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Enge Verzahnung mit Marketing und Werbung

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Selbstmanagement-Serie Teil 2: Public Relations
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Musikindustrielle sind nahe am Wasser gebaut. Spontan steigen ihnen Tränen in die Augen, wenn man an glorreiche Momente erfolgreicher Public Relation und damit verbundene Absatzrekorde erinnert. Obwohl Erfolgsstorys auch in Klassik, Oper oder Jazz geschrieben werden, begründet keine andere Band der Welt die unwahrscheinliche Geschichte ihres Erfolgs auf Öffentlichkeitsarbeit mehr als die Rolling Stones. Manager Andrew Loog Oldham – Künstlername (!) „ALO“ – geht nicht nur als Vater des Pop-Skandals in die Geschichte ein. Schlagzeilen wie „Würden Sie Ihre Tochter mit einem Rolling Stone ausgehen lassen?“ erheben den damals 19-Jährigen zum genialen Architekten eines Musikzeitalters. Inszenierte Öffentlichkeit im kleinen und großen Maßstab steht im Fokus des zweiten Teils der nmz-Serie „Selbstmanagement für Musiker“.

Das englische Wort Public Relations enthält im Gegensatz zum deutschen Äquivalent Öffentlichkeitsarbeit keine negativ besetzte Verbindung („Arbeit“), sondern erzählt zunächst und vor allem von der Pflege unserer Kontakte. Im Unterschied zur Werbung bezieht sich Public Relations auf mehr als ein einzelnes Produkt oder eine spezielle Dienstleistung. PR ist der Imagepflege verpflichtet – das Unternehmen oder der Künstler repräsentiert seine Geschichte, seine Zukunftspläne, seine Leistungen und sein gesamtes Engagement mit Hilfe von PR-Agenten. Wer sich professionelle Hilfe nicht leisten kann, muss sich sein Image selbst stylen und die Bereiche Marketing, Medienarbeit und Werbung als gleichberechtigte Partner mit unterschiedlichen Stoßrichtungen unterscheiden lernen.

Marketing ist ein extrem weites Tätigkeitsfeld und bezeichnet alle Maßnahmen, die den Absatz fördern. Typische Marketing-Maßnahmen sind unterschiedliche Preissegmente für die Audio-CD (zum Beispiel „Nice Price“). Medienarbeit nutzt Radio, TV und so weiter als Verbindungskanäle zur Öffentlichkeit. Die Rubrik „Abgehört“ im Magazin Spiegel genießt beispielsweise eine hohe Glaubwürdigkeit. Werbung ist Teil des Marketings und verfolgt kurzfristige Ziele und will Kaufimpulse wecken. Public Relations ist mit Marketing, Medienarbeit und Werbung eng verzahnt, darf allerdings gewisse ethische Grundsätze nicht aus den Augen verlieren. Falsche Informationen gefährden die eigene Glaubwürdigkeit.
Public Relations erfüllt unterschiedliche Aufgaben. Große Unternehmen und Vereine (zum Beispiel GEMA) unterliegen einer Veröffentlichungspflicht. Am Ende eines Geschäftsjahres dokumentieren sie ihre Aktivitäten. Eine weitere PR-Aufgabe ist die Erklärung komplexer Sachverhalte, etwa wenn EMI 50 Millionen Euro Abfindung an Maria Carey nach einer freiwilligen Vertragsauflösung zahlt. Meist allerdings beschäftigt sich PR mit Motivation. PR-Agenten suchen deshalb nach geeigneten und beeinflussbaren Zielgruppen.

