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Glissando-Verlaufskurven in Iannis Xenakis‘ Komposition „Metastaseis“, deren strukturelle Ideen auch in die Konzeption des Philips-Pavillon einflossen.
Glissando-Verlaufskurven in Iannis Xenakis‘ Komposition „Metastaseis“, deren strukturelle Ideen auch in die Konzeption des Philips-Pavillon einflossen.
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Die Transmission der überzeugenden Kraft

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Zur Münchner Ausstellung „Iannis Xenakis – Architektur und Musik“
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Kunst geht manchmal sonderbare Koalitionen ein. Die zwischen Musik und Architektur hat im Grunde nicht diesen Status des Besonderen, schon immer spürten Kunstphilosophen das untergründige Band zwischen Klang- und Raumkonzeptionen. Nur wenige Kunstwerke freilich weisen diesen vermuteten Zusammenhang definitiv nach.

Bei Iannis Xenakis (1922–2001) ist das grundsätzlich anders: allein schon deshalb, weil er sowohl Architektur als auch Musik studierte und auch auf beiden Gebieten arbeitete (der Entwurf des Philips-Pavillons für die Weltausstellung in Brüssel 1958 in Zusammenarbeit mit Le Corbusier, daneben die Ausgestaltung des Dominikanerklosters La Tourette nahe Lyon sind markanteste Beispiele für sein architektonisches Wirken). Aber es geht weiter. Für Xenakis ließen sich strukturelle Ideen, die etwa für die Musik entwickelt wurden, auf den Bereich der Architektur übertragen und umgekehrt. Die Verlaufskurven etwa, die er für sein Orchesterwerk „Metastaseis“ von 1954 entwarf, flossen auch in die Konzeption des Philips-Pavillons ein. Xenakis hat selbst dazu geäußert: „Im Philips-Pavillon verwirklichte ich den Grundgedanken von ,Metastaseis‘. Wie in der Musik, so war ich hier an der Frage interessiert, ob es möglich sei, von einem Punkt zu einem anderen zu kommen, ohne die Kontinuität zu unterbrechen. In ,Metastaseis‘ führte mich dieses Problem zu den Glissandi, während beim Philips-Pavillon das Ergebnis die hyperbolischen Parabolformen waren.“ Hier offenbaren sich grundlegende ästhetische Einsichten von Xenakis. Das unbesehene Übertragen von Bauprinzipien von einer Kunst auf die andere würde nur zu starren Ergebnissen führen. Aber es gibt tiefer liegende Berührungspunkte, die in jeder Kunstgattung zu spezifischen Ausformungen führen und dennoch das Gemeinsame der Idee im dreifachen Hegel‘schen Sinne aufheben. Schönheit, die Kraft des Überzeugenden lassen sich transmittieren, ohne dass sie ihre Zwingkraft aufgeben müssen. Solche Gedanken wurden kreativ gestellt bei der Ausstellung: „Iannis Xenakis – Architektur und Musik“, die im Münchner Haus der Architektur (Waisenhausstraße 4) am 23. März 2006 eröffnet wurde und noch bis zum 30. Juni dauert (Montag bis Freitag).

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