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Michael Hocks, Intendant und Geschäftsführer der Alten Oper Frankfurt. Foto: Charlotte Oswald
Michael Hocks, Intendant und Geschäftsführer der Alten Oper Frankfurt. Foto: Charlotte Oswald
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Der Hüter des Wahren Schönen Guten

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Ein sehr persönlicher Rückblick auf fünfundzwanzig Jahre Alte Oper Frankfurt
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„Veni, creator Spiritus, mentes tuorum visita“ – aus dem Nichts kulminiert ein majestätischer Orgelakkord mit der größten sinfonischen Orchester- und Chorbesetzung der Musikgeschichte bereits in den ersten Takten zu einer saalfüllenden Klangpracht, die diesem neuen Konzerthaus vom ersten Moment an zu aller Ehre gereicht. Es ist der 28. August 1981, übrigens Goethes Geburtstag, und Michael Gielen, das Frankfurter Opernhaus- und Museums-orchester, acht Solisten und mehrere Chöre eröffnen die Alte Oper Frankfurt musikalisch mit Gustav Mahlers Sinfonie Nr. 8. Mit Mahlers Hymnus beginnt bei weitem nicht nur für Frankfurts Bürger und Musikliebhaber eine beglückende, neue Ära: „Komm, Schöpfer Geist; Nimm Wohnung in den Herzen der Deinen!“

Derweil habe ich in unserer Wohnung zu Hause Platz genommen und verfolge einigermaßen interessiert dieses Geschehen vor dem Fernseher. Ich bin gerade mal sechzehn Jahre alt und ahne noch nicht, dass ich mich in diesem neuen Konzertsaal an einigen hundert Abenden „DEM WAHREN SCHOENEN GUTEN“ – so prangt es verheißungsvoll in Sandstein gemeißelt über dem Opernplatz – werde hingeben dürfen. Das TV-Gerät kann die Klangfülle von Mahlers Sinfonie natürlich nicht übertragen, nicht ins heimische Wohnzimmer „rüberbringen“. Das Werk bleibt mir noch verschlossen und so weiß ich auch nicht, dass ich hier schon meinem später tief verehrten Lieblingskomponisten lausche. Was an diesem Abend aber am weitesten außerhalb meines Vorstellungshorizontes liegt, ist die Möglichkeit, dass mich in 25 Jahren der Chefredakteur einer Musikzeitung dazu einladen wird, einen Artikel zum Jubiläum der Alten Oper zu schreiben. Keine Chronik mit den objektiv wichtigsten Meilensteinen ist gefragt, sondern ein persönlicher Rückblick soll es sein, und auf meine Nachfrage hin darf es sogar eine Liebeserklärung werden. Man kann es kaum prägnanter auf den Punkt bringen als Frankfurts Oberbürgermeisterin Petra Roth: „Die Alte Oper ist nicht nur eines der schönsten Konzerthäuser, sie ist auch eines der besten. Namen zu nennen wäre müßig – denn alle Großen sind schon in der Alten Oper aufgetreten.“ Stimmt.

Da fügt es sich glücklich, dass die Jubiläumsfeierlichkeiten in diesem Jahr mit dem „Auftakt“ quasi zusammenfallen. Jenem Festival, dass Michael Hocks, seit 1998 der erfolgreiche Geschäftsführer und Intendant der Alten Oper, ab 2001 jeweils zu Saisonbeginn veranstaltet. Im konzeptionellen Mittelpunkt von „Auftakt“ stehen jeweils ein Komponisten- und ein Interpretenporträt.Dabei wagt Michael Hocks durchaus einiges, wenn beispielsweise ein so sperriger Komponist wie Helmut Lachenmann oder die hier noch wenig bekannte Kaija Saariaho das Publikum locken sollen. Und den Musikerpersönlichkeiten im Zentrum des „Auftakt“, wie in diesem Jahr zum wiederholten Mal der jungen Geigerin Julia Fischer, bietet er mit seinem Festival ein einzigartiges Umfeld. Überhaupt hat Michael Hocks als Förderer der ersten Stunde einen wichtigen Anteil an der kometenhaften Karriere von Julia Fischer. Es ist wohl kein Zufall, dass sie auch in Frankfurt, von Thomas Rietschel, dem Präsidenten der Hochschule für Musik, zu Deutschlands jüngster Professorin ernannt wurde. So wird es der Intendant auch gern gelesen haben, was ihm seine Aufsichtsratsvorsitzende Petra Roth für das Jahresprogramm gleich schriftlich gab: „Nachdem die berühmten ,Frankfurt Feste‘ in den 90er-Jahren geopfert wurden, gelang Michael Hocks mit der Reihe ,Auftakt‘ ein hervorragender Neubeginn. Er wagte und gewann.“