Wird ein Festival realisiert, beginnt die Finanzplanung meist Jahre vor dem ersten Engagement mit Sponsorenpflege. Unternehmen (1) sind auf Grund klarer Strukturen eine leicht erfassbare Zielgruppe. Informelle Gruppen (2), deren Gemeinsamkeiten ausschließlich eine lose Verbindung ergeben, können immerhin noch über Multiplikatoren angesprochen werden. HipHop-Mode wurde deshalb in Deutschland über die Skater eingeführt. Soziale Gruppen (3) wie die Jazzfans haben demgegenüber zwar gemeinsame Neigungen, aber wenig Kommunikation untereinander (was man an der verschwindenden Beteiligung an Internetforen ablesen kann). Sie sind die schwierigste Gruppe für die PR. Das wichtigste Bindeglied zu sozialen Gruppen sind heute die Medien (4), die als Spezialisten die Ansprache der Teilgruppen übernehmen.

Eine Schallplattenfirma oder ein Künstler bereitet sich auf die Zielgruppenansprache zunächst durch die Klärung seiner Corporate Identity vor. Wir vergleichen unser Selbstbild mit dem Fremdbild und fragen uns wer wir sind und wie wir wirken möchten. Unser Erscheinungsbild wird nun gezielt durch unser Auftreten (Corporate Design), Sprache (Wording) und Kommunikationsmaßnahmen in die Öffentlichkeit getragen. Die Punk-Sensation Sex Pistols wurde 1975 von Malcolm McLaren in dessen Boutique gecastet, wie der Film „The Great Rock’n’Roll Swindle“ dokumentiert. Standesgemäß wurde der erste millionenschwere Plattenvertrag umgeben von Kameras und mit Bierflasche in der Hand auf einer Motorhaube unterzeichnet.

Die öffentliche Unterzeichnung eines Plattenvertrages ist imagebildend und deshalb Bestandteil von PR. Jedem Ereignis dieser Kategorie und allen anderen mehr oder weniger wichtigen Anlässen gehen weitere wichtige PR-Maßnahmen voraus, insbesondere und am häufigsten die Verbreitung von Informationen durch Infozettel. Infozettel liegen zum Beispiel CD-Neuerscheinungen bei, Musikschulen verteilen Infozettel vor dem Tag der Offenen Tür, die Musikindustrie verschickt Infozettel zur Mobilisierung gegen oder für Gesetzesinitiativen den Kopierschutz betreffend.

Bevor ein Infozettel erstellt wird, muss die Zielgruppe (Leserschaft) bestimmt werden. Unterschiedliche Zielgruppen brauchen unterschiedliche Infozettel. Ein freiberuflicher Musiklehrer wird unterschiedliche Infozettel an Hochschulen und Kindergärten auslegen. Form (beispielsweise Schriften, Bilder) und Inhalt (Angebote et cetera) müssen zu den Zielgruppen, wie auch zur eigenen Identität passen und das Corporate Image weiter verbreiten helfen.

Aufgabe Nummer 1 (Grundüberlegung zum Infozettel 2 mal 15 Minuten)

1.1. Welche wichtige Kommunikationsaufgabe gegenüber der Öffentlichkeit (Kunden, Mitarbeitern, Verbände,...) liegt bei Ihnen aktuell an? Benutzen Sie eine Kreativtechnik (Mind-Mapping, Brainstorming oder Ähnliches), um Ihre persönlichen Kommunikationsziele zu erfassen.
1.2. Wählen Sie die wichtigste Kommunikationsaufgabe aus Ihrem Aufgabenpool aus.
1.3. Definieren Sie die Zielgruppe für die ausgewählte Kommunikationsaufgabe. Benutzen Sie eine Kreativtechnik, um zu prüfen, ob Ihre Kommunikationsaufgabe mehrere Zielgruppen betrifft.

