Diepholz (ddp). Es pfeift, zischt, rattert und quietscht – lauter als in einer Diskothek. Bei Pallas im niedersächsischen Diepholz, einem der letzten verbliebenen Schallplattenpresswerke Europas, wird teilweise noch auf fast 50 Jahre alten Maschinen produziert. Hier kann man «eine Zeitreise erleben», ruft Frank Dietzmann, technischer Betriebsleiter bei Pallas in den Höllenlärm, bei dem Tag für Tag 10 000 kleine und große Schallplatten produziert werden.
Grundzutat für jede Schallplatte ist Polyvinylchorid (PVC). «Die genaue Rezeptur ist aber geheim», sagt Dietzmann. Das PVC-Granulat wird erhitzt und als schwarze Masse auf eine Form gedrückt. Matrizen mit der A- und B-Seite pressen diese Masse dann mit 180 Grad heißem Dampf platt. Anschließend wird die schwarze Scheibe heruntergekühlt, mit einem Sauger herausgehoben und in eine Papiertasche versenkt. Alles vollautomatisch.
Mehrere aus den 60er Jahren stammende Maschinen im Presswerk habe er noch von seinem Vater geerbt, der das Unternehmen 1949 gründete, sagt Pallas-Geschäftsführer Holger Neumann. Ersatzteile dafür seien auf dem Markt nicht mehr erhältlich. Wenn eines benötigt werde, fertige das die firmeneigene Schlosserei an. Die Nachwuchskräfte für das Unternehmen würden firmenintern ausgebildet.
Zur Kundschaft seines Unternehmens gehörten zu 80 Prozent unabhängige Plattenfirmen, erläutert der Firmenchef. Aber auch große Labels wie Sony, EMI oder BMG bestellen in Diepholz. 60 Prozent der Produktion gehen in die Techno- und HipHop-Szene. Die restlichen 40 Prozent sind qualitativ hochwertige Schallplatten aus den Bereichen Rock, Pop, Jazz und Klassik. Erst vor kurzem sei bei Pallas der komplette Katalog der Rolling Stones gepresst worden.
Die meisten Kunden des Unternehmens sitzen in den USA. Erst vor kurzem hat die amerikanische Plattenfirma von Metallica 80 000 Exemplare des neuen Albums »Death Magnetic« in Diepholz bestellt. In Amerika seien die Kunden von der Qualität des Diepholzer Vinyls überzeugt, sagt Dietzmann. Dort werde sogar überlegt, Platten mit dem Qualitätssiegel «Made by Pallas» auszustatten.
Es ist viel einfacher, eine CD als eine Schallplatte herzustellen. Eine Compact Disc, von denen 100 000 pro Tag im Diepholzer Werk produziert werden, ist in 3,4 Sekunden fertig, für eine Schallplatte werden 26 Sekunden gebraucht. Wohl auch deshalb hätten viele Plattenfirmen Anfang der 90er Jahre den Tod der Schallplatte prophezeit, sagt Neumann. «Damals hatten wir schon überlegt, die Produktion einzustellen.»
Doch es kam anders: In der Techno-Szene griffen Mitte der 90er Jahre viele DJs auf das altbewährte Vinyl zurück. «Ich finde, dass Vinyl tatsächlich besser klingt als eine CD», sagt DJ und Produzent Mousse T. aus Hannover. Es sei für Clubgänger auch spannender, einen DJ zu sehen, der mit Vinyl und schönen Covern hantiere, als kleine Silberlinge zu benutzen oder vielleicht sogar den ganzen Abend auf einen Computermonitor zu starren.
Er sei aber viel unterwegs. Und weil CDs nicht so schwer seien, greife er, anders als viele Kollegen, immer weniger zur Schallplatte, räumt Mousse T. ein. Bei vielen DJs sei das mit den Platten «nur noch eine Frage der Philosophie oder gar pure Nostalgie». Außerdem gebe es Labels, die ihre Musik ausschließlich auf Vinyl veröffentlichten. Schallplatten würden nie ganz verschwindet, ist Mousse T überzeugt. Schließlich seien sie «Kult».
Genau diesem Kult der schwarzen Scheiben huldigen die Mitglieder der Analogue Audio Association, einem eingetragenen Verein zur Erhaltung und Förderung der analogen Musikwiedergabe. «Seit der Gründung im Jahr 1990 arbeiten wir dafür, dass ein wichtiger Teil des Kulturerbes der Menschheit - nämlich die analoge Schallplatte – nicht dem vermeintlichen Fortschritt zum Opfer fällt», heißt es auf der Internetseite aaanalog.de.
Ein Bewahrer analoger Tonträger ist Uwe Mehlaff aus Hannover. Er sammelt Schallplatten, Kassetten, Tonbänder und auch CDs. An dem «analogem Musikgenuss» interessiere ihn die Handarbeit, sagt Mehlaff. «Man muss die Schallplatte aus der Hülle nehmen, sie auf den Plattenspieler legen, sie säubern, den Tonarm behutsam auflegen –das ist faszinierend», sagt der 51-Jährige. Leute wie er dürften es bei Pallas in Diepholz auch künftig kräftig rattern lassen.