„Er wartete und bekam“ war hingegen alljährlich zu Saisonbeginn das Motto für mich als Teenager. Das bedeutete vor sechs Uhr morgens aufstehen, um sich kurz nach sieben an Frankfurts Hauptwache in die Schlange zu stellen. Es galt eines der heiß begehrten Jugendabos des Radio-Sinfonieorchesters Frankfurt, das in diesen Jahren mit Eliahu Inbal seine Glanzzeit feierte, zu ergattern.

Diese „Frühschicht“ teilte ich mir in jährlichem Wechsel mit meinem langjährigen Konzertfreund Harald Petz und so kamen wir an Tickets zum Preis einer Kinokarte. In der Alten Oper gab es aber auch allabendlich Restkarten für Studenten zu 10,- DM und es war für mich natürlich unerlässlich, ständig über einen Studenten-Ausweis zu verfügen – was mir auch immer gelang obwohl das keine Selbstverständlichkeit war, schließlich war ich nie an einer Universität eingeschrieben.

Mag der jugendliche Drang in die Konzerte – mein Rekord waren acht Abende nonstop hintereinander während der „Frankfurt Feste“ – diese Form der Urkundenfälschung noch als Kavaliersdelikt erscheinen lassen, so war der unbändige Wunsch, wenigstens einmal Leonard Bernstein, Sergiu Celibidache und Herbert von Karajan live zu erleben, für weitaus dreisteres Vorgehen verantwortlich. Natürlich waren Konzertekarten für derartige Ereignisse für Jugendliche weder erhältlich noch erschwinglich und so beschlossen wir, es eben ohne Karten zu versuchen. Da wir das Haus inzwischen wie unsere Westentasche kannten, gelang uns dies auch jedes Mal. Erwischt wurden wir dann allerdings ausgerechnet im Konzert der Berliner Philharmoniker mit Karajan.

Ohne Karten waren wir natürlich auf frei gebliebene Plätze angewiesen und nach der Pause waren unsere ursprünglichen Sitze von den inzwischen eingetroffenen Karteninhabern besetzt worden. Da die ersten Musiker bereits wieder auf die Bühne kamen wurde es langsam eng für uns. Weit und breit gab es nur noch zwei freie Plätze, und zwar ausgerechnet in der ersten Reihe am Rand, in deren Mitte auch der Frankfurter Oberbürgermeister saß. Kaum hatten wir uns gesetzt, wurden wir von einer Platzanweiserin darum gebeten, unsere nicht vorhandenen Karten vorzuzeigen – denn wir hatten uns ausgerechnet auf die Plätze der beiden Bodyguards des Bürgermeisters niedergelassen! Wir standen aber einfach nicht wieder auf, sondern verwickelten die Frau in eine herzerweichende Story über unsere Eltern, die mit unseren Karten in der Tasche doch nur weiter hinten säßen. Endlich kam von Karajan auf die Bühne, das Publikum klatschte, die Hostess gab ratlos und entnervt auf und die wartenden breitschultrigen Bodyguards trollten sich tatsächlich aus dem Saal! Bei Leonard Bernstein haben wir uns nach dem Konzert sogar bis in seine Garderobe durchgeschlagen. Der Anblick, wie er im Bademantel und mit Cowboystiefeln (!) aus der Dusche kommt, in der einen Hand den Whiskeybecher und in der anderen eine Zigarette, sowie der herzliche Wortwechsel mit ihm gehören für mich natürlich zu den unauslöschlichen Erinnerungen an die Alte Oper.

