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Hindemith beim Beethovenfest: Bonns GMD Stefan Blunier. Foto: J. M. Koch
Hindemith beim Beethovenfest: Bonns GMD Stefan Blunier. Foto: J. M. Koch
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Eigensinn vor Magentarot

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Zur Pressekonferenz des Beethovenfestes 2012
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Bonn, im März. David Orlowsky entlockt seiner Klarinette eine Melodie. Nichts, was Aufhebens macht. Ein Ton an der Grenze zur Tonlosigkeit. Eine Linie schält sich heraus, sucht nach irgendetwas, kringelt sich, weicht zurück, verschwindet im Nichts. War da was?

Für einen Moment fühlt man sich versetzt in die Anonymität der Laden­passa­gen und Fußgängerzonen, wo fürs Hören im Vorübergehen neben den Spielern die Instru-men­ten­­­kästen aufgestellt sind, der kleinen Münzen, der Anerkennung, des Mit­leids wegen. Mit dem Unter­schied, dass wir uns jetzt und hier an einem Ort befinden, der dazu das ziemliche Gegenteil abgibt. David Orlowsky steht auf dem Podium der „Service­zentrale“ der Deutschen Telekom. In seinem Rücken das Signum des rosa Riesen, eine Neon-Leuchtwand in Magentarot. Den Musiker hat man deswegen dort postiert, weil er die „über 2000 Künstlerinnen und Künstler“ zu repräsentieren hat, die das diesjährige Beethovenfest „gestalten“, wie es das Handout verrät für die gut und gern 100 Journalisten, Kamerateams, Fotografen der versammelten Ex-Hauptstadt­presse. Ein Andrang, über den sich Hausherr Timotheus Höttges schlicht „überwältigt“ zeigt. Kein Vergleich, sagt er, zu den eigenen Bilanzpressekonferenzen, wo vergleichsweise gähnende Leere herrsche. Ganz anders jetzt. Und dass so eine Beethovenfest-Pressekonferenz ausgerechnet im Bauch der Telekom stattfindet – dies trägt dem Umstand Rechnung, dass die Firma als „Haupt­sponsor“ „zurückgekehrt“ ist, wie eine glückliche Intendantin Ilona Schmiel gleich zu Anfang kund tut. Vielleicht, so später ein enger Mitarbeiter hinter vorgehaltener Hand, dass der Konzern ja auch wieder ins Boot kommt fürs Lieblings­projekt „Festspielhaus“-Neubau. Denn alles webt und lebt hier ja doch hin auf 2020! Zum 250. Geburtstag des Meisters möchte man ganz groß dastehen. Martin Schumacher, Bonner Kulturdezernent, gibt sich schon einmal schwer sibyllinisch. „Man ist im Gespräch…“

Auf jeden Fall, soviel ist Konsens, ohne die alte Beethovenhalle. Den demokratisch-architektonischen Neubeginn von 1959 hat man mittlerweile so nachhaltig runter­gerechnet, dass selbst die von der Obersten Denkmalpflege ins Spiel gebrachte „akustische Ertüchtigung“ für indiskutabel befunden wird. Dabei ist jetzt schon klar, dass nur jede dritte Veranstaltung im projektierten Neubau in der Rheinaue auch tatsächlich dort stattfinden wird. Wie alle großen Festival-Veranstalter folgt auch die „Internationale Beethovenfeste Bonn gGmbH“ dem Trend zur örtlichen Diversifika­tion: „66 Veranstaltungen an 27 Spielstätten“. 

Im Zeichen der Ringe

Woran das Musikfest der alten Bundeshauptstadt auch in diesem Jahr wieder Maß nimmt, das ist nun freilich zu einer unaufdringlichen Musik, wie sie Orlowsky hier en passent beisteuert, so meilenweit entfernt, dass die Anwesenden für eine winzige Peinlichkeitssekunde nach Halt suchen. Erst Ilona Schmiels „Mehr davon dann beim Konzert“ führt wieder zurück in die Wirklichkeit. Die besteht an diesem Vormittag in einem einzigen Ankündigungs-Trommelfeuer aus Sensation und Attraktion. Für einen ganzen Monat lang – 7. September bis 7. Oktober – wird die große Karawane am Rhein Station machen. An dieser Stelle nur das Allerwichtigste: Beethovenfest-Debüt von Esa-Pekka Salonen. Dessen Beethoven-Sinfonien-Zyklus mit dem Philharmonia Orchestra „exklusiv“ nur für London und Bonn. Im Video sagt er schon einmal, dass er sich freut. Weiter mit András Schiff, der einen zweijährigen Sonaten-Zyklus startet. Auch wieder dabei Paavo Järvi, der sich das Dirigat der Deutschen Kammerphilhar­monie Bremen mit Herbert Blomstedt teilt. Drittes Residenz-Orchester: London Symphony Orchestra unter Michael Tilson Thomas. Und, und. Apropos London. Das Stichwort steht hier natürlich auch fürs Megaereignis Olympische Sommerspiele 2012. Salonen jedenfalls zeigt sich ganz auf der Höhe der Kuratierungs-Symbolik, indem er im projektierten Zyklus je ein Werk eines Zeitgenossen aus je einem der fünf Erdteile unterbringen will. Ausersehen: Unsuk Chin/Asien, Brett Dean/Australien, Joseph Phibbs/Europa, Steven Stucky/Amerika und (mit etwas Phantasie geht auch diese Programmierung auf) Martin Grubinger & Friends/Afrika wegen eines Perkussions­werks namens „Ghanaia II“. Das alles klingt so sehr nach Goodwill, nach Das-muss-ja-auch-noch-mit, dass man sich gar nicht näher vorstellen möchte, wie das „zeitgenössische Werk“ hier aus dem symphonisch-monumentalen Zangengriff unbeschadet herauskommen kann. 

Vielversprechender scheint da schon das alte Prinzip der Inselbildung. Der große Jubilar des Musikjahres 2012, John Cage (dem man, lang ist’s her, 1979 in Bonn schon einmal ein Festival ausgerichtet hat) wird mit acht Konzerten in den großen Museen der Stadt präsent sein. Und dann taucht da mit Paul Hindemith noch ein Name auf, der seinerzeit tatkräftig mitgeholfen hat, die heute so sehr in Misskredit geratene Beethovenhalle zu eröffnen. Als Beitrag des Theaters Bonn kommt es zu einer Neuinszenierung des „Einakter-Tryptichons“ aus der wilden Jugendzeit des Komponisten. Komisch nur, dass es dem scheidenden Generalintendanten Klaus Weise ersichtlich peinlich ist, den schwül-erotischen Inhalt dieser gepfefferten Stücke dem pressekonferenzlichen Auditorium herzuerzählen. Andererseits, gerade dies könnte ja dafür sprechen, dass das heurige Beethovenfest-Motto durchaus kräftig bedient werden wird: „Eigensinn. Über das Wahre in der Kunst“.

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