Das Royal Scottish National Orchestra (RSNO), der wichtigste Klangkörper Schottlands, erreicht mit seiner konzertpädagogischen Arbeit rund 30.000 Kinder und Erwachsene im Jahr. Paul Rissmann, seit 1998 Leiter dieses Programms, präsentierte beim Kongress in Weikerheim das Konzept auf eine Weise, die mehr als erahnen ließ, wie er mit seinem Publikum umzugehen weiß: Sympathisch, witzig, kompetent. Als Kern seiner Arbeit stellte er die speziell für einzelne Jahrgangsstufen konzipierten Konzerte des RSNO vor, die zweifach vorbereitet werden: Durch eine Lehrerfortbildung und einen Workshop in den Schulklassen. In der Fortbildung wird differenziert zwischen Musik- und anderen Fachlehrern, denen dann das Unterrichtsmaterial an die Hand gegeben wird, mit dem sie ihre Klasse auf bestimmte Stücke des Programms vorbereiten können, im Fall des diesjährigen Projekts „Unreal“ etwa die Leutnant Kije-Suite von Sergej Prokofieff. Die Workshops beinhalten dann neben einer näheren Auseinandersetzung mit den Werken auch aktives Musizieren und Komponieren nach dem in England Anfang der 80er-Jahre entwickelten Response-Prinzip: Kinder komponieren aus Elementen von Werken, die sie zunächst nicht hören, eigene Musik, die sie dann mit den „Originalen“ vergleichen (siehe hierzu auch den Artikel von Anke Eberwein auf S. 60). Abschluss und Höhepunkt sind die eigentlichen Konzerte in Edinburgh, Aberdeen, Dundee und Glasgow. In derselben Präsentation beleuchtete Ursula Heidecker, Violinistin im RSNO, die Musikvermittlung für Kinder aus Sicht der ausübenden Musikerin:
Das Royal Scottish National Orchestra (RSNO), der wichtigste Klangkörper Schottlands, erreicht mit seiner konzertpädagogischen Arbeit rund 30.000 Kinder und Erwachsene im Jahr. Paul Rissmann, seit 1998 Leiter dieses Programms, präsentierte beim Kongress in Weikerheim das Konzept auf eine Weise, die mehr als erahnen ließ, wie er mit seinem Publikum umzugehen weiß: Sympathisch, witzig, kompetent. Als Kern seiner Arbeit stellte er die speziell für einzelne Jahrgangsstufen konzipierten Konzerte des RSNO vor, die zweifach vorbereitet werden: Durch eine Lehrerfortbildung und einen Workshop in den Schulklassen. In der Fortbildung wird differenziert zwischen Musik- und anderen Fachlehrern, denen dann das Unterrichtsmaterial an die Hand gegeben wird, mit dem sie ihre Klasse auf bestimmte Stücke des Programms vorbereiten können, im Fall des diesjährigen Projekts „Unreal“ etwa die Leutnant Kije-Suite von Sergej Prokofieff. Die Workshops beinhalten dann neben einer näheren Auseinandersetzung mit den Werken auch aktives Musizieren und Komponieren nach dem in England Anfang der 80er-Jahre entwickelten Response-Prinzip: Kinder komponieren aus Elementen von Werken, die sie zunächst nicht hören, eigene Musik, die sie dann mit den „Originalen“ vergleichen (siehe hierzu auch den Artikel von Anke Eberwein auf S. 60). Abschluss und Höhepunkt sind die eigentlichen Konzerte in Edinburgh, Aberdeen, Dundee und Glasgow. In derselben Präsentation beleuchtete Ursula Heidecker, Violinistin im RSNO, die Musikvermittlung für Kinder aus Sicht der ausübenden Musikerin:Unser Orchester spielt rund 140 Konzerte pro Jahr und oft zwei bis drei verschiedene Programme pro Woche. Hinzu kommen Aufnahmen mit klassischer Musik und manchmal auch Filmmusik. Die konzertpädagogische Arbeit ist nicht Bestandteil unserer Verträge, sie findet in der Freizeit statt und wird auch ext-ra bezahlt. Ein großer Vorteil dieser Regelung besteht darin, dass nur diejenigen diese Arbeit machen, die es wirklich wollen.Die Gründe, warum man sich für diese Arbeit entscheidet, beziehen sich einerseits auf die Kinder, andererseits auf uns als Musiker. Zunächst zu den Kindern:
Unsere Kinderkonzerte erreichen Menschen, die üblicherweise keinen Zugang zu klassischer Musik haben, sei es aus finanziellen, sei es aus Gründen, die mit dem Elternhaus zu tun haben. Wir arbeiten normalerweise nicht mit auf Musik spezialisierten Schulen zusammen, sondern mit „normalen“ Grund- oder weiterführenden Schulen, manchmal auch mit Sonderschulen.
