Auf den Seiten des Tonkünstlerverbandes Baden-Württemberg im Verbändeteil der neuen musikzeitung habe ich es immer wieder angefasst, das heiße Eisen – zuletzt in den Ausgaben 4 und 6/2000. Die Reaktionen der Musikschulverbände aus unserem Bundesland und auch aus Bayern waren so, dass ich es doch wohl lieber hätte lassen sollen, führte es doch nur zu Missverständnissen und Drohungen. Denn: Musikschulverbände verstehen sich (Zitat) „ausdrücklich weder als Arbeitnehmer- noch als Arbeitgeber-Verbände“. Aber: Für den Musikschullehrer ist die Musikschule nun mal der Ansprechpartner und „Arbeitgeber“, wer sonst?
Und: Über die Hälfte der mehr als 2.000 Mitglieder des Tonkünstlerverbandes BW sind (auch) in Musikschulen tätig, das Gebiet Arbeitsrecht betrifft einen Großteil unserer Beratungstätigkeit. Die Interessen der Musiklehrer und nicht die der Institution Musikschule hat unser Berufsverband zu vertreten – und bei genauerer Betrachtung sind dies jedoch auch die wahren Interessen der Institution Musikschule.
Zugegeben: Viele der Schwierigkeiten auf dem arbeitsrechtlichen Gebiet sind systemimmanent, andere wieder nur aus der Historie der Institution „Musikschule“ begreifbar, die ich seit mehr als 50 Jahren verfolge. Ihre Geschichte ist nicht abgeschlossen, wohin die Entwicklung führt, ist offen. Wo steht die meist kommunale subventionierte Musikschule heute und wohin könnte, sollte die Entwicklung gehen?
Als kommunale Bildungseinrichtung neben der öffentlichen Schule vom guten Willen der Stadt- und Gemeinderäte abhängig, ist ihr Betrieb (noch) keine gesetzliche Aufgabe der Kommune. Seit Jahren daher erhebt der VdM den Ruf nach einem „Musikschulgesetz“. Da aber die Kulturhoheit bei den Ländern liegt, müsste ein solches Gesetz in allen Bundesländern auf den Weg gebracht werden.
Bayern hat bereits 1984 eine „Sing- und Musikschul-Verordnung“ erlassen. Dort müssen, damit der Name „Schule“ benutzt werden darf, gewisse Qualitätskriterien erfüllt sein. (Frage: Ist der Begriff „Schule“ bei Jugendlichen so attraktiv besetzt, dass er geschützt werden muss?) Arbeitsrechtlich relevant ist: Es dürfen nur Lehrkräfte mit nachgewiesener musikpädagogischer Befähigung unterrichten, alle Lehrer sollen einen schriftlichen Arbeitsvertrag erhalten, das heißt freie Mitarbeiter sind nicht mehr zulässig und die wirtschaftliche Stellung der hauptberuflichen Lehrkräfte muss genügend gesichert sein.
Die 1998 von Martin D. Loritz veröffentlichte Statistik weckt allerdings Zweifel daran, ob dieses Idealbild einer (quasi) gesetzlich geregelten und staatlich kontrollierten Institution sich in den 16 Jahren seit 1984 in ganz Bayern verwirklicht hat. Immerhin, ein Ziel ist angepeilt. In Brandenburg haben die Musikschuleltern Unterschriften für ein Volksbegehren gesammelt, das auch zustande kam, aber erfolglos blieb. Der daraufhin von der Regierung beschlossene Text, noch im Gesetzgebungsverfahren, stellt allerdings niemand zufrieden.