Ein fantastisches Werkzeug zur Formulierung eines Infozettel bietet die Formel AIDA. Sie funktioniert nach einem strengen und universell anwendbaren Erfolgsprinzip. AIDA bedeutet
a) Attention: das Erzeugen von Aufmerksamkeit; b) Interest: das Wecken von Interesse; c) Desire: die Erzeugung eines Wunsches; d) Action: die Anleitung zu einer Handlung.
Angenommen Sie suchen für Ihren Musikalienhandel einen Verkäufer für Klassik-Noten. Sie möchten eine entsprechende Stellenanzeige in einem Fachmagazin wirkungsvoll zur Geltung bringen. Aufmerksamkeit können Sie mit einer Schlagzeile oder einem sorgfältig ausgewählten Bild erzeugen. Nun gilt es, mit einer entsprechenden Tätigkeitsbeschreibung Interesse an der Position und an Ihrem Unternehmen zu wecken. Versetzen Sie sich weiterhin in die Lage des Bewerbers. Was wird den Wunsch beim Bewerber wecken, die Position zu wechseln oder den angebotenen Job haben zu wollen? Fordern Sie den Bewerber am Fuß der Anzeige auf, Kontakt aufzunehmen und sich bei Ihnen zu bewerben. Aus betriebswirtschaftlichen und ethischen Gründen sollten Sie bei allen Ihren Aussagen bei der Wahrheit bleiben.

Aufgabe 2 (Ausformulierung des Infozettels, 45 Minuten)

a) Als Musiker kündigen Sie ein Konzert in Ihrer Stadt an. Planen Sie die Vorlage einer stadtweiten Plakataktion; b) Als Schallplattenfirma bewerben Sie per Fax die Besprechung einer neuen CD; c) Als Musiklehrer kündigen Sie einen neuen Kurs in Form eines Flyers an.
2.1. Formulieren Sie den Text in vier Blöcken nach AIDA mit jeweils zwei Sätzen pro Block.
2.2. Lassen Sie den Text von Freunden, Bekannten und Kollegen gegenlesen und verbessern. Diskutieren Sie Anregungen jeglicher Art.

Es folgt der Feinschliff des Infozettels. Weil der erste optische Eindruck entscheidet, stellen Sie zunächst Überlegungen zu Schrifttyp, Schriftgröße und Illustration an. Auch das Format beeinflusst den Erfolg Ihres Textes. Weniger ist mehr! Grundsätzlich ist gute Lesbarkeit und klare Formatierung für jede Informationsweitergabe förderlich.

Der Textstil des Infozettels hängt maßgeblich von der Zielgruppe ab. Generell gilt es, die Dinge positiv zu benennen und Wörter wie „nicht“ auszuschließen. Ein Flötenkurs ist „günstig“ anstatt „nicht teuer“. Erklären Sie geistig einem netten Bekannten Ihr Anliegen und überarbeiten Sie die Ergebnisse mit sprachlicher Kreativität. Schreiben Sie aktiv, ohne Fachjargon, in Hauptsätzen und mit Fantasie (Reime, Slogans et cetera). Nennen Sie in jedem Fall starke Nutzenargumente! Der Infozettel ist in diversen Variationen das meistverbreitete PR-Mittel. Public Relations befasst sich darüber hinaus mit Anzeigen und Werbekampagnen, Pressemitteilungen und Pressekonferenzen, Internetseiten und Newslettern, Messen und Feiern, Krisenmanagement und vielen wichtigen Aspekten mehr, die im Rahmen des Seminars „Selbstmanagement für Musiker“ am 17./18. Januar 2004 mit der Geschäftsführerin der Agentur Art D’Eco, Claudia Cornelsen, erörtert werden. Weiterführende Informationen finden Sie auf der Internetseite www.selbstmanagement-fuer-musiker.de


Claudia Cornelsen: Das 1x1 der PR, Haufe Verlag.
Claudia Cornelsen: Lila Kühe leben länger, Ueberreuter.
Werner Gaede: Abweichen von der Norm, Langen/Müller.
Günter Bentele u.a.: PR für Verbände und Organisationen, Luchterhand.
Viola Falkenberg: Interviews meistern, F.A.Z.-Institut.
Dieter Herbst: Internet-PR, Cornelsen.

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