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Flammendes Plädoyer

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Was uns die Meisterwerke der Oper heute noch zu sagen haben
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Attila Csampai: Sarastros stille Liebe. Ein Opern-Lesebuch. Verlag Jung und Jung, Salzburg/Wien 2001, 336 Seiten.

Attila Csampai: Sarastros stille Liebe. Ein Opern-Lesebuch. Verlag Jung und Jung, Salzburg/Wien 2001, 336 Seiten.Jetzt wissen wir also endlich, was in Donna Annas Zimmer zwischen ihr und Don Giovanni geschehen ist –nichts. Keine Anzüglichkeiten, kein erotisches Abenteuer. Und eine gewaltsam erzwungene Liebesszene schon gar nicht. In seinem Aufsatz zu Mozarts „Don Giovanni“ jedenfalls vertritt der Musikjournalist Attila Csampai diese These. Das macht stutzig. Mozarts Verführer gilt doch als skrupelloser Triebmensch schlechthin! Allein: Csampais Blick ins Libretto verrät anderes. Denn zu Beginn der Oper gesteht der Titelheld: „[...] heute macht sich der Teufel einen Spaß daraus, meine vergnüglichen Pläne zu durchkreuzen; sie gehen alle schief.“ Damit ist natürlich auch die Verführung Donna Annas gemeint, so Csampai. Es gibt für Don Giovanni keinen Grund, die Unwahrheit zu sagen.

Noch ein Beispiel? 1. Akt, Register-Arie des Leporello: Hier erfährt man, dass der Großteil von Giovannis Opfern im katholischen Spanien zu finden ist: 1.003. In der weniger monogamen Türkei hingegen waren es nur 91. Denn: seine erotischen Energien entfalten sich „nicht primär im Geschlechtsakt, sondern vorher: bei der magisch-sinnlichen Verzauberung seiner Opfer [...] Dies zu begreifen mag heute vielen von uns – angesichts unserer weitgehend sportlich-profanen Auffassung von Erotik – schwerfallen“.

Es sind Schlussfolgerungen wie diese, die Attila Csampais Opern-Lesebuch „Sarastros stille Liebe“ so spannend machen. Aber seien Sie gewarnt: Wer diese Essay-Sammlung zur Hand nimmt, sollte bereit sein, althergebrachte Denk-Schablonen zumindest einmal zu überdenken. Egal ob Mozarts „Zauberflöte“, „Le nozze di Figaro“ und „Così fan tutte“ liebevoll seziert werden oder ob Csampai Verdis „Traviata“, „Otello“ und „Simon Boccanegra“ unter die Lupe nimmt – immer findet er wohltuend unorthodoxe Zugehensweisen jenseits üblicher Klischees. Deshalb kommt es auch für den passionierten Opern-Freak immer wieder zu „Aha“-Erlebnissen, die eines klar machen: Der Autor sucht, was die alten Partituren mit der Gegenwart verbindet. „Was geht uns das alles heute noch an?“ ist eine Frage, die Csampai oft im Hinterkopf gehabt haben dürfte. Nur so ist zu erklären, dass seine Analysen immer wieder brennende Aktualität gewinnen.

Zum Beispiel ist Webers „Freischütz“ für ihn eine Parabel für etwas, das jeder kennt: Prüfungsangst. Nur aus Furcht zu versagen, verschwört sich Max mit dem Bösen: „Es bleibt ihm gar nichts anderes übrig, als sich mit den dunklen Mächten des Irrationalen zu verbünden, um seine im Rahmen der rationalen Weltordnung aussichtslose Position entscheidend zu verbessern. Das ist das Grundmotiv des Dr. Faust und aller anderen späteren gespaltenen Karrieristen und Weltverbesserer von Dr. Jekyll bis Batman.“ Der Hohepriester Sarastro hingegen wird als „Sklavenhalter und Despot“ entlarvt, als „Karikatur des idealisierten Bürgers an der Macht“. Und Verdis „Traviata“ findet ihre realen Nachfolgerinnen in Marylin Monroe, Brigitte Bardot und Nastassja Kinski.

Solch respektlose Vergleiche mögen subjektiv wirken. Sie sind es nicht. Die 20 Aufsätze haben nämlich eines gemeinsam: Ihre oftmals frappierenden Fakten stützen sich auf nachweisbare Quellen. Sei es der Briefwechsel des Komponisten, wie im Falle von Tschaikowskys „Eugen Onegin“. Seien es historische Fakten, die Generationen von Interpreten übersahen. Doch die Textbücher werden stets auch in Kombination mit der Musik untersucht. Gerade im Kapitel über die Opern Mozarts, dem Herzstück des Buches, führt das zu messerscharfen Schlussfolgerungen. Sie entwerfen spannende Beziehungsgeflechte zwischen den Protagonisten, entwirren ihre komplexen Verhaltensmuster. Das alles lässt sich dann anhand der beigefügten Diskografie hörend nachvollziehen.

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