Unsere Arbeit hat positive soziale Auswirkungen auf die Schulklassen. Alle Schüler bringen die gleichen Vo-raussetzungen mit, weil sie an einem solchen Kompositionsworkshop noch nie teilgenommen haben und häufig erweisen sich vermeintliche „Versager“ als besonders begabt für Komposition, Rhythmus oder andere Elemente unserer Workshops.
Musik macht Spaß und mit unserer Arbeit erzeugen wir bei den Kindern ein Gefühl von Abenteuer, wenn wir mit ihnen neue Welten hören und erfahren lernen, etwa die große Bandbreite an Emotionen, die in der Musik ausgedrückt werden kann
Unsere Besuche in den Schulen sind für die Kinder etwas Neues. Wir haben also den Vorteil, etwas anzubieten, das anders ist als alles, was sie vorher gemacht haben.
Mit unserer Arbeit ermutigen wir junge Menschen dazu, sich selbst mit Musik auseinander zu setzen. Wenn es uns gelingt, sie zu interessieren, werden sie wiederkommen. So sind manche meiner Kollegen eben aufgrund solcher Besuche von Profimusikern selbst Musiker geworden.
Wir arbeiten regelmäßig mit behinderten Kindern. Für einige von ihnen ist Musik eine echte Überlebenshilfe, weil sie oft ihre einzige Möglichkeit ist, sich auszudrücken.
Was bedeutet nun die konzertpädagogische Arbeit für uns Musiker? Zunächst einmal ist sie eine willkommene Abwechslung und Unterbrechung unseres Orchesteralltags. Statt die Musik anderer zu reproduzieren sind wir selbst kreativ tätig, eine oft befreiende Erfahrung.
Diese Kreativität ist eine große Herausforderung und trägt so, zum Beispiel was die Kommunikationsfähigkeit betrifft, zu unserer persönlichen und beruflichen Entwicklung bei.
Es ist sehr befriedigend zu beobachten, wie die Kinder auf die Musik reagieren und sie genießen. Die erzieherische Tätigkeit gibt uns außerdem das Gefühl, mit unseren Fähigkeiten etwas Sinnvolles zu tun.
Da wir in den Workshops sehr viel solistisch musizieren, gewinnen wir als Instrumentalisten an Sicherheit, was wiederum dem Zusammenspiel im Orchester gut tut.
Wir haben die Möglichkeit, eng mit unseren Kollegen zusammenzuarbeiten, was zu mehr Verständnis füreinander beiträgt. Auch können wir besser die Rolle bestimmen, die wir innerhalb des Orchesters ausfüllen, ohne den Komplex, „nur“ an einem hinteren Pult zu spielen.
Auch wir lernen die Musik, die wir erklären und spielen, besser zu verstehen. Durch unsere Arbeit erkennen wir, dass das, was wir spielen und das, was die Kinder komponieren, Teil eines zusammengehörigen Kontinuums von „Musiken“ ist.
Die Kinderkonzertprogramme machen den Namen unseres Orchesters bekannt und geben uns das Gefühl, etwas für dessen Ansehen zu tun.
Als Fazit kann ich nur jedem Musiker empfehlen, diese Arbeit auszuprobieren, denn sie kann eine lohnende Ergänzung des Orchesterberufs sein!