch die auf Englisch für den zusätzlichen EMCY-Kunstpreis lesen kann. Da bleibt nur die Kurzformel: der Weg sei das Ziel. Und das Ziel ist in gewissen Zeitabständen der nächste Wettbewerb, um sich im nächst höheren Rang testen zu lassen. Dazwischen Weiterförderung solcher Begabungen in Meisterkursen (der Juroren), in Orchesterprojekten – so jedenfalls sehen es Wettbewerbsleiter und Juryvorsitzender Professor Petru Munteanu und seine Sponsoren. Solcher Impetus jedenfalls gehört zur Intention derartiger Jugendwettbewerbe.

Wenn also die Teenies der Einladung der Kulturstiftung Hohenlohe folgen, so geht es nicht alleine um Konkurrenzspiel, sondern auch um Persönlichkeitsbildung dieser früh musikgeprägten Menschen, um einen Lernprozess, um Verständigung, Toleranz und Meinungsaustausch. Nicht nur der Spieler, auch der begleitenden Eltern und Lehrer. Sie wollen erfahren und belegt sehen, wie weit der vielleicht schon mit drei, vier, fünf Jahren begonnene Unterricht auf Viertel- oder Halben Geigen, konsequent betrieben, Früchte trägt. Dazu die Neugierde und Vergleich der Ergebnisse unterschiedlicher Methoden der Streicherausbildung bei einem durchaus ähnlichen, vorwiegend virtuose Spielliteratur umfassenden Repertoire.

Hier sucht man noch nicht, wie in den großen Musikwettbewerben, den vermeintlichen Karrieresprung, selbst wenn sich in manchem Elternherz doch wunderkindhafte Hoffnungen regen mögen. Auf solche Gedanken könnte man kommen, wenn dann der/die eine oder andere Geigenhoffnung, ausgeputzt im Feiertagskleid, schon profi-like routiniert aufs Podium steigt, einfach bezaubernd anzusehen, und die grandiose Virtuosität, die geigerische Sicherheit mit Recht bejubelt wird. Beeindruckender, manchmal erschreckend allerdings die Metamorphose, die man mit dem Schritt aufs Podium in den meisten Mienen beobachtet. Ernste Gespanntheit, voll konzentriert, eine fast erwachsenähnliche Maske setzt sich ihnen auf, aus der nicht unbedingt herauslesbar ist, ob nur Pflichtübung oder ob das Gelingen und der Erfolg, die Vermittlung ihrer Musik an ein spannend lauschendes Publikum dem jungen Interpreten wirklich Vergnügen und Freude bereitet. Doch solchen Zweifel verwirft man schnell, ebenso den Gedanken an möglichen Drill, Übe-Druck, Erfolgszwang. Auch erstaunlich, dass diese Kinder selten Aufregung spüren lassen, oder sie verbergen sie geschickt. Gleich nach dem Vorspiel trifft man sie wieder vergnügt schäkernd, lachend, spielend mit einander, locker und fröhlich.
Sind einfach doch Kinder ihres Alters, seien sie zwischen 11 und 14 Jahren oder doch schon bis zu 18 oder gar 21 Jahre jung – die drei Altersklassen im Schöntaler Geigenwettbewerb. Aber was der eine oder die andere hinlegt, wie sie neben Bach-Partiten, Wiener Klassikern und den großen Violinkonzerten (leider ohne Orchesterbegleitung) die virtuosen Geigen-Evergreens von Sarasate, Wieniawski, Kreisler sowie Paganinis Capricen in einer technischen Perfektion und Bravour anpacken, dass selbst die Profibegleiter am Flügel zum Schwitzen kommen, da verschlägt es die Stimme. Und erfahrene Juroren registrieren dabei von Jahrgang zu Jahrgang tatsächlich noch weiter wachsendes Leistungsniveau.

Auch in diesem Jahr überrascht unter rund 50 angenommenen Kandidaten die geringe Bewerberzahl aus Deutschland, nur fünf (bei jährlich mehreren tausend Streichern bei „Jugend musiziert“!), insgesamt nur 7 weitere aus West-, aber 20 aus Osteuropa und 14 aus Asien. Dann überrascht es auch nicht, dass (neben etlichen Sonderpreisen) von den 15 offiziellen Auszeichnungen die Mehrzahl bei den Teilnehmer aus Korea und China (5), Baltikum (4) und Russland (3) landen. Allerdings erfahren einige von ihnen tatsächlich ihre Ausbildung in Deutschland oder Europa. So ging zum Beispiel der fünfte Junior-Preis – nomen est omen – an Shin Sihan aus den Niederlanden und die in Deutschland lebende Verena Chen.

Und wie geht es weiter? Man wird dem einen oder anderen Jungvirtuosen bald erneut begegnen, sei es in zwei Jahren wieder in Schöntal oder bei einem der anderen ähnlichen Geigenwettbewerben, wie sie für diese Altersstufen in Deutschland, England, Polen oder Tschechien angeboten werden.

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