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Der lange Weg zur Spitze

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Eindrücke vom Finalistenkonzert des Deutschen Chordirigentenpreises
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Das Dirigentenforum des Deutschen Musikrats fördert in der Sparte Chordirigieren junge talentierte Chorleiter. Beim 3. Deutschen Chordirigentenpreis präsentierten sich am 21. April die drei Finalisten des Dirigentenforums.

Wie steht es um den dirigentischen Nachwuchs für Profichöre? Schaut man sich zum Beispiel nur die Rundfunkchöre an, so gibt es hierzulande offenbar nur wenige Spitzendirigenten, die für die Zusammenarbeit mit solchen Profiensembles in Frage kommen. Und diese relativ wenigen Maestros geben sich bei den Ensembles als Gast- oder Chefdirigenten sozusagen gegenseitig die Klinke in die Hand. Tatsache ist auch, dass hierfür zurzeit vor allem Dirigenten in Frage kommen, die ihre Ausbildung in anderen Ländern genossen haben, wie etwa den Niederlanden, Großbritannien oder den Baltenrepubliken. Es mangelt also an geeigneten Spitzenkräften, die hierzulande ausgebildet worden sind. Dieses Manko zu beheben, gehört zu den Zielen des Dirigentenforums des Deutschen Musikrats. Daher wurde das bereits lange bestehende Dirigentenforum im Jahr 2008 um die Sparte Chordirigieren erweitert. Was, so die Erkenntnis, jungen Chordirigenten vor allem fehlt, ist die Erfahrung mit professionellen Ensembles, die kein Absolvent einer deutschen Musikhochschule vorweisen kann.

Dreizehn Stipendiaten für Chordirigieren haben durch das Dirigentenforum derzeit die Möglichkeit mit angesehenen Ensembles, darunter die Rundfunkchöre des NDR, WDR und MDR, der RIAS-Kammerchor sowie einigen Opernchören, zu arbeiten. Angeleitet werden sie dabei von namhaften Chordirigenten wie Michael Gläser, Howard Arman, Simon Halsey, Stefan Parkman oder Jörg-Peter Weigle. „Das ist natürlich eine einzigartige Chance“, betont die Finalistin Ines Kaun, „denn wenn man die nicht hat, kann man die Arbeit mit Profiensembles auch nicht erlernen. Aber hier gibt es die Möglichkeit, im Rahmen von Meisterkursen jeweils eine Woche mit den Ensembles zu arbeiten und sich dadurch weiter zu entwickeln.“ Auch ihre Karriere sieht Kaun im Zusammenhang mit den Chancen, die ihr das Dirigentenforum bietet. Kaun ist seit 2016/17 Chordirektorin am Theater Heidelberg. Die Erfahrung, dank des Dirigentenforums mit professionellen Opernchören in renommierten Häusern wie Frankfurt oder Stuttgart gearbeitet zu haben, war dabei mit Sicherheit hilfreich.

Neben Kaun gehörten Hsin-Chien Fröhlich und Yuval Weinberg zu den Finalisten des 3. Deutschen Chordirigentenpreises, der zugleich Höhepunkt und Abschluss der Förderung beim Dirigentenforum darstellt. Zusammen mit dem RIAS-Kammerchor erarbeiteten die drei Nachwuchsdirigenten ein Programm, das bewusst auf viele musikalische Stilrichtungen setzte. Von der Renaissance bis in die Moderne mussten Chorwerke von Heinrich Schütz, Carlo Gesualdo, Max Reger, Paul Hindemith und Rob Zuidam einstudiert werden. Um ein möglichst vollständiges Urteil abgeben zu können, bewertete die Jury auch die Probenarbeit der Finalisten und schließlich floss auch das Votum des Chores in die Juryentscheidung mit ein. All dies war ausgesprochen aufschlussreich.

Zunächst konnte man in den Proben beobachten, dass alle Kandidaten sehr souverän mit einem Profiensemble arbeiten. Hier zeigt sich, dass die Stipendiaten im Rahmen der vielen absolvierten Meisterkurse in dieses Metier wunderbar hineingewachsen sind. Sie wissen, wie man eine Probe gut aufbaut, sich klar ausdrückt und können ihre musikalischen Vorstellungen gut vermitteln. Jede Interpretation hat schöne und originelle Momente. Doch wer überzeugt am meisten? Hier ließen sich dann doch einige Unterschiede ausmachen. So konnte man in den Proben beobachten, dass manches relativ ausführlich erläutert wurde, was die Dirigenten genauso gut hätten zeigen können, ein Ritardando etwa braucht nicht erklärt werden. Auch passierte es, dass sich Dirigenten zu sehr auf Details konzentrierten und dabei das Gesamtbild eine Stückes verloren. Und schließlich stellt sich die Frage, inwiefern eine Interpretation zugleich der Stilistik des Stückes gerecht wird. So sollte eine Motette von Schütz mit einer entsprechenden Leichtigkeit daherkommen, die ausgewählten Madrigale von Gesualdo setzen sich wiederum aus einer Fülle von musikalischen Minidramen zusammen, die viel Raum für Gestaltung und Phrasierung bieten. Hindemith‘s „Six Chansons“ sind musikalische Kabinettsstückchen mit vielen dynamischen Wechseln, in denen zugleich die französische Sprache mit parlierenden Duktus zum Ausdruck kommen sollte. Bei Regers geistlichen Gesängen ist ein romantischer Pathos mit viel Klangfülle gefragt, doch darf dies auch nicht zu massiv geraten. So verlangte jedes Stück eigene Klangfarben und chorische Ausdrucksqualitäten.

Im Finalkonzert schließlich konnte Hsin-Chien Fröhlich Jury wie Publikum am meisten überzeugen, denn sie ging mit der musikalischen Stilvielfalt am besten um. In der Generalprobe verlor sie sich, anders als ihre Mitbewerber, überhaupt nicht mehr in irgendwelche Details, sondern versuchte sich ganz auf die unterschiedliche Wirkung der Musik einzulassen. „Stimmung macht die Musik“, sagt Fröhlich, „wenn man diesen Moment nicht hat, dann ist es durchgesungen, aber wenn man die Stimmung findet, dann ist es berührend und das möchte ich erreichen“. Und noch etwas war entscheidend: Ihr gelang es am besten die Sängerinnen und Sänger des RIAS-Kammerchor mitzunehmen. Hier zeigt sich, dass für ein Profiensemble die Persönlichkeit des Dirigenten neben allem anderen ein ausschlaggebender Faktor ist.

Freuen darf man sich übrigens auch darüber, dass die angestammte Männerdomäne des Dirigierens nun hoffentlich mehr und mehr von Frauen erobert wird. In der kommenden Konzertsaison wird Fröhlich Dirigate beim RIAS-Kammerchor, dem Rundfunkchor Berlin sowie dem WDR Rundfunkchor übernehmen.

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