Banner Full-Size

Frankreich kennt keine Furcht vor Fernost

Untertitel
Französische Firmen und Fachverbände laden zur Reise durch ein Musikland ein
Publikationsdatum
Body

Stichworte wie europäische Einheit und Globalisierung gehen auch an der Musikwirtschaft nicht vorbei. Nicht nur innerhalb Europas wächst die ausländische Konkurrenz mit der Erleichterung des grenzüberschreitenden Handels. Gerade aus Ostasien bedrohen Anbieter preisgünstiger Massenware die europäischen Märkte. Grund genug für die französische Wirtschaft, ein konzentriertes Marketing ihrer Produkte in Angriff zu nehmen.

Die CFME ACTIM, Gesellschaft zur internationalen Förderung französischer Technologien und Unternehmen, ist eine Vereinigung französischer Firmen und Fachverbände, speziell solcher, die stark im Export tätig sind. Die „Mitgliedsbeiträge“ der Firmen finanzieren Promotions-Aktionen im Ausland, die die Qualität französischer Produkte bekannt machen sollen. Neben Kolloquien und Ausstellungen organisiert die CFME ACTIM Gemeinschaftsstände für französische Unternehmen auf internationalen Messen aller Art. Und sie lädt ausländische Journalisten zu Firmenbesuchen nach Frankreich ein: ein werbewirksames Mittel der Öffentlichkeitsarbeit, das unmittelbarer und eindrucksvoller wirkt als jeder Hochglanzprospekt – aber auch teurer ist! Die Franzosen lassen sich ihr Marketing etwas kosten. Vor nicht allzu langer Zeit fusionierte die französische Vereinigung mit FIZIT, dem französischen Informationszentrum für Industrie und Technik in Frankfurt. FIZIT hat die Aufgabe, gezielte Pressearbeit für französische Unternehmen in deutschen Medien zu machen. Eine Organisation dieser Art und dieses Ausmaßes ist offenbar einzigartig in Europa. Ob sich die Investitionen in Mark und Pfennig rechnen, sei dahingestellt. Sicher aber befördern sie französische Namen und Produkte an die Öffentlichkeit. Seit einiger Zeit werden die Unternehmen der französischen Musikwirtschaft wach. Auch sie sind inzwischen in großer Zahl Mitglieder der CFME und damit Nutznießer der Werbeaktionen im Ausland. Der wichtigste Umschlagplatz im internationalen Raum ist für französische Instrumentenher-steller und Verlage mehr denn je die Frankfurter Musikmesse. Hier präsentieren sie ihre Produkte auf einem Gemeinschaftsstand, um auf dem internationalen Markt mitzuhalten. Die einhellige Meinung der Unternehmer ist dabei, daß sich die französische Musik- wirtschaft nur gegen die immer stärker werdende Konkurrenz vor allem aus dem ostasiatischen Raum durchsetzen kann, indem sie hochqualitative Produkte anbietet und in der Lage ist, dies dem Endabnehmer zu vermitteln. Von einem Boom der Musikwirtschaft im Nachbarland kann nicht die Rede sein. Dies bestätigen Präsidiumsmitglieder des französischen Instrumentenhersteller-Verbandes. Frankreich ist traditionell ein Land des Buches, der „esprit français“ findet sich in der Literatur viel eher wieder als in der Musik. Viel weniger Kinder als in Deutschland lernen ein Musikinstrument, und sie fangen in der Regel später damit an. Dies hat nicht nur mit dem erwähnten „esprit“ zu tun, sondern auch mit dem französischen Ganztags-Schulsystem, das den Kindern und Jugendlichen nur wenig Freizeit läßt, um sich ihren außerschulischen Interessen zu widmen. Eine eigene Musikabteilung in der französischen Regierung wurde vor einem Jahr mit der Sparte Kunst fusioniert. Grund genug für den Verband, sich über gemeinsame Marketing-Aktivitäten Gedanken zu machen. Finanziert werden könnten diese, so der Vorschlag der Hersteller, durch eine Reduzierung der Händlerrabatte: schließlich haben auch die Händler Interesse an steigenden Verkaufszahlen. Ob dieser Vorschlag ein