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Für Musik-Automaten komponieren

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Die Münchner Gesellschaft für Neue Musik veranstaltet im Oktober ein Festival
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Im Oktober wird man in München, im Rahmen des Festivals „Verspielte Maschinen“, die Gelegenheit haben Musik für mechanische Instrumente oder Musik-Automaten zu hören. Dabei handelt es sich nicht um historische Kompositionen, wie es vielleicht der Veranstaltungsort Deutsches Museum vermuten lassen kann, sondern um Stücke zeitgenössischer Komponisten.

In diesem Zusammenhang ist es interessant, sich mit der Frage zu beschäftigen, warum heutzutage Musik für Maschinen komponiert wird. Denn nach der Erfindung der Schallplatte musste man nicht mehr extra ein Repertoire für Musik-Automaten schaffen, um jederzeit Musik hören zu können. Und trotzdem haben viele Komponisten nach dem 2. Weltkrieg und insbesondere in den letzten 30 Jahren Musik für Automaten aller Art geschrieben. Es ist also offensichtlich, dass heute ganz andere, rein ästhetische Beweggründe wirken, um für Maschinen zu schreiben, als dies vor der Verbreitung der Schallplatte der Fall war. Von den vielen unterschiedlichen Ansätzen, die es in dieser Hinsicht gibt, möchte ich einige kurz beschreiben.

Erstmal ein Blick in die Vergangenheit: Conlon Nancarrow, der als Ers­ter wirklich aussagekräftige Musik für ein mechanisches Instrument geschrieben hat, hatte hauptsächlich ein künstlerisches Ziel: Er wollte eine Musik schaffen, die völlig unabhängig von den manuellen und intellektuellen Unzulänglichkeiten menschlicher Interpreten ist. Er wollte seine Strukturen völlig frei entwickeln, seiner Phantasie freien Lauf lassen können. Deswegen hat er radikal auf die Interpreten verzichtet und nur noch für Player-Piano komponiert. Seitdem verfolgen andere Komponisten sicherlich auch ein ähnliches Ziel, wenn sie Stücke für Maschinen schreiben.

In den letzten Jahrzehnten kamen jedoch noch etliche andere Beweggründe hinzu, um Maschinen zur Aufführung von Musik einzusetzen. So versuchen heutzutage zum Beispiel Zoro Babel und Christoph Reiserer – die sich gleichzeitig auch als unkonventionelle Instrumentenbauer verstehen –, das Verhältnis des heutigen Menschen zu den ihn umgebenden allgegenwärtigen Maschinen zu thematisieren, wobei bei ihnen die Kritik an der Technik wahrscheinlich nicht die Hauptrolle spielt, sondern der Versuch, die Maschinen zu „vermenschlichen“. Sie interagieren als Komponisten/Interpreten mit ihren autonomen Instrumenten/Objekten in Echt-Zeit. Sie greifen die sinnfreien, zufälligen Vorgaben ihrer Musikmaschinen auf und entwickeln daraus künstlerisch sinnvolle (weil eben von Menschen produzierte) musikalische Abläufe.

Einen ganz anderen Ansatz hat Peter Ablinger. In seinem Zyklus „Quadraturen III“ wird eine essentielle menschliche Fähigkeit, die Sprache, von einem mechanisch gesteuerten Klavier imitiert und gleichzeitig verfremdet. Aus Sprache (Text) entsteht Musik, also eine Folge von Tonhöhen und Rhythmen. Dabei wird der ursprüngliche semantische Inhalt des Textes um eine ästhetische Dimension angereichert.

Die Idee der Verfremdung spielt auch in meinen eigenen Stücken für Kurbelspieluhr eine Rolle. Hier jedoch liegt der Fokus auf dem Instrument selber. Dieses wird sozusagen „veredelt“: Es wird einem Kitsch-Instrument komplexe Musik anvertraut, wodurch eine interessante Spannung entsteht.

Diese und andere Aspekte werden im Rahmen des Festivals „Verspielte Maschinen“ sicht- und hörbar gemacht und in Podiums-Diskussionen thematisiert. Man darf neugierig sein.

Verspielte Maschinen
Festival der MGNM für Mechanik in der Musik im Deutschen Museum

Eine Veranstaltung des Deutschen Museums und der Münchner  Gesellschaft für Neue Musik mit freundlicher Unterstützung der  Stadt München

• Freitag, 5. Oktober 2012, 20 Uhr

Eröffnung, Orff-Zentrum München, Vortrag Dr. Giovanni Russo

• Samstag, 6. Oktober 2012
Deutsches Museum, Museumsinsel

15.00 Uhr: Ausstellung Musik­Automaten, 2. Stock
16.30 Uhr, Ehrensaal: Symposium
18.30 Uhr, Ausstellung Musik­Automaten, 2. Stock
20.00 Uhr, Ehrensaal: Konzert  für neu gebaute Musikmaschinen 

Informationen unter www.mgnm.de und www.deutsches-museum.de/information/konzerte

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