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Die „heile Welt“ gibt es nur noch in Süddeutschland

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nmz-Gespräch mit dem ehemaligen Präsidenten des Deutschen Städtetages, Gerhard Seiler
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Gastgeberin des 14. Musikschulkongresses war die Stadt Karlsruhe, die sich gerne - und nicht zu Unrecht - ihres Engagements für Kunst und Kultur rühmt. So sind beispielsweise die Händel-Festspiele Anziehungspunkt für Musikfreunde aus aller Welt. In Karlsruhe findet sich eine der fünf baden-württembergischen Musikhochschulen, außerdem unterhält die Stadt das Badische Konservatorium. Mitte Oktober feiert eine in der Bundesrepublik bislang einmalige Institution ihre Eröffnung, das Zentrum für Kunst und Medientechnologie. Die nmz befragte Gerhard Seiler, Oberbürgermeister von Karlsruhe, zum Thema Musikschule. nmz: Herr Seiler, Sie haben in Ihrer Eröffnungsrede den Wunsch des Deutschen Städtetages zum Ausdruck gebracht: ein Drittel der Kosten von Musikschulen übernimmt die Kommune, ein Drittel zahlt das Land und ein Drittel der Nutzer. Wie sieht die Realität aus? Seiler: Wenn ich meine Stadt Karlsruhe nehme, dann sieht die Realität so aus: Nahezu die Hälfte kommt aus städtischen Mitteln, 38 Prozent zahlen die Schüler, elf Prozent sind Landeszuschüsse und drei Prozent sind Sonstiges. Die Landeszuschüsse stagnieren. Die Länder, auch das Land Baden-Württemberg, fahren einen rigiden Sparkurs. Die Kommunen teilweise auch, denn sie müssen es. Es sind zum Teil dramatische Verhältnisse in den Kommunen entstanden, insbesondere nördlich der Mainlinie. Wenn ich sehe, wie beispielsweise in Essen gekämpft werden muß, um laufende Gehälter und Sozialleistungen zum Teil mit Krediten zu bezahlen, dann muß ich sagen, wir haben in Süddeutschland noch eine einigermaßen heile Welt. Das heißt nicht, daß bei uns der Geldsack ganz geöffnet ist. Aber wenn man ans Sparen geht, dann zunächst im eigenen Bereich, man spart an der Organisation der Stadtverwaltung. Oder man nimmt Dinge und Ausgaben zurück, die man später nachholen kann. Was Sie nicht nachholen können, ist natürlich Erziehung und Bildung. Und dazu gehört Musikunterricht. Ich kann es nicht exakt sagen, aber ich glaube, daß wenigstens in Baden-Württemberg, Rheinland Pfalz und Bayern die Städte unter Opfern eingesprungen sind für das Land. Das muß man anerkennen. Und das ist auch in Karlsruhe so. Bei uns ist der Zuschuß zu unseren beiden Musikschulen kein Thema. nmz: Der deutsche Städtetag hat 1985 zusammen mit dem Deutschen Landkreistag die Empfehlung zur Musikschule verabschiedet. Diese Aussagen stellen eine der wesentlichen Grundfesten der Musikschule als öffentliche Einrichtung dar. Die kommunalen Träger haben sich damit zum Modell der Musikschule bekannt. Sind Musikschulen eine Pflichtaufgabe der kommunalen Daseinsvorsorge? Seiler: Wir sind allergisch gegen den Begriff „Pflichtaufgabe“, wenn wir etwas tun, so tun wir das freiwillig. Ich kenne kaum eine Kommune, die nicht die Musik als eine ihrer Aufgaben begreift. nmz: Halten Sie den Wettbewerb der im Verband VdM organisierten Musikschulen mit freien Anbietern für unausweichlich? Seiler: Die städtischen Musikschulen sollten sich vor einer Konkurrenz nicht fürchten. Zu der Zeit, in der ich noch Klavierunterricht hatte, gab es auch Privatmusikerzieher, und das war keine schlechte Ausbildung. Aber es gibt ein gewisses Basiswissen, Grundmusikkenntnisse, die man auch dann erwerben können soll, wenn man keinen großen Geldbeutel hat. Wenn Spitzentalente auch auf privater Basis erfolgreich zur Hochschulreife weitergebildet werden, wie es in Karlsruhe in der Gruppe Diapason geschieht, dann kann ich das auch befürworten. Wir aber können nicht nur Hochbegabtenförderung betreiben, wir müssen auf allen Gebieten fördern. [nmz1997/nmz9707/dossier/vorlage.htm]

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