Natürlich liegt mir hauptsächlich die Lage im Bundesland BW am Herzen. Schon lange, und ganz besonders auf dem Musikschultag 1998 in Schwetzingen, forderte der Vorsitzende des VdM dringend ein Gesetz. Ob es klug war, als Hauptgrund für dieses Gesetz darauf zu verweisen, dass dann auch die finanziellen Forderungen an den Staat leichter durchzusetzen seien, sei dahingestellt. Der Ministerpräsident war eingeladen, es wurde ihm dort eine Medaille des VdM verliehen. Der politische Wille zu einem Musikschulgesetz blieb trotzdem bis heute marginal. Das Land Baden-Württemberg ist mit über 200 öffentlich geförderten Musikschulen so gut wie flächendeckend versorgt. Diese sind jedoch sehr unterschiedlich organisiert, differieren in Größe und Leistungsfähigkeit. Dies sei an einigen Beispielen ausgeführt:
Dem Konstanzer Südkurier vom 23. Februar 2000 entnehmen wir unter den Titeln „Der Musikschule droht die Auszehrung – Verknappte Mittel und problematische Personalpolitik – Zuschuss in Singen dreimal so hoch“ einen Vergleich der unterschiedlichen Institute am Bodensee hinsichtlich der kommunalen Aufwendungen. Konstanz wendet 561 Mark, Singen 1.571, Friedrichshafen 1.294, Radolfzell 1.466 und Überlingen, eine mit sehr vielen Bläsergruppen anders organisierte Schule immerhin noch 705 Mark pro Schüler im Jahr auf.
Die Unterschiede schlagen sich auch in der arbeitsrechtlichen Stellung der Lehrer nieder: In Konstanz haben von 60 Lehrern nur 17 einen Arbeitsvertrag, 43 sind (Schein-?) Selbstständige, in Friedrichshafen unterrichten 28 Festangestellte und nur ein Honorarlehrer, in Singen sind es 27 Festangestellte und 17 Freiberufler, in Radolfzell „halten sich mit 16 zu 16 hauptamtliche und freiberufliche Lehrer die Waage“ (gemeint sind natürlich Angestellte und Freiberufler, es gibt ja auch hauptberufliche Freiberufler!).
Die zuständigen Kommunen negieren teilweise offenbar das Urteil des Bundesarbeitsgerichts, wonach für die Freiberufler der Anspruch auf einen Arbeitsvertrag besteht, wenn sie dieselbe Arbeit machen wie die Kollegen mit Arbeitsvertrag. Ganz abgesehen davon, dass die Arbeit der Musikschullehrer in der Regel die Voraussetzungen für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung erfüllt. Hier „melkt“ also die öffentliche Hand durch die Beschäftigung von Honorarlehrern die Künstlersozialkasse egoistisch ab. Diese hat in der Folge am 1. Januar 2000 ihren Abgabensatz für Konzerthonorare um 150 Prozent erhöht.
Eine der größten Städte unseres Landes an der Grenze zu Bayern hat 13 Millionen Mark für den Umbau eines Gebäudes für die Musikschule ausgegeben, die weit überwiegende Zahl der Lehrer bleibt aber „Honorarlehrer“ ohne jede soziale Komponente. Ein Journalist fragte dort einen Stadtrat, ob es nicht möglich gewesen wäre, vielleicht eine Million Mark einzusparen, diese fest anzulegen und aus den Zinsen den armen Honorarlehrern eine Weihnachtsgabe zu bewilligen. Antwort: „Das geht nicht, der Bau ist schließlich eine Investition.“ Die Arbeit der Lehrer ist keine Investition? Vielleicht wäre sie für die Zukunft eine sinnvollere als ein neues Gebäude!
Bei dem Überangebot von Lehrern bestehen meist Hemmungen, die arbeitsrechtlich zustehenden Rechte einzuklagen, besonders bei den Massenfächern, weil die Betroffenen dann (und mit Recht!) fürchten, auch noch ihren schlecht bezahlten Job zu verlieren. Das sind keine guten Voraussetzungen für die Entwicklung und die Zukunft der kommunalen Musikschule. Nachdem inzwischen alle fünf staatlichen Musikhochschulen in BW ihre Studentenzahl um 20 Prozent vermindern müssen, sollten die kommunalen Musikschulen auch dann für Musiklehrer attraktiv bleiben, wenn gute Lehrer wieder knapper werden.
