Banner Full-Size

Futter für Töne

Untertitel
Klavierlinge tun Dienst
Publikationsdatum
Body
Lotte Kinskofer: Der Klavierling, Palazzo-Verlag. 135 Seiten, 22,80 Mark. linie.gif (77 Byte) Er heißt Crescendo und entstammt dem vornehmen Geschlecht der Klavierlinge, die schon unter dem großen Johann Sebastian Bach Dienst taten. Wohnen tut er im Klavier, wo er sich – wie alle Klavierlinge – von Klaviertönen ernährt, richtigen wie falschen, die zu verhindern seine Hauptaufgabe ist. Ein kleines Männchen im Klavier als Schutzengel unbeholfener Tastenstümperei, der Wunschtraum eines jeden klaviergeplagten Kindes (und Erwachsenen)? Mit viel Sprachwitz, Subtilität und Humor erzählt die Münchner Autorin Lotte Kinskofer die Geschichte vom kleinen Crescendo, den ein Klavierkauf von seinen Eltern und Geschwistern Acceleranda und Glissando getrennt und ins Wohnzimmer der zehnjährigen Daniela verschlagen hat. Bei seiner neuen Besitzerin indes ist er kurz vorm Verhungern, denn Daniela übt kaum Klavier und würde viel lieber Saxophon spielen. Also macht Crescendo sich bemerkbar: „Erlauben Euer Gnaden, daß ich mich vorstelle“, beginnt der altmodisch befrackte, kleinfingergroße Winzling. „Ich gehöre zur Gattung der Klavierlinge... Wir sind die Freunde der Pianisten. Uns obliegt es, falsche Töne zu verhindern und den musikalischen Fluß damit positiv zu gestalten.“ Bei Danielas seltenem, aber erbärmlichen Klavierspiel ist er damit restlos überfordert, ist es ihm doch unmöglich, jedesmal mit seinem Fuß unter eben jenem Hämmerchen zur Stelle zu sein, das auf die Saite schlagen würde. Da hilft nur Arbeitsteilung und eine ganze Familie an Klavierlingen, aber eben die wohnt noch in einem Klavier beim Instrumentenbauer. Um dem abgemagerten Crescendo zu helfen, spielt Daniela plötzlich auffallend viel Klavier, singt selbst beim Zähneputzen Lieder oder kredenzt ihm ein Wiegenlied. Crescendo legt bei diesem Tonfutter zwar beträchtlich zu, doch hat er Heimweh und will zurück zu seiner Familie. Daniela, ihr fußballvernarrter Bruder Kaspar samt Freund Timo machen sich auf eine ereignisreiche Suche. Am Ende sind dann alle wieder glücklich und zufrieden –, und Daniela darf endlich Saxophon spielen. Was Lotte Kinskofers Buch samt den liebevollen Illustrationen von Verena Ballhaus nicht nur für Kinder zu einer vergnüglichen Lektüre macht, sind die pfiffigen Anspielungen: etwa wenn von Franz Liszts großen Händen und vollgriffigem Spiel die Rede ist als Lebensgefahr für Klavierlinge, oder wenn der Klavierlehrer Wieck heißt, der nervöse, hochsensible Pianist dagegen Richter. Eine skurrile, hübsche Erfindung, diese Geschichte um den Klavierling Crescendo.

Weiterlesen mit nmz+

Sie haben bereits ein Online Abo? Hier einloggen.

 

Testen Sie das Digital Abo drei Monate lang für nur € 4,50

oder upgraden Sie Ihr bestehendes Print-Abo für nur € 10,00.

Ihr Account wird sofort freigeschaltet!