offenes Ohr findet, war (noch) nicht zu erfahren. Überverbandliche Aktivitäten, zum Beispiel mit den Verlegern oder gar mit der Tonträgerindustrie, gibt es allerdings überhaupt nicht. Hier sind die Gräben wohl noch zu breit – obwohl doch alle an einem Strang ziehen könnten, wo es um gemeinsame Ziele geht. Geht es uns da in Deutschland besser? Trotz der stagnierenden wirtschaftlichen Situation im Musikbereich, trotz der Klagen darüber, daß zu wenig Musik gemacht wird in Frankreich, läßt sich auch Positives festmachen. Zwei Beispiele seien hier genannt: Unternehmer, die, seien sie nun alteingesessen oder „Frischling“ auf dem Markt, sich nicht nur behaupten, sondern auch kontinuierlich expandieren. Da ist zunächst der traditionelle Musikverlag LeDuc. In seinem prächtigen Pariser Verlagshaus präsentiert der „patron“, François LeDuc, gerne seine Produkte, seine Räume und seine Mitarbeiter. Voller Stolz erzählt er die Familiengeschichte, voller Stolz weist er aber auch auf die ständige Erweiterung und Modernisierung des Verlags hin. Ursprünglich für 20 Mitarbeiter angelegt, beherbergt das Verlagshaus inzwischen 60 Beschäftigte. Neben umfangreichen Lagern am Stadtrand betreibt LeDuc für die kleineren Produktionen eine eigene Druckerei. Nachdem der Verlag im Laufe der Jahre und vor allem in letzter Zeit eine Reihe von anderen Verlagshäusern wie die Editions Bornemann, Gras, Hamelle, Heugel und Ouvrières übernommen hat, hat sich LeDuc mit der Übernahme des amerikanischen Musikverlags King inzwischen zu so etwas wie einer internationalen Verlagsgruppe entwickelt. Nur auf diese Weise, so LeDuc, also durch Globalisierung und Expansion, wird ein Verlagshaus wie seines auch zukünftig überleben können. Freilich kann er auch auf ein Verlagsprogramm international renommierter und häufig gespielter französischer Komponisten blicken: Namen wie Ibert, Milhaud, Poulenc, Fauré, Bozza und Messiaen tragen sicher ihr Scherflein zur guten wirtschaftlichen Situation des Verlagshaues bei. Beispiel Nummer zwei ist ein junges Unternehmen in Straßburg, das sich in der Musik- und Orchesterszene Frankreichs und des Auslands bereits einen Namen gemacht hat: Rhythmes & Sons produziert Flight Cases aller Art, individuell auf die Bedürfnisse des Nutzers zugeschnitten, Orchesterzubehör wie Stühle oder Pulte und vertreibt daneben Schlaginstrumente. Auch hier regiert der – sympathische – „patron“, Claude Walter, der alle paar Jahre Grundstücke und Gebäude zukaufen muß, um mit der Expansion seines Unternehmens Schritt zu halten. Beeindruckend ist die Besichtigung seines Lagers: jedem Bedürfnis der Musiker versucht die Firma gerecht zu werden, sei es die optimale Pultbeleuchtung, sei es die Ausnutzung jedes Quadratzentimeters in der Kontrabaßkiste, sei es eine möglichst günstige und vor allem sichere Verpackung von 30 oder mehr Orchestergeigen für Flug- und sonstige Reisen. Offenbar hat der ehemalige technische Leiter des Straßburger Schlagzeugensembles hier eine Marktlücke entdeckt und sie mit seinen Produkten kompetent gefüllt. Zirka 20 Prozent seiner Ware exportiert Walter ins Ausland – im Vergleich mit anderen Unternehmen der französischen Musikwirtschaft eher ein geringer Anteil. Somit hat er auch weniger Probleme mit außereuropäischen, vor allem ostasiatischen Konkurrenten. Trotzdem sinnt er auf höhere Verkaufszahlen im Ausland – aus diesem Grund ist er am Gemeinschaftsstand der Musikmesse mit seinen Produkten präsent.

Weiterlesen mit nmz+

Sie haben bereits ein Online Abo? Hier einloggen.

 

Testen Sie das Digital Abo drei Monate lang für nur € 4,50

oder upgraden Sie Ihr bestehendes Print-Abo für nur € 10,00.

Ihr Account wird sofort freigeschaltet!