Es steht mir nicht zu, den Musikschulverbänden Ratschläge zu erteilen. Aber vielleicht sollten sie sich schon Gedanken darüber machen, ob sie nicht – unabhängig von den derzeit wohl nicht überall durchsetzbaren Musikschulgesetzen – eigene Möglichkeiten finden, die arbeitsrechtlichen Voraussetzungen bei ihren Mitgliedern zu vereinheitlichen und damit zu einem positiven Bild der Musikschule als Arbeitgeber beizutragen.
Heißes Eisen Musikschule
Zum Beitrag von Ernst Held
Bevor dieses Dossier in Druck ging, bekamen die teilnehmenden Autoren jeweils alle Texte zu lesen. Denn ursprünglich war geplant, noch eine kontroverse Debatte der Autoren unter der Moderation der nmz-Redaktion live oder im Internet-Chatroom durchzuführen. Diese Idee ließ sich in der zur Verfügugn stehenden Zeit leider nicht umsetzen. Eine erste Reaktion eines Autors, die wir kurz vor Drucklegung erhielten, finden Sie hier abgedruckt.
Ich frage mich schon, und ich frage ausdrücklich die Präsidien des Tonkünstlerverbandes in Bund und Ländern, wie lange es in diesem Ton noch weiter gehen soll – wahlweise auf den Seiten des Deutschen Tonkünstlerverbandes und seiner Landesverbände oder jetzt im Dossier. Versteht sich der einstmals angesehene Tonkünstlerverband nur noch als Rammbock gegen die Arbeitsstellen seiner an Musikschulen beschäftigten Mitglieder? Wir brauchen Partnerschaft in der Musikerziehung! Kleinkarierte Scharmützel helfen niemandem.
Auch wenn es der Geschäftsführer des Baden-Württembergischen Tonkünstlerverbandes noch immer nicht wahrhaben will, sind der Verband deutscher Musikschulen und seine Landesverbände gemeinsam nichts anderes als der Fachverband der öffentlich-rechtlichen und der privat-rechtlichen und in jedem Fall gemeinnützigen Träger von Musikschulen. Für Fragen des Arbeits- und Tarifrechts sind andere zuständig: jeweils auf Bundes- und Landesebene die Arbeitgeberverbände (VKA/KAV) und die Gewerkschaften (IG-Medien und andere). Es ist einfach falsch, dass der VdM nach Jahren nach einem Musikschulgesetz ruft. Auf der Bundesebene würde es keinen Sinn machen und auf der Landeseben geht es dabei – in jedem Land anders – um sehr delikate Fragen im Verantwortungsverhältnis zwischen Land und Kommunen. Manchmal mag der Spatz in der Hand besser sein als die Taube auf dem Dach. Wenn es jedoch um gesetzliche Rahmenbedingungen für Musikschulen geht, würde ich bei staatlichen Regelungen unterhalb des Niveaus der VdM-Mitgliedschaftsbedingungen beziehungsweise der bayerischen Sing- und Musikschulverordnungen zu sehr gründlichen Überlegungen raten. Die Angriffe auf Musikschulen in Baden-Württemberg sug- gerieren Sachkenntnis und sind doch nur Streubomben gegen Schuldige und Unschuldige gleichermaßen. Der Musikschulverband hat von jeher viel für die Aufklärung der Musikschulträger und ihrer Einrichtungen getan. Es liegt allerdings nicht in der Macht des VdM, ungerufen auf kommunale Entscheidungen vor Ort Einfluss zu nehmen. Für Bayern nehmen wir als Fachverband und als Träger einer Beratungsstelle für das Sing- und Musikschulwesen in Anspruch, zu weithin einwandfreien Rechtsverhältnissen beigetragen zu haben.