Eine Erfolgsstory wie die der Alten Oper ist heute ohne bürgerschaftliches Mäzenatentum und Sponsoren aus der Wirtschaft kaum mehr denkbar. Ein Etat von gut fünf Millionen Euro aus dem Stadtsäckel ist sicher nicht die Spitze des vorstellbaren kommunalen Engagements, allein die „Frankfurt Feste“ hatten seinerzeit für wenige Wochen Festival in der Alten Oper mehr als das Doppelte zur Verfügung. Gleichwohl muss eingeräumt werden, dass es auch Städte in Deutschland gibt, die weit weniger engagiert mit ihrer Musikszene umgehen als Frankfurt. Dennoch ließe sich ohne die „Gesellschaft der Freunde der Alten Oper Frankfurt“ manches nicht realisieren. Für Hocks ist der Verein die „verlässliche Basis für alles programmatisch Sperrige und Unbequeme, was wir in diesem Hause realisieren möchten“, merkt er darum dankbar an. So sind denn auch das Ensemble Modern und die Junge Deutsche Philharmonie aus den Programmen nicht mehr wegzudenken. Unter der umsichtigen Führung von Frau Dr. Gabriele Haid sind in diesem Verein die musikliebhabenden Bürger in bemerkenswerter Weise ebenso Mitglied wie die wichtigen Unternehmen im Rhein-Main-Gebiet. Die Namen im Kuratorium spiegeln das Who’s who der Frankfurter Banken- und Wirtschaftswelt wider.

Dank der Gesellschaft der Freunde hatte ich sogar einmal die Ehre, eine Künstlergarderobe in der Alten Oper benutzen zu dürfen – um dann an einem Adventsnachmittag vor fast zwanzig Jahren als Nikolaus gekleidet Frankfurter Kinder zu bescheren. Einige Unternehmen engagieren sich aber noch über ihre Mitgliedschaft im Förderverein hinaus und Hocks weist nicht ohne Stolz darauf hin, dass die optischen Nachbarn der Alten Oper wie zum Beispiel die Deutsche Börse, die Hessische Landesbank und die Deutsche Bank auch zu den besonders engagierten Förderern gehören.

Für viele Besucher ist gutes Essen und Trinken in Verbindung mit einem gelungenen Konzert nicht wegzudenken. In den ersten Jahren war es nach den Konzerten kaum möglich, noch einen Platz im beliebten „Opernkeller“ zu ergattern. Etwas anders verhielt es sich aber leider mit dem dazugehörigen Gourmet-Restaurant „Die Zauberflöte“ und so fiel die Gastronomie in der Alten Oper denn auch in einen viel zu langen, traurigen Dornröschenschlaf. Es gehört zu den besonderen Verdiensten von Michael Hocks, auch dies nachhaltig wieder zum Positiven gewendet zu haben. Das Restaurant „Opera“ im grandiosen Alten Foyer, das Hocks gegen teilweise erbitterten Widerstand als Raum für die Gastronomie erst erkämpfen musste, gehört zu den ersten Adressen Frankfurts, und an einem lauen Sommerabend ist ein Dinner auf dem Balkon über dem Opernplatz zusätzlich noch mit einer unschlagbaren Kulisse gesegnet.

So waren meine Frau Jutta und ich dann auch sehr glücklich, als wir unsere Hochzeit in diesem einmaligen Ambiente des alten Foyers feiern konnten. In erster Linie deshalb, weil wir uns schließlich auch in einer Konzertpause in der Alten Oper kennengelernt haben. Und auch sie hat ihren eigenen Erinnerungen an dieses Haus. Angefangen mit dem Spielen in der jahrzehntelang vor sich hinschlummernden Ruine bis hin zu der Lieferung der medizinischen Erstausstattung für die Hausapotheke der Alten Oper, die sie als Apothekerin persönlich vorgenommen hatte.

Apropos Opernplatz: Da hört der Spaß für den Hausherren allerdings auf. So engagiert er in seinem Konzerthaus für die Gastronomie kämpft, so leidenschaftlich tut er es dagegen, wenn es um den Opernplatz, „einen Platz, der in Deutschland seinesgleichen sucht“, geht. Straßenfeste mit Holzbuden und Küchenzelten will er in die legendäre Frankfurter „Fressgass’“ verbannt sehen und kompromisslos kündigt er seinen „Aufstand bis gegen das letzte Klohäuschen“ an. Recht